Menschenrechtsverletzungen, Diskriminierung von LGBTQ+ und Klimasünden: Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar ist schon längst von einem sportlichen zu einem politischen Turnier mutiert. Mehrere europäische Nationalmannschaften wollten in dem umstrittenen Gastgeberland Katar für Diversität und Offenheit ein Zeichen setzen – mit einer Kapitänsbinde in Regenbogenfarben. Doch die "One Love"-Binde ist zum Politikum geworden – und zum Gegenstand eines heißen Machtkampfes mutiert.
Zunächst hat die Fifa im letzten Moment Sanktionen für das Tragen des symbolträchtigen Accessoires angedroht. Die Kapitäne müssten also mit einer Geldstrafe oder einer Gelben Karte rechnen, wenn sie mit der symbolträchtigen Binde auflaufen. Auch der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, Manuel Neuer. Der DFB hat daraus seine Konsequenzen gezogen und sich gegen den Einsatz der Binde entschieden. Dennoch möchte er rechtliche Schritte gegen die Fifa-Entscheidung einleiten. Mittendrin im Diskurs: die Sponsoren.
Rewe hat das Sponsoring für den Deutschen Fußball-Bund am Dienstag aufgekündigt. Doch wie stehen die anderen großen Unterstützer zu dem Thema? Welche Konsequenzen ziehen sie aus dem Rückzieher? Watson hat nachgefragt.
Die Empörung beim DFB ist groß. Die Spitze des Deutschen Fußball-Bundes hat das Fifa-Verbot für die "One Love"-Kapitänsbinde von Manuel Neuer scharf kritisiert. "Es handelt sich aus meiner Sicht um eine Machtdemonstration der Fifa", sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf am Montag im Teamquartier in Norden Katars. "Das ist aus unserer Sicht mehr als frustrierend und auch ein beispielloser Vorgang der WM-Geschichte."
Dass sich Rewe als Sponsor von der Zusammenarbeit zurückzieht, schmerzt den DFB nicht nur öffentlichkeitswirksam, sondern auch finanziell. Andere große Sponsoren halten sich da bedeckter, wie watson erfuhr.
So beabsichtigt einer der größten Partner nicht, die Partnerschaft mit dem DFB zu beenden. Gegenüber watson bestätigte Thomas Jachnow, Sprecher der Fluggesellschaft, die Entscheidung: "Lufthansa beabsichtigt nicht, die Partnerschaft mit dem DFB zu beenden". Der Konzern argumentiert die Entscheidung mit den Werten, wofür er stehe:
Ein Widerspruch? Nein, findet der Konzern. Er setze sich auf andere Weise für Diversität ein. Aktuell werde etwa ein Flugzeug mit der "Diversity Wins"-Sonderlackierung auf verschiedenen Langstreckenverbindungen eingesetzt. Auch nach Doha, der Hauptstadt des umstrittenen WM-Gastgebers.
Das Statement eines der größten Sponsoren VW ähnelt jenem von Lufthansa. Der Auto-Konzern behauptet, ein "buntes, vielfältiges" Unternehmen zu sein – und kritisiert die Fifa-Entscheidung scharf: "Das Verhalten der FIFA ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel", sagt der Sprecher Gerd Voss gegenüber watson. Der Konzern stellt klar, zwar Partner vom DFB, nicht aber von der WM oder der FIFA zu sein. Laut Voss hätte sich der Konzern aber ein mutigeres Vorgehen gewünscht:
VW sieht dennoch keinen Grund, die Zusammenarbeit mit dem DFB deshalb zu kündigen: "Wir beabsichtigen nicht, unser Sponsoring zu beenden. Für uns umfasst die Partnerschaft mit dem DFB nicht nur die Nationalmannschaft der Männer, sondern den gesamten deutschen Fußball wie zum Beispiel die Nationalmannschaft der Frauen und besonders auch den Fußball der Jugend und Amateure."
Und: Es habe beim DFB in den vergangenen Monaten viele gute Entwicklungen gegeben. VW wolle künftig weiter mit dem Fußball-Bund gemeinsam an "positiven Veränderungen im Fußball insgesamt" arbeiten.
Auch Coca-Cola ist seit vielen Jahren Partner des DFB und Sponsor bei der Fußball-Weltmeisterschaft. Der Konzern beabsichtigt ebenfalls nicht, die Zusammenarbeit zu beenden. "Gemeinsam engagieren wir uns in vielfältiger Weise für Toleranz, Gleichberechtigung und Diversität im Sport und in der Gesellschaft. Dieses Engagement gilt es gemeinsam fortzuführen", sagt der Sprecher Jonas Numrich.
Durch die Partnerschaft bei FIFA-Weltmeisterschaften wolle der Konzern dazu beitragen, "Optimismus und Zusammenhalt in der Gesellschaft weltweit zu fördern". Und weiter:
Coca-Cola unterstütze unterdessen die LGBTQI+-Gemeinschaft und werde sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass diese Werte weltweit respektvoll vertreten werden.
Auch Adidas möchte weiter mit dem DFB zusammenarbeiten: "Wir werden die Partnerschaft mit dem DFB nicht beenden. Wir stehen in engem Austausch mit unserem jahrzehntelangen Partner DFB und setzen auf den gemeinsamen Dialog", sagt der Sprecher Stefan Pursche. Sport biete wichtigen Themen eine Bühne. Es sei unerlässlich, die Diskussion fortzuführen.
Der DFB begründete den Verzicht nach der Fifa-Androhung damit, das Politikum nicht auf dem Rücken der Spieler ausfechten zu wollen. Zudem sei es das Ergebnis der Beratungen aller Europa-Verbände gewesen. Der Deutsche Fußball-Verband möchte den Streitfall vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne bringen.
Laut DFB-Vorstand soll die Möglichkeit eines sogenannten Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz bei der Ad-Hoc-Division des CAS geprüft werden. Diese ist während der Fußball-Weltmeisterschaft eingerichtet, um innerhalb von 48 Stunden über Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden.
(mit Material von dpa)