Na, wer fühlt sich von dieser Frage angesprochen? "Du willst mehr Pocher?" Falls das Bedürfnis besteht, stellt der Werbe-Text auf der Pocher.Club-Webseite unmittelbar Linderung in Aussicht: "Hier bekommst du ALLES – exklusiv, direkt und unzensiert!"
"ALLES" aus der berüchtigten Pocher-Schmiede gibt es in der am 18. Februar gestarteten Pocher.Club-App. Mit der Streaming-Plattform will sich der Comedian von deutschen TV-Sendern "unabhängiger" machen, sagte er in einem "DWDL"-Interview. "Ich will nicht mehr warten, bis irgendeiner sagt, ob man nicht vielleicht bei diesem oder jenem Projekt dabei sein will."
Der Pocher.Club ist eine App, die ein bisschen nach dem Onlyfans-Modell funktioniert. Für einen monatlichen Betrag zwischen 3,99 Euro und 6,99 Euro erhalten Fans Zugang zu exklusiven Inhalten: neue Folgen "Rent a Pocher“, "Pocher auf Reisen" und Livestreams. Mehr Pocher, aber sonst nichts. Die Kundschaft soll sich vor allem aus der enormen Social-Media-Reichweite des 47-Jährigen speisen.
Ist das wirklich erfolgversprechend? Und warum fühlt sich Oliver Pocher scheinbar zu diesem Schritt gezwungen? Dazu hat watson den Medienexperten Ferris Bühler befragt.
Oliver Pocher sieht sich auch als Opfer einer Entwicklung. Das Fernsehen, sein Heimat-Medium, habe "die Relevanz und Rolle verloren, die es einmal hatte", diagnostiziert er im Interview mit "DWDL".
Schwingt da nicht auch eine leichte Kränkung mit, weil das Fernsehen den Comedian ein Stück weit hat fallen lassen? Ferris Bühler gibt Oliver Pocher nur teilweise Recht.
"Fakt ist, dass sich die Medienlandschaft stark verändert hat: Streaming-Dienste, Social Media und On-Demand-Plattformen haben klassische TV-Sender als alleinige Meinungsführer abgelöst. Trotzdem spielen Fernsehen und große Shows weiterhin eine Rolle – nur eben anders als früher. Pochers Aussage hat also durchaus einen wahren Kern, aber ich höre bei ihm auch eine persönliche Enttäuschung heraus, weil er nicht mehr die gleiche Präsenz im TV hat wie noch vor einigen Jahren."
Der Schritt heraus aus den traditionellen Medien hat vielen Stars geholfen, die mit schwindender Auftragslage kämpfen. Als Adam Sandler etwa keine Kinorollen mehr erhielt, unterschrieb er einen exklusiven Netflix-Vertrag. Auch der verschriene Trash-Regisseur Uwe Boll startete einst einen eigenen Streaming-Dienst ("Bollflix").
Oliver Pochers Weg bewertet Bühler als "spannend, aber auch äußerst riskant". Die Idee, sich von klassischen Medienhäusern und Algorithmen sozialer Netzwerke unabhängiger zu machen, könne er nachvollziehen – "vor allem bei jemandem, der in den letzten Jahren mit TV-Formaten immer weniger Erfolg hatte". Ja, Oliver Pochers TV-Präsenz hat zuletzt spürbar abgenommen. Seine Bühnen-Shows scheinen aber weiterhin viele Fans anzuziehen.
Die Frage ist nun, ob sich dieses treue Publikum (mehr oder weniger) eins zu eins in eine größtenteils kostenpflichtige App locken lässt: "Ob die App tatsächlich langfristig eine stabile Community aufbauen kann, hängt stark davon ab, ob Pocher es schafft, ein einzigartiges und exklusives Angebot zu liefern, das seine Fans regelmäßig dazu bringt, für Inhalte zu zahlen."
Mit diesen Gesetzmäßigkeiten kämpfen auch große Streaming-Dienste wie Netflix. Wenn nichts Neues kommt, wird das Abo abbestellt.
Apropos Netflix. Natürlich betritt Oliver Pocher einen ohnehin umkämpften Markt. Wie will er sich da durchsetzen? Ferris Bühler meint: "Das wird unglaublich schwer. Der Erfolg hängt davon ab, ob Pocher über eine ausreichend große und zahlungsbereite Fanbase verfügt."
Eine Community, die zudem bereit sein müsse, einen Preis zu bezahlen, der nur leicht unter der Schwelle liegt, die Streaming-Plattformen wie Apple TV+ oder Disney+ verlangen.
Der direkte Draht zu den Fans sei zwar ein Vorteil. Aber da es auf der App lediglich "Only-Pocher"-Content gebe, sei die Reichweite begrenzt. Der Comedian kettet sich an die vermeintlich bedingungslose Treue seiner Fans. Ein gefährlicher Pakt, findet auch Bühler:
Was den langfristigen Erfolg angeht, ist der Experte ohnehin skeptisch. Das hat auch mit der Star-Persona "Pocher" und der von ihm selber etablierten Dynamik um ihn herum zu tun: "Pocher lebt stark von der medialen Reichweite und öffentlichen Diskussion – wenn die Aufmerksamkeit nachlässt, könnte es schwierig werden, dauerhaft genug Abonnenten zu halten."
Oliver Pocher provoziert, das ist sein Karriere-Benzin. Tut er das innerhalb der Grenzen seiner App, dann bekommen das eben nur jene Personen mit, die ihm ohnehin folgen – und ihn feiern. Es dürfte leiser werden um den Krawall-Star.
Der Experte sieht nun zwei mögliche Ausgänge für die App-Strategie: "Entweder Pocher erschafft ein echtes Kultprodukt für seine Hardcore-Fans – oder die App landet schneller in der Versenkung als seine letzte TV-Show."
An die Pocher-App kommt man gerade übrigens gar nicht so leicht heran. Über den Google Play Store etwa ist sie nicht auffindbar. Auf der Pocher-Club-Webseite selbst wird einem empfohlen, sich zunächst zu registrieren, um dann, irgendwann, exklusiven Zugang zu der App zu erhalten.
Selbst, wenn man also "MEHR" und "ALLES" von Pocher haben will, muss man dafür einen weiten Weg gehen.