Taylor Swift ist eine der erfolgreichsten Musikerinnen dieses Jahrzehnts. Als erste Künstlerin bekam sie viermal den Grammy für das Album des Jahres, 2022 belegte ihr "Midnights"-Album die ersten zehn Plätze der US-Billboard-Charts.
Um den kommerziellen Erfolg ihrer Musik und ihrer Marke braucht Taylor sich also keine Sorgen zu machen. Die Sängerin gilt aber auch als geniale Geschäftsfrau. Sie weiß, wie man auch aus ihrem enormen Erfolg noch das Maximum herausholt.
Zwei Geschäftsentscheidungen, die Taylor in letzter Zeit getroffen hat, stehen dafür exemplarisch. Interessant ist diesmal allerdings: Die Fans, die Taylor sonst treu ergeben sind, rebellieren.
Am 31. August kündigte Taylors Team auf dem Instagram-Account "Taylornation" an, dass der Konzertfilm der Sängerin in die Kinos kommen werde. Ab dem 13. Oktober lief "The Eras Tour" dann auch in Deutschland im Kino.
Informationen dazu, wann und ob der Film auch digital verfügbar sein würde, gab es zunächst keine. Die Swifties stürmten also die Kinos, laut "Forbes" spielte er an seinem Startwochenende knapp unter 93 Millionen Dollar in den USA und weltweit 123 Millionen Dollar ein.
Knapp zwei Monate nach dem Kinostart verkündete Taylor dann die nächste Stufe ihres Projektes: Am 7. Dezember gab sie bekannt, dass "The Eras Tour" bald auch außerhalb der Kinos verfügbar sein wird.
Ab dem 13. Dezember konnten sich Fans in den USA, Kanada, im Vereinigten Königreich und Irland den Film zu Hause ansehen. In Deutschland, Österreich, der Schweiz, und weiteren Ländern war er ab dem 21. Dezember verfügbar – pünktlich zu Weihnachten. Aber: Der Film stand nicht zum Kaufen oder zum Streamen zur Verfügung, sondern lediglich zur Miete.
In Deutschland kostete das damals stolze 15,99 Euro, die einem wohlgemerkt nur wenige Stunden lang Zugriff auf den Film gewährten. Wer ihn sich danach noch einmal ansehen wollte, musste erneut zahlen. Auch zu diesem Zeitpunkt gab es keine offiziellen Informationen dazu, ob der Film je bei einem Streamingdienst veröffentlicht werden würde.
Das änderte sich am 7. Februar. Zwei Monate nachdem der Amazon-Release bekannt wurde, erklärte "Taylornation", dass "The Eras Tour" ab dem 15. März zum Streamen bei Disney+ bereitsteht. Um den Fans einen neuen Abo-Anreiz zu bieten, warteten sie mit Bonusmaterial auf: Neben "Cardigan", einem Lieblingshit vieler Fans, der in der Kinoversion des Films fehlte, sind in der Disney-Version vier weitere Songs ihres Akustik-Sets zu sehen.
Die Kommunikationsstrategie von Taylor und ihrem Team führt also dazu, dass Fans im Extremfall ein Kinoticket gekauft und den Film bei Amazon gemietet haben, damit er nun doch im Rahmen eines Abos gestreamt werden kann. Was dabei vor allem auffällt: Die Strategie, die Fans mit Bonus-Inhalten zu locken, hat Taylor inzwischen perfektioniert. Doch bei ihrem neuesten Projekt könnte sie es damit übertrieben haben.
Bei den Grammy-Awards am 5. Februar kündigte Taylor ihr neues Album an. Fans können "The Tortured Poets Departement" seitdem über ihre Website vorbestellen. Offiziell erscheint das Album am 19. April. Die "Originalversion" enthält dabei 16 Titel, sowie den Bonustrack "The Manuscript". Fans bestellten das Album als Vinyl, CD oder Kassette zahlreich vor.
Doch schon am 16. Februar kam dann die Überraschung: Taylor kündigte eine zweite Version des Albums an. Diese enthält den Bonustrack "The Bolter" und konnte nur bis zum 19. Februar über ihre Website vorbestellt werden.
Am 23. Februar folgte die dritte Version des Albums, die diesmal den Song "The Albatross" enthielt. Auch diese war nur für eine begrenzte Zeit über den Shop zu kaufen. Gut vier Wochen vor der Veröffentlichung des Albums gab es also bereits drei verschiedene Varianten, die jeweils einen Bonustrack enthielten.
Am dritten März gab Taylor dann bekannt, dass "The Tortured Poets Departement" insgesamt vier Versionen haben wird. Die vierte enthält den Bonustrack "The Black Dog" und war bis zum 6. März über ihren Shop verfügbar.
Dass Taylor mehrere Varianten des gleichen Albums veröffentlicht, ist nicht ganz neu. Schon von "Midnights" und "1989 (Taylor's Version)" gab es mehrere Versionen. Aber: Bisher unterschieden die sich lediglich in ihrem Aussehen. Dass Fans nun durch Bonus-Content dazu verleitet werden sollen, sich mehrere Varianten des gleichen Albums zu kaufen, ist neu.
Zum ersten Mal könnte Taylor sich mit dieser Marketingstrategie verkalkuliert haben. Unter den Swifties kursiert für die Verkaufsstrategie rund um ihre Musik und ihren Merch schon länger ein feststehender, wenig schmeichelhafter Begriff: Taycapitalism.
Nachdem Taylor die dritte Variante von "The Tortured Poets Departement" angekündigt hatte, sammelten sich unter einem Instagram-Post wütende Kommentare ihrer Fans. Der Tenor dabei häufig: Viele haben das Gefühl, es sich inzwischen einfach nicht mehr leisten zu können, Fan von Taylor Swift zu sein.
"Es gibt einen riesigen Unterschied, ob man verschiedene Optionen eines Albums anbietet (oder eine mit einem Bonus) oder verschiedene Varianten herausbringt und die Leute dazu bringt, mehrere Exemplare zu kaufen, damit sie jeden Song hören können, und ihr wisst das. Ich liebe Taylor, aber die Kritik ist berechtigt", schreibt ein enttäuschter Fan.
Ein weiterer merkt an, er habe schlicht nicht das Geld, um sich so viele Varianten eines Albums zu kaufen, nur um in der Lage zu sein, alle Songs zu hören. "Das ist unglaublich frustrierend und enttäuschend und gibt mir das Gefühl, als Fan ausgeschlossen zu sein, weil ich mir nicht mehrere Versionen desselben Albums kaufen kann. Ich verstehe nicht, warum Taylor und ihr Team im Moment immer wieder diese Entscheidung treffen." Viele Fans erklären auch, dass sie ihre Vorbestellung der ersten Version des Albums inzwischen gecancelt hätten.
Die Wut der Fans ist verständlich. Immerhin sorgen die verschiedenen Varianten mit ihren unterschiedlichen Bonustracks dafür, dass man nicht nur den Preis eines ganzen Albums für ein einzelnes, neues Lied bezahlt, da man die anderen ja bereits besitzt, wenn man eine der vorherigen Varianten gekauft hat.
Da die Alben alle einzeln verkauft wurden und – bis auf die allererste – nur als "Limited Edition" verfügbar waren, kommen für jede einzelne Bestellung auch noch Versandkosten dazu. Ein Beispiel: Wenn man in Deutschland die erste Version des Albums gekauft hat und sich dann auch noch die "The Bolter"-Edition als CD kauft, zahlt man inklusive Versandkosten 25,94 Euro für exakt einen neuen Song. Ein stolzer Preis, auch für Swifties. Natürlich kann man argumentieren, dass niemand sich alle Varianten des Albums kaufen muss.
Allerdings hat Taylor selbst dafür einen Präzedenzfall geschaffen. Ihr Song "You're loosing me" war im vergangenen Jahr Monate lang nur auf einer limitierten Sonderedition von "Midnights" verfügbar, bevor sie ihn im Dezember zum Streamen freigab. Ob sie wirklich alle Bonustracks von "The Tortured Poets Departement" zum Streamen bereitstellt, ist also fraglich.
Die Frage, warum Taylors Team sich für diese Verkaufsstrategie entscheidet, stellen sich inzwischen einige Fans. "Forbes" schätzte ihr Vermögen im Oktober 2023 auf 1,1 Milliarden US-Dollar. Auf das Geld durch die zusätzlichen Plattenverkäufe und die Einnahmen des "Eras-Tour"-Films auf Amazon ist sie definitiv nicht angewiesen.
Dass die Fans diesmal offen und zahlreich ihren Unmut darüber kundtun, dürfte Taylor und ihrem Team durchaus zu denken geben. Ob sie die Verkaufsstrategie für den möglichen Nachfolger von "The Tortured Poets Departement" noch einmal ändert, bleibt abzuwarten.