Auch Markus Lanz hat wegen der Corona-Abstandsempfehlungen die Sessel für die Teilnehmer seiner Talkrunde etwas luftiger aufgestellt.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) ist trotzdem nur zugeschaltet. Allerdings nicht wegen der Hygiene, sondern weil er derzeit andere Dinge zu tun hat, als einen halben Tag in eine Talkshow zu investieren. "Die Lage ist wirklich dramatisch", sagt er, "Es geht um Leben und Tod." Zwölf Menschen sind bis Dienstag in Nordrhein-Westfalen am Coronavirus gestorben.
Wie von der Bundesregierung beschlossen, hat das Bundesland Geschäfte, Kneipen und Einrichtungen geschlossen, um Sozialkontakte zu einzuschränken. Es sind einschneidende Maßnahmen, die nun nach langem Zaudern in den vergangenen Tagen beschlossen wurden. Doch der gebürtige Südtiroler Markus Lanz erzählt, dass er jeden Tag mehrere Nachrichten aus seiner alten Heimat bekommt.
Bekannte würden ihn bitten, öffentlich zu machen, dass Deutschland die Lage unterschätzt. Und so fragt Lanz, warum Laschet die Restaurants überhaupt noch tagsüber bis 15 Uhr öffnen lässt. "Man kann sich ja mittags genauso anstecken wie abends?", merkt Lanz an.
Man wolle "das wirtschaftliche Leben noch aufrechterhalten. Wir reduzieren nur soziale Kontakte", entgegnet Laschet wenig überzeugend angesichts der vielen anderen Branchen, die komplett in die Auszeit geschickt wurden.
Ob denn eine strenge Ausgangssperre für die Bürger drohe, will Lanz wissen? "An diesem Punkt ist Deutschland noch nicht. Aber ich möchte es für die Zukunft nicht ausschließen", deutet Laschet an, was in den nächsten Tagen auf Deutschland zukommen könnte. Vielleicht könne man diese Entscheidung noch verhindern. "Aber das liegt an jedem Einzelnen." Worauf der Einzelne aber keinen Einfluss hat:
Das klingt gar nicht gut, da sind sich die anderen Teilnehmer an diesem Abend einig. Dabei sind Kevin Kühnert, Juso-Vorsitzender und stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender, Jochen A. Werner, Leiter der Uniklinik Essen und der Psychiater Manfred Lütz.
Nach diesem düsteren Intro mit Laschet geht es auch nicht wirklich heiter weiter. Kevin Kühnert hat das Geburtstagsessen mit seinen Großeltern abgesagt, "weil sie logischerweise zur Risikogruppe gehören" und er sie nicht anstecken wolle. Er verhält sich gewissenhaft. Im Gegensatz zu vielen, die er im Laufe der letzten Tage gesehen hat.
Das Problem sei, dass viele Menschen nicht auf die Experten hörten und den Ernst der Lage verdrängten. "Wir haben derzeit 83 Millionen Virologen zu Hause", witzelt Kühnert. Jeder Bundesbürger sei sein eigener Experte. Die Haltung der Bürger schwankt zwischen Sorglosigkeit – wenn sie ihr Leben weiterleben, wie bisher. Oder blanker Panik – wenn sie Desinfektionsmittel klauen.
Jochen A. Werner berichtet aus seiner Uniklinik in Essen. Leute hätten sich in der öffentlich zugänglichen Eingangshalle Mittel abgefüllt. "Es sind Desinfektionsspender abgebaut und abgebrochen worden."
In Werners Klinik starb die erste deutsche Patientin an Corona. "Das hat uns nochmal sehr geerdet", erzählt der Arzt betroffen. Einen Appell hat er an die Zuschauer. Ganz praktisch könne jeder auch etwas für andere tun: Blutspenden etwa. Die Spendenbereitschaft sei enorm zurückgegangen, vielleicht aus Angst.
Der Psychiater Manfred Lütz ist eingeladen, um über die menschliche Komponente der Corona-Krise zu sprechen.
"Und ich habe den Eindruck, dass unsere Politiker das gar nicht schlecht machen." Schwierigkeiten erwartet er nicht nur im Moment, sondern auch irgendwann bei der Rückkehr in die bislang gewohnte Normalität. Und dann brauche es mutige und verantwortungsbewusste Politiker, die sich vielleicht dann auch eines Tages gegen den wissenschaftlich idealen Expertenrat für eine Aufhebung der Maßnahmen entscheiden müssten.
"Schulen schließen ist einfacher, als sie wieder aufzumachen", sagt Lütz. Denn im Moment reden alle noch über den 20. April, bis zu dem die Maßnahmen erstmal dauern.