Joshua Kimmich ist der neue Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. Bild: dpa / Christian Charisius
Pro & Kontra
Joshua Kimmich polarisiert. Sei es mit seiner Art auf und neben dem Platz, der Diskussion über seine optimale Position auf dem Feld oder als das Gesicht einer hochgelobten 1995/96er-Generation des DFB, die bisher vor allem mit Misserfolgen in Verbindung gebracht wird.
Nun hat Bundestrainer Julian Nagelsmann am Montag verkündet, dass Joshua Kimmich neuer Kapitän der deutschen Nationalmannschaft ist.
Am Samstagabend im Heimspiel gegen Ungarn in Düsseldorf wird Kimmich das DFB-Team zum ersten Mal als offizieller Kapitän aufs Feld führen. Bei der Heim-EM war er bereits der erste Stellvertreter hinter İlkay Gündoğan, der mittlerweile aus der Nationalmannschaft zurückgetreten ist.
Die watson-Kollegen Lukas Grybowski und Swen Thissen diskutieren hier in einem Pro und Kontra: Ist Joshua Kimmich die richtige Wahl als Kapitän des DFB-Teams?
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Pro von Lukas: Kimmich ist die beste Lösung
Joshua Kimmich verkörpert das, was bei glattgebügelten Fußballprofis heutzutage immer vermisst wird. Er äußert klar seine Meinung – auch, wenn er mal übers Ziel hinausschießt. In Teamsitzungen schreckt er nicht zurück, die Taktik des Trainers zu kritisieren, wie bei der Katastrophen-WM 2018 von Prime Video dokumentiert wurde.
Gleichzeitig hat er mittlerweile gut verstanden, wie es ist, wenn man für öffentliche Aussagen viel Gegenwind bekommt, Stichort: Corona-Impfung, oder ein Klub von einer Führungskrise in die nächste schlittert und man als Führungsspieler selbst hinterfragt wird.
In Fußball-Deutschland sollte mittlerweile niemand mehr über den Ehrgeiz der 29-Jährigen verwundert sein. Er will immer gewinnen und muss es gewissermaßen jetzt auch. "Meine Generation hat nichts mehr zu verschenken", sagte er auf seiner ersten Pressekonferenz als DFB-Kapitän. Denn gewonnen haben sie bisher nichts – außer den Confed 2017.
Dennoch erlebt man seit der EM einen anderen Joshua Kimmich. In den veröffentlichten Videos aus dem Teamcamp ist es der 29-Jährige, der für die Lacher und kuriosen Aktionen sorgt. Er zeigt eine Lockerheit, die auch die größten Nörgler:innen begeistern wird.
Es kann doch keine bessere Kombination eines Führungsspielers geben, um die seit zehn Jahren chaotische Nationalmannschaft wieder zu Erfolgen zu führen.
Kontra von Swen: Kimmich ist keine gute Lösung
Vor der EM im eigenen Land veröffentlichte das ZDF eine Doku, deren Namen sich das Management von Joshua Kimmich ausgedacht haben könnte: "Joshua Kimmich – Anführer und Antreiber". Schon klar, ein Antreiber ist Kimmich aufgrund seiner fußballerischen Fähigkeiten. Aber ein Anführer? Nein, das war er bisher nicht.
Kimmich wirkt oft wie ein Getriebener, vom eigenen Ehrgeiz gehemmt. Er drängte sich über Jahre hinweg vor jedes Mikrofon, er wäre gerne das Gesicht einer neuen Erfolgsgeneration, am liebsten im zentralen Mittelfeld. Doch er wurde den Erwartungen nie zu 100 Prozent gerecht und beklagte selbst mehrfach die Last des Drucks. In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitungen" sagte er 2021: "Weil die Erwartungen so hoch sind, wird dir auch ein bisschen die Freude genommen."
2022 hatte er nach dem WM-Aus in Katar Tränen in den Augen, "weil ich persönlich mit dem Misserfolg in Verbindung gebracht werde".
Bundestrainer Julian Nagelsmann schien auf dieses Problem endlich die Lösung gefunden zu haben. Kimmich spielte bei der EM 2024 sein erstes richtig gutes Turnier. Just in dem Moment, in dem er nicht mehr andauernd vor irgendwelchen Kameras stand, sondern anderen den Vortritt ließ. Er konzentrierte sich aufs Sportliche und wurde endgültig aus dem defensiven Mittelfeld abgezogen, wo er auf höchstem Niveau überfordert war. Seither wirkte er gelöst und konzentriert wie nie und machte auf der rechten Außenbahn einen herausragenden Job.
Doch nun ist der Fokus wieder voll auf ihn gerichtet.
Joshua Kimmichs erster Auftritt als DFB-Kapitän ging direkt daneben.Bild: imago images / kirchner media
Der Start ins neue Amt verlief direkt unglücklich. "Natürlich ist es so, dass sich bei uns leider viel verändert hat", sagte Kimmich in dieser Woche auf einer Pressekonferenz, statt authentischen Optimismus zu versprühen. Und machte sich selbst schon wieder Druck, indem er betonte, dass "seine Generation nichts mehr zu verschenken" habe. Er hoffe daher auf ein gutes erstes Spiel am Samstag – "trotz neuem Kader".
Eine Formulierung, die der DFB-Pressesprecherin unangenehm war, weshalb sie ihn in aller Öffentlichkeit korrigierte: "mit neuem Kader".
Ist das das Mindset, mit der der Anführer einer Mannschaft vorangeht, neue Spieler motiviert, die Ärmel hochkrempelt? Spricht so ein bestmöglicher Kapitän?
Julian Nagelsmann wäre gut beraten gewesen, sich eine andere Lösung zu überlegen, auch wenn die Kandidaten nicht gerade Schlange stehen.
Der FC Schalke 04 gegen Hertha BSC – das klingt nach großer Bundesliga-Tradition. Tatsächlich aber war es am Samstagabend das Topspiel der 2. Bundesliga, wobei beide Mannschaften zuletzt etwas hinter den Erwartungen geblieben waren. Das Duell zur Primetime enttäuschte trotzdem keineswegs.