
Helene Fischer bekommt auf ProSieben den Primetime-Sendeplatz direkt nach "The Voice of Germany".Bild: imago images / POP-EYE/H_Urs
Analyse
Die Fans von Helene Fischer bekamen am 4. Oktober gleich zwei neue TV-Termine, die sie sich rot im Kalender anstreichen sollten: Am 12. November wird die Performance-Show "Helene Fischer – Ein Abend im Rausch" auf Sat.1 gezeigt, am 18. November wiederholt ProSieben die Sendung – hier sogar direkt nach "The Voice of Germany". Der Abend wird also sehr musikalisch werden. In dem Format wird sie die neuen Hits ihres kommenden Albums performen sowie Steven Gätjen in einem Interview Rede und Antwort stehen.
Besonders bemerkenswert am gewählten Sendetermin scheint dabei zu sein, dass Helene Fischer zumindest auf ProSieben in direkten Zusammenhang mit der beliebten Castingshow gebracht wird, indem man Zuschauern von "The Voice" direkt als Nächstes zur besten Primetime ihre Show vorsetzt.
Dabei hatte sich "The Voice" eigentlich als letzte Show ihrer Art gegen den immer deutlicheren Schlagereinfluss gewehrt: Während in Sendungen wie "Deutschland sucht den Superstar" mit Beatrice Egli eine Schlagersängerin zur Siegerin gekürt und kürzlich mit Florian Silbereisen eine Schlagerikone zum Chefjuror ernannt wurde, saßen bei "The Voice" eher Pop-, Rock-, und Hiphop-Stars hinterm Jurypult, die wiederum vornehmlich Pop-, Rock-, und Rap-Interpreten casteten.
Nun könnte die Helene-Fischer-Sendung also die erste Brücke sein, die zwischen "The Voice" und dem Schlager gezogen wird. Warum das Genre eine immer größere Bedeutung für Castingshows bekommt und wie sich die Sängerinnen und Sänger immer ansprechender für junges Publikum entwickeln, erklärte die Musikwissenschaftlerin Marina Forell nun gegenüber watson.

Florian Silbereisen, Ilse DeLange und Toby Gad bilden die neue "DSDS"-Jury.Bild: RTL/ Stefan Gregorowius
Warum Schlager eine immer größere Rolle in Castingshows spielt
Dass Schlager im Allgemeinen gerade auch beim jungen Publikum immer besser ankommt, verwundert die Expertin wenig, denn: "Der Schlager hat sich musikalisch in letzter Zeit immer mehr dem Pop angenähert, die Grenzen verschwimmen. Auch bezüglich der Inszenierung, der Albencover, der Shows orientieren sich insbesondere Schlagersängerinnen seit etwa zehn Jahren mehr an internationalen Vorbildern." In einer absoluten Vorreiterrolle sieht Forell dabei Helene Fischer:
"Es gibt nun moderne, ästhetische Musikvideos, Instagram-Auftritte, Tiktok-Accounts und die gleichen Outfits auf der Bühne wie Beyoncé und Co. Dazu Lichtshows, Akrobatik und nichts mehr, was an Volkstümlichkeit oder Deutschtümelei erinnert."

Helene Fischer arbeitet für ihre Sat.1-Show mit Stefan Raab zusammen.Bild: Getty Images Europe / Andreas Rentz
Da hat es in den vergangenen Jahren offensichtlich nicht lange gedauert, bis RTL den Markt für sich erkannt und Schlager im Cast gern angenommen hat. Immerhin: Laut dem Online-Portal für Statistik, "Statista", zählten rund 20 Prozent aller Deutschen Schlager als ihre Lieblingsmusikrichtung auf.
Aber laut der Musikwissenschaftlerin scheint nicht nur die schiere Beliebtheit des Schlagers ein Kriterium für die TV-Landschaft zu sein. "DSDS" oder "Das Supertalent" sind lediglich deutsche Versionen internationaler Formate. Durch die Einbindung der Musikrichtung ergebe sich eine Art "Alleinstellungsmerkmal" der deutschen Adaptionen. Dass sich der Schlagertrend auch international ausbreitet, leiste dabei sein Übriges:
"Castingshows schauen ja eher jüngere, da sich der Schlager auch verjüngt und internationalisiert, gibt diese Entwicklung schon Sinn."
Wie der Schlager sein verstaubtes Images los wird
Dass Schlager im TV nicht mehr ausschließlich bedeutet, dass in die Jahre gekommene Sängerinnen und Sänger Playblack-Stücke auf der Bühne performen, während ein eher älteres Publikum rhythmisch dazu klatscht, zeigen auch Features mit Interpreten anderer Genres. So nahm beispielsweise Vanessa Mai mit dem Rapper Olexesh den Song "Wir 2 immer 1" auf.
Mai nennt die Musikwissenschaftlerin auch als Beispiel für die Strategie, wie der Schlager sein angestaubtes Image langsam aber sicher abstreift. Statt mit "merkwürdig stampfigen Techno-Beats" arbeite die Musikrichtung vermehrt mit "EDM oder Trap-Klängen", die Musikproduktion unter anderem bei Mais Song "Ruf nicht mehr an" sei zudem laut Forell moderner geworden. Sie fügt weiterhin an:
"Das hat nichts mehr mit Schlager zu tun, das Musikvideo ist futuristisch, sie trägt die neuesten und stylishsten Klamotten."
Ebenso wenig sei Helene Fischers erste Single-Auskopplung aus ihrem Album "Rausch", nämlich "Vamos A Marte", noch genuiner Schlager: "Sie singt mit Luis Fonsi, der einen riesigen Hit mit 'Despacito' hatte, das Musikvideo ist zwar nicht sonderlich aufwändig produziert, dennoch ist es modern und irgendwie cool", befindet sie.
"The Voice"-Entwicklung zum Schlager noch ungewiss
In der am 7. Oktober startenden elften Staffel von "The Voice of Germany" wird die Jury aus Mark Forster, Nico Santos sowie erstmals Sarah Connor und Johannes Oerding bestehen, die als Coaches für die Kandidatinnen und Kandidaten fungieren werden. Damit ist die Sendung vermutlich wieder auf dem Papier pop-musikalisch ausgerichtet. Ob der Schritt zum Schlager von deutschsprachigen Musikerinnen und Musikern bei der aktuellen Schlagerentwicklung noch allzu weit entfernt ist, wird sich in den kommenden Staffeln zeigen.
Da nach unter anderem Sido, Smudo und Michi Beck kein Rapper mehr in der Jury sitzt, scheint aber eine vermeintliche Abgrenzung von der Musikrichtung zumindest nicht mehr allzu streng zu sein. Ein eindeutiger Schlager-Schwerpunkt wie bei "DSDS" ist bei "The Voice" allerdings trotzdem (noch) nicht zu erkennen. Bleibt jedoch abzuwarten, ob das nach der neuen Helene-Fischer-Show, die allen Vorzeichen nach sehr quotenstark sein wird, beibehalten bleibt.
Am 13. Februar fiel der Startschuss zur mittlerweile 20. Staffel von "Germany's next Topmodel". Erneut werden Frauen und Männer gecastet, vorerst gibt es sogar zwei Folgen pro Woche. Los ging es in München mit dem Casting der Frauen.