Bei "Prince Charming" geht nun bereits zum zweiten Mal der Kampf um einen begehrten Single-Mann zu Ende. ProSieben will eine zweite Staffel "Queen of Drags" produzieren, bald wird es bei RTL außerdem die Dating-Show "Take me out" nur für Männer geben. Auch die Frauen sollen auf ihre Kosten kommen: Mit "Princess Charming" verkündete die Mediengruppe RTL kürzlich die erste bisexuelle Kuppel-Show. Mittlerweile wurde das Konzept der Sendung sogar noch einmal grundlegend verändert. Statt einer bisexuellen Frau wird eine lesbische Frau auf die Suche nach der großen Liebe gehen.
Man könnte es also quasi als die Gay-Offensive der Privatsender bezeichnen. So viel Diversität hat es im TV wohl nie gegeben. Nur: Ist das auch im Sinne der LGBTQ-Community?
Watson fragt beim Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) nach, was dieser von der neuen Programmvielfalt hält. Und dabei wurde schnell klar: Nicht alles an der "Gay-Offensive" der Privatsender ist begrüßenswert.
"Prinzipiell sind wir natürlich für eine selbstverständliche Darstellung, ein selbstverständliches Abbilden von LGBT-Personen in medialen Formaten", erklärt LSVD-Pressesprecher Markus Ulrich im Gespräch mit watson. Es sei zwar spannend zu beobachten, dass es mittlerweile ein größeres Interesse gebe und "eine zunehmende Sensibilität da ist", gleichzeitig sei dann aber immer die Frage: "Welche Bedingungen der Sichtbarkeit gibt es und in welches Format passt sie?"
Laut Ulrich ist vor allem auffällig, "dass in dieser Gay-Offensive lesbische Frauen zu oft vernachlässigt werden". Er kritisiert, dass das von TVNow als Gegenstück zu "Prince Charming" angekündigte Format "Princess Charming" sich – in seiner ursprünglich geplanten Form – auf den zweiten Blick gar nicht als ein solches erwies:
Dass Frauen in TV- oder Streaming-Formaten noch immer unterrepräsentiert sind, zeigt auch die MaLisa-Studie. Und auch watson hatte bereits ausführlich über das Problem der fehlenden Frauen in der Primetime berichtet. Ulrich sieht das ebenfalls problematisch. Diversität werde zwar gut gefunden und die TV- und Streaming-Landschaft werde zunehmend diverser, aber Frauen bleiben weiterhin unterrepräsentiert – "und damit natürlich genauso lesbische und bisexuelle Frauen". Aber Ulrich macht Hoffnung auf Besserung:
Das ist allerdings nicht das einzige Manko, wie Ulrich sagt. Auch wenn es mittlerweile deutlich mehr Formate wie "Prince Charming" gibt, seien es hochgerechnet noch immer viel zu wenige. "Wir sind noch weit von einer selbstverständlichen Darstellung der LGBT-Community entfernt. Es ist immer noch etwas Besonderes. Die vereinzelte Darstellung ist noch kein Indiz dafür, wie selbstverständlich es ist", gibt er zu bedenken.
Das zeigt sich beispielsweise auch in täglichen Serien. Da gehört es zwar mittlerweile fast zum guten Ton, eine schwule Figur dabei zu haben. Laut Ulrich stelle sich dabei allerdings eine Frage: Welche Lebenswirklichkeit spiegelt das? Denn meist gebe es eben nur einen Schwulen und der sei entweder Single oder habe einen Freund. Alles schön und gut, die Sache hat nur einen Haken: Schwule Freunde hat er nicht. "Wenn ich mir meine Lebensrealität angucke, dann sieht das anders aus. Ich habe viele schwule Freunde und weniger heterosexuelle Freunde. Das bilden die Formate nicht ab", meint Ulrich.
Neben den fehlenden Frauen und der Frage nach der Lebenswirklichkeit gibt es aber noch ein Thema, das Markus Ulrich im Zusammenhang mit der Gay-Offensive im TV nicht unbeachtet lassen will: Transgender. Denn in diesem Punkt würden vor allem die privaten Sender keine besonders gute Figur abgeben. Ulrich kritisiert, dass die Sender "beim Thema Trans schon sehr exotisieren und eine schwierige Sprache benutzen, zum Beispiel hinsichtlich Geschlechtsangleichung". Außerdem würden häufig "zu tiefst übergriffige Fragen zu Genitalien und Körpern gestellt und Grenzen nicht akzeptiert", sagt er.
Apropos Exotisieren: Die queere Community ist laut Ulrich einfach extrem divers, wenn es um Alter, Hautfarben, Geschlecht und Schönheitsideale geht. Doch Dating-Shows im TV folgen dennoch "einem gewissen Normativ von Schönheit, was eher in Richtung jung und muskulös geht", sagt er.
Trotzdem sieht er eine positive Entwicklung: "Je mehr LGBT-Menschen in den Formaten vorkommen, desto mehr kann die Vielfalt auch abgebildet und damit der Exotisierung entgegengewirkt werden". Das würde wiederum auch den Druck von einzelnen Personen nehmen, "immer direkt die ganze LGBT-Community repräsentieren zu müssen".
Abschließend hält Ulrich fest, dass Reality-Formate, auch wenn sie diesen Namen tragen, weit davon entfernt seien, Realität abzubilden. Zu Opfern machen sollte man die Kandidaten der Shows aber nicht. "Die Teilnehmenden haben ihre Darstellung natürlich auch ein Stück weit selbst in der Hand", mahnt er. Denn jeder wisse mittlerweile, "dass eine Reality-Show bestimmten Regeln folgt" – egal, ob hetero- oder homosexuell.