Am 20. November 2022 startet die WM 2022 in Katar. Seit Monaten werden die Stimmen lauter, die WM zu boykottieren. Dem Emirat werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Die Schätzungen der Todesopfer unter den Gastarbeiter:innen nicht-katarischer Herkunft seit 2010 belaufen sich laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International auf bis zu 15.000. Deshalb forderte die Nicht-Regierungs-Organisation auch zuletzt einen Entschädigungsfonds für die Opfer und ihrer Familien.
Seit 2010 deshalb, weil die WM-Vergabe nach Katar im Dezember 2010 stattfand. Seitdem ging es um viel Geld, um Stimmenkauf, Ausbeutung von Arbeiter:innen auf den Baustellen und Menschenrechte.
2010 blickte die Fußballwelt auf Zürich. Denn dort fanden die geheimen Abstimmungen zur WM-Vergabe für 2018 und 2022 statt – zuerst 2018, dann 2022. Kandidaten für die diesjährige WM waren damals neben Katar noch die USA, Südkorea, Japan und Australien. Sie alle stellten sich der Fifa im Dezember 2010 mit einer Präsentation vor. Anschließend durften alle stimmberechtigten Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees geheim abstimmen. Um die Abstimmung zu gewinnen, muss ein Bewerber die absolute Mehrheit – also 50 Prozent plus 1 – haben. Bei Gleichstand zweier Bewerber, hat der Fifa-Präsident die entscheidende Stimme.
Gegen 16 Uhr gab dann der damalige Fifa-Präsident Sepp Blatter vor mehr als 1000 Medienvertreter:innen und 70 TV-Stationen in der Schweizer Banken-Metropole dann die Gewinner der Abstimmungen bekannt: Die WM 2022 wird Katar austragen. 14 Fifa-Exekutivkomitee-Mitglieder stimmten im entscheidenden Wahlgang für den Wüstenstaat. Der letzte verbliebene Konkurrent, die USA, kam auf acht Stimmen.
Katars Bewerbungschef Scheich Mohammed bin Chalifa Al Thani sagte damals: "Danke, dass Sie an uns glauben, an den Wandel glauben" und kündigte an: "Wir werden Sie nicht enttäuschen. Wir sind bereit, Sie werden stolz sein – das verspreche ich Ihnen." Sepp Blatter wiederum sagte: "Wir betreten Neuland."
Statt Neuland folgten allerdings Imageprobleme der Fifa, Stimmenkauf, eklatante Menschenrechtsverletzungen im Austragungsland.
Ursprünglich war der Plan, die WM in zwölf Stadien auszutragen. Von dem Plan rückte die Fifa allerdings ab und lässt die WM nun aufgrund der nur geringen Einwohnerzahl von rund 3 Millionen Menschen in acht Stadien austragen. In den folgenden Jahren wurden davon sechs Neubauten beauftragt und zwei Kernsanierungen der beiden bestehenden Arenen. Aus den geplanten rund 3 Milliarden Euro Investitionskosten wurden rund 200 Milliarden. Ebenso wird 2015 bekannt gegeben, dass die WM erstmals im Winter stattfinden wird – aufgrund der hohen Temperaturen im Wüstenstaat.
Bisher hat Katar bei keiner Weltmeisterschaft mitgespielt. Und auch sonst hatten das Land nur wenige Menschen bisher mit Fußball in Verbindung gebracht.
Der "Spiegel" deckt im Spotify-Original-Podcast "Ausverkauft" auf, dass Katar keineswegs mehr ein Newcomer im Fußballgeschäft ist. Mit der WM-Austragung will der Wüstenstaat jetzt so richtig aufsteigen – seine Finger im System der Fifa hatte Katar aber schon bei der WM-Vergabe 2006 und früher.
Denn das sogenannte Sommermärchen war nach "Spiegel"-Recherchen gekauft. Mehrfach. Dafür wurde auch der FC Bayern und die deutsche Nationalmannschaft instrumentalisiert. Es wurden im Vorfeld Freundschaftsspiele vereinbart, wofür die TV-Rechte teuer gekauft wurden. In den Verbänden der entsprechenden Länder saßen die wichtigen stimmberechtigten Männer aus dem Fifa-Exekutivkomitee. So wurden die Stimmen für die WM 2006 gekauft. Sportswashing.
Da kommt Katar ins Spiel. Das Geld für die Stimme des Fußballfunktionärs Jack Warner wurde von Franz Beckenbauer – damaliger DFB-Vizepräsident und Mitglied im Fifa-Exekutivkomitee – auf ein katarisches Konto überwiesen. Das Konto der katarischen Firma Kemco. Der Inhaber: Der damals aufstrebende Fußballfunktionär Mohamed bin Hammam. Er war seit 1996 Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees. Es wird vermutet, dass er damals durch die Verteilung von Geld an afrikanische Fußballfunktionäre die Wiederwahl von Sepp Blatter gesichert hat.
Dadurch gewann Bin Hammam schnell an Einfluss, wurde Chef der Finanzkommission – und die sogenannte schwarze Kasse der Fifa. 2011 machte er jedoch einen Fehler, stellt sich gegen Blatter zur Wahl, und verlor. Weil er zudem dabei erwischt wurde, Stimmen für sich gekauft zu haben, wurde er von der Fifa gesperrt. Allerdings war er dem "Spiegel" zufolge weiter aktiv und sorgte dafür, dass Katar in den folgenden Jahren weiter seinen Einfluss auf den Fußball ausbauen konnte.
Heute sitzt an quasi jedem Tisch ein Katari, an dem über die Zukunft des Fußballs entschieden wird – und in diesem November wird der Einfluss Katars so sichtbar werden, wie noch nie.