Wadde wolle dudde da? Stefan Raab soll im September wieder im TV zu sehen sein.Bild: getty images / United Archives / Kontributor
Analyse
Wer verstehen möchte, wie sich Stefan Raab vor 25 Jahren anschickte, der größte Entertainer seiner Zeit zu werden, dem kann folgende Anekdote vielleicht helfen: Im Jahr 2000 war Christoph Daum designierter Bundestrainer der deutschen Fußballnationalmannschaft. Kurz vor seinem Dienstantritt kamen Gerüchte auf, der Coach würde Kokain konsumieren. Einer der Akteure: Bayern-Präsident Uli Hoeneß, der in einem Interview mit einer gar nicht mal so gut versteckten Bemerkung den Stein ins Rollen gebracht hatte.
Plötzlich standen auch die Rechtsanwälte auf der Matte. Weshalb sich Hoeneß in einer Pressekonferenz genötigt sah, folgende Sätze zu sagen: "Deshalb gilt ab sofort, dass jeder, der weiterhin behauptet, ich hätte gesagt, Daum konsumiere Drogen (...) und dürfe deshalb nicht Bundestrainer werden, von mir verklagt wird."
Im Jahr 1999 ging Raab mit "TV total" auf Sendung.Bild: imago images / United Archives
Stefan Raab war zu diesem Zeitpunkt seit gut einem Jahr mit seiner Show "TV total" auf Sendung, er sprengte am Montagabend Zuschauerrekorde und war in aller Munde. Und reagierte auf Hoeneß' Drohung, wie zu jener Zeit eben nur Raab reagierte: Er stellte sich, von Kameras begleitet, auf einen Truck, fuhr mit ihm durch Köln und rief per Megafon in die Menge: "Achtung, Achtung, Bürger von Köln! Uli Hoeneß hat gesagt, Christoph Daum nimmt Drogen."
Am Abend saßen Millionen Menschen vor ihrem Fernseher. Und lachten oder schimpften über Raabs Unverfrorenheit.
Stefan Raab verschob einst die Grenzen des im TV Sagbaren. Er stellte sich in "Raabigrammen" vor Prominente und beschimpfte sie. Er erfand wie am Fließband TV-Shows und hob das Privatfernsehen auf eine andere Stufe. Er drehte der Unterhaltungsindustrie eine lange Nase, indem er den Eurovision Song Contest zu seiner Show machte – zuerst als Autor von "Guildo hat euch lieb" von Guildo Horn, dann selbst als Sänger von "Wadde hadde dudde da", abschließend als Kopf hinter dem umjubelten Sieg von Lena Meyer-Landrut.
Raab produzierte viralen Content, bevor es soziale Netzwerke gab, auf denen er hätte viral gehen können. Auch weil die größten Stars der Welt, wenn sie etwas zu verkaufen hatten, zu "TV total" kamen.
Über die Jahre hinweg wurde aus dem Fernsehclown der große Entertainer, der zweifelsohne irgendwann seinen Esprit eingebüßt hatte. Jeder Star nutzt sich ab.
Dennoch hatte er bis zu seinem überraschenden Karriereende, bei dem er sich von heute auf morgen komplett aus dem Fernsehen zurückzog, eine riesige Fangemeinde aufgebaut. Das haben vor und nach ihm nur ganz wenige TV-Gesichter geschafft.
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Diese ist bis heute zweigeteilt und sie lässt sich anhand seiner ESC-Erfolge recht gut nachzeichnen.
Auf der einen Seite sind da die Fans der ersten Stunde: Die Anhänger:innen, die ihm zu Füßen lagen, als Guildo Horn und auch er selbst mit ihren Auftritten dort hingingen, wo es weh tat. Es sind die Fans, die damals als junge Menschen mit ihren Eltern stritten, wie lange man Montagabend wach bleiben darf, um "TV total" zu sehen, und die bis heute nach beschissenen Tagen im Büro seine besten Clips auf Youtube schauen, um die Laune wieder anzuheben.
Lena Meyer-Landrut und Stefan Raab schrieben gemeinsam Musikgeschichte.bild: imago images / showimages
Auf der anderen Seite gibt es Millionen Menschen, die sich einfach gerne daran erinnern, sich einst von Raab-Shows sehr gut unterhalten gefühlt zu haben. Es sind jene, die spätestens zu Raab-Sympathisant:innen wurden, als Lena Meyer-Landrut den ESC gewann.
Diesen Status muss man kennen, wenn man nachvollziehen möchte, warum der Hype um Raabs mögliches Comeback in den vergangenen Tagen so eskalierte.
Man kann es für eine blöde Idee halten, dass Raab nun über ein Comeback nachdenkt. Man darf anmerken, dass viele seiner Witze von einst heute völlig aus der Zeit gefallen wirken. Doch vergessen sollte man nicht: Raab war nie "nur" Komiker oder "nur" Moderator. Er war über Jahrzehnte hinweg Produzent und Mastermind hinter seinen eigenen Shows.
Niemand wird ernsthaft doof genug sein, Raab zu unterschätzen. Natürlich kann dieses TV-Genie noch einmal eine geniale Idee haben, die das deutsche Fernsehen aufmischt; zumal Raab nicht wie ein Thomas Gottschalk deutlich über 70 Jahre alt ist. Raab ist erst 57.
Dass viele Menschen jetzt fast schon hyperventilierend darauf hoffen, spricht dabei nicht nur für Stefan Raab. Es spricht auch gegen das heutige Privatfernsehen, in dem man – abgesehen von Joko und Klaas – schon lange keine neuen, guten, lustigen, unterhaltsamen Sendungen mehr gesehen hat.
Eine Frage bleibt zum jetzigen Zeitpunkt unbeantwortet: Wadde wolle dudde da wirklich, Stefan Raab? Seit heute weiß man zumindest, dass Raab tatsächlich im September wieder zu sehen sein wird: Er will erneut in den Boxring steigen und gegen Regina Halmich boxen. Zwar sieht es Raab nicht ähnlich, dass er "nur" für diesen einzelnen Kampf seine Öffentlichkeitsabstinenz beenden könnte. Dennoch ist sein Comeback, so weit können wir uns auch im April aus dem Fenster lehnen, die größte TV-Überraschung des Jahres.
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