Diskussionen um Juroren haben bei "Deutschland sucht den Superstar" fast schon Tradition. Mit Xavier Naidoo und Michael Wendler glitten zwei ehemalige Jury-Mitglieder in den Verschwörungssumpf ab. Auch Dieter Bohlen selbst ist mit seinen abwertenden Kommentaren Kult- und Hassfigur zugleich.
Nun also Pietro Lombardi. Der einstige Sieger der Casting-Show avancierte neben seinem Bro Dieter Bohlen zuletzt zum zweiten Dauer-Juror.
Mitten in der Ausstrahlung der aktuellen Staffel stand dann der Vorwurf häuslicher Gewalt gegen Lombardi im Raum. Es gab einen Polizeieinsatz in dessen Haus. Lombardi gab später in einem Interview an, er wolle versuchen, "meine Emotionen besser im Griff zu halten", womit er einen Ausbruch, welcher Art auch immer, bestätigte.
Ein gerichtliches Verfahren gegen den Sänger ist möglich, obschon die vermeintlich Betroffene Laura Maria Rypa nicht gegen ihren Partner aussagen will.
"DSDS"-Sender RTL scheute sich lange vor einer Reaktion. Kein Wunder, die Situation ist vertrackt. Am Freitag berichtete dann die "Bild" über eine angebliche RTL-Entscheidung: Lombardi ist raus, Rapper Bushido soll kommen, wahrscheinlich erst zur nächsten Staffel. Offiziell bestätigt ist all das noch nicht.
Medienexperte Ferris Bühler hat sich für watson dennoch mit dem komplexen Fall auseinandergesetzt. Er meint: "Selbst ohne konkrete Beweise sind solche Vorwürfe für ein Unternehmen wie RTL schwierig zu ignorieren, da die öffentliche Meinung in solchen Fällen oft schon vorverurteilt."
Für RTL als "familienorientierte Sendeanstalt" sei bei einem Verdacht häuslicher Gewalt eine Positionierung deshalb entscheidend.
Bühler verweist auf "Grundwerte", die eben auch ein TV-Sender vertritt. Verstößt ein öffentlicher Partner gegen diese Werte, "riskiert der Sender den Verlust von Zuschauern und Werbepartnern" wenn er an ihm festhält.
Denn: "Gerade bei einer Casting-Show, die den Publikumsliebling und Vorbildcharakter sucht, ist die Glaubwürdigkeit der Jury entscheidend."
Die Installation von Bushido auf dem Lombardi-Platz ist ebenfalls noch nicht offiziell. Für Bühler wäre Bushidos Engagement jedoch ein "zweischneidiges Schwert". Das liegt an der öffentlichen Wandlung des Rappers: Erst dieses Jahr endet dessen Prozess gegen den Clan-Boss Arafat Abou-Chaker, mit dem Bushido einst eine Freundschaft verband.
Unter anderem in seiner RTL-Doku-Soap "Bushido und Anna-Maria - Alles auf Familie" schraubt der Rapper an seinem Image als Familienmensch. Deshalb könnte "für ihn und RTL das Timing passen, denn das weichere Image, das er gerade kultiviert, entspricht durchaus den aktuellen Anforderungen. Er könnte eine frische, spannende Perspektive bieten, die die Show belebt."
Aber andererseits, so Bühler ...
Bühler fürchtet, "das Publikum könnte dies als einen Versuch sehen, nur 'Skandal mit Skandal' zu ersetzen. Entscheidend ist hier, ob RTL in der Kommunikation Bushidos Geschichte als Teil einer Neuanfangs-Story, klug in Szene setzen kann." Klappt das, könnte RTL sich "ein neues Publikum erschließen".
Auch hier aber geht RTL Bühler zufolge das Risiko ein, die "Glaubwürdigkeit" der Show anzugreifen. "Denn Bushido bleibt eben für viele Menschen in der Öffentlichkeit nicht nur der rehabilitierte Familienmensch, sondern auch ein Künstler, der für umstrittene Aussagen und Verbindungen stand."
Und dann muss man sich die Frage stellen: Warum nicht Pietro Lombardi einfach behalten?
Pietro Lombardi selbst betrachtet seinen möglichen "DSDS"-Abgang fatalistisch: "Ich habe gesagt: Wenn jetzt wirklich alle glauben, ich bin der größte Frauenschläger und RTL wirft mich raus, dann gehe ich halt arbeiten. Dann ist meine Karriere eben jetzt vorbei."
Auf eine vermeintliche "Cancel-Culture" spielt Lombardi hier wohl gar nicht an. Bühler: "Pietro Lombardis Kommentar zeigt für mich, wie sehr er diesen Job als Stütze seiner öffentlichen Person betrachtet." Zur Erinnerung: Lombardi wurde als Teilnehmer und Sieger von "DSDS" bekannt, er hatte ein paar musikalische Hits, sein Weg führte ihn letztlich aber wieder zurück zu seinen "DSDS"-Wurzeln und der anderen Seite des Jury-Pults.
Mit der Befürchtung, abseits von "DSDS" keine Optionen im Show-Geschäft zu haben, liegt Lombardi vielleicht gar nicht so falsch. Abseits davon sei laut Bühler aber "eine Erholung von so einem Skandal in der Unterhaltungsbranche möglich". Natürlich entscheidet sich auch vieles an der Frage, "ob die Vorwürfe weiter im Raum stehen bleiben", erklärt Bühler.
Lombardi müsse sich für einen Neuanfang dennoch "authentisch und einsichtig" zeigen, womit er teilweise schon anfing. Das wäre aber nur der erste Schritt, so Bühler: "Meiner Meinung nach müsste er eine Zeit lang in den Hintergrund treten, bevor er mit glaubwürdigem Rebranding zurückkommen kann."