Den Oscars 2025 könnte ein handfester Eklat bevorstehen. Die größte Filmpreis-Verleihung der Welt findet in der Nacht von Sonntag auf Montag (deutsche Zeit) statt. Das Rennen um die wichtigste Kategorie, Bester Film, ist offen wie selten.
Ursprünglich galt das Gangster-Musical "Emilia Pérez" als Favorit, insgesamt 13 Nominierungen heimste die französische Produktion ein, die von Netflix vertrieben wurde. Und das trotz, milde ausgedrückt, verhaltener Kritiken und Publikumsreaktionen.
Der ohnehin wacklige Stand von "Emilia Pérez" wurde abermals erschüttert. Anfang Februar tauchten alte, rassistische, von Karla Sofía Gascón verfasste Tweets auf. Karla Sofía Gascón spielt die Haupt- und Titelrolle in "Emilia Pérez". Sie verkörpert eine Kartell-Chefin, die sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzieht, das Gangster-Leben aufgibt und sich fortan Emilia Pérez nennt.
Karla Sofía Gascón schwang sich damit zur ersten für einen Oscar nominierten trans Schauspielerin auf.
Nach Auftauchen der rassistischen Tweets hatte sie sich entschuldigt und aus der Oscar-Kampagne zurückgezogen. Auch Netflix distanzierte sich von Karla Sofía Gascón. Man konzentrierte sich auf die ebenfalls für ihre Nebenrolle nominierte Zoe Saldaña.
Nun die Wende. Karla Sofía Gascón will doch an der Oscar-Verleihung teilnehmen. Gegenüber dem "Hollywood Reporter" sagt sie: "Ich bin mir nicht sicher, wie ich mich fühle, aber ich bin dankbar, zurück zu sein. Ich bin all jenen dankbar, die an mich geglaubt haben. Netflix, der Produktionsfirma und meinen Kollegen. Wir können diesen schönen und schwierigen Weg, der vor drei Jahren begann, abschließen."
Die Rückkehr in die Oscar-Kampagne geschieht demnach im Einvernehmen mit Netflix, das in seiner Kommunikationsstrategie ebenfalls eine Kehrtwende wagen würde. Der Streamingdienst, so berichtet der "Hollywood Reporter" werde die Reisekosten für die Schauspielerin tragen – ein übliches Vorgehen.
Zurück zur Normalität also. Mit dieser Entwicklung hatte, nach allem, was passiert ist, kaum jemand gerechnet.
In der Geschichte des Preises erreichten nur zwei Filme mehr Oscar-Nominierungen als "Emilia Pérez": "Titanic" und "All about Eve". Viele Nominierungen sind noch lange keine Garantie für den Gewinn des Hauptpreises. Aber nie zuvor war Netflix näher an einem Triumph in der Kategorie Bester Film, ein großes Ziel des Streamingdienstes.
Mit der Distanzierung von Karla Sofía Gascón wollte Netflix die Oscar-Chancen des Films wahren. Regisseur Jacques Audiard wollte nichts mehr mit der Darstellerin zu tun haben. Die Schauspielerin verschwand aus der Kampagne.
Man grenzte sich an allen Fronten ab. Netflix' Chief Content Officer Bela Bajaria hatte vielsagend erklärt:
Mit Statements wie diesem etablierte Netflix ein neues Narrativ: Karla Sofía Gascón steht nicht für "Emilia Pérez". "Emilia Pérez", Netflix, Zoe Saldaña und Jacques Audiard sind Opfer der Verfehlungen von Karla Sofía Gascón.
Ein offizielles Netflix-Statement zur Teilnahme von Karla Sofía Gascón an der Oscar-Verleihung gibt es noch nicht. Sollte es tatsächlich so kommen, wäre es die nächste überraschende Kehrtwende in dem an Wenden ohnehin reichen Fall "Emilia Pérez".
Auswirkungen auf die Preisvergabe hätte Karla Sofía Gascón Ankündigung aber nicht mehr. Sämtliche Stimmen der Academy wurden bereits abgegeben. Dennoch könnte ihr Auftritt für heftige Reaktionen bei der Gala sorgen, Buh-Rufe aus den Publikumsreihen sind nicht ausgeschlossen. Auch bissige Kommentare des Moderators Conan O’Brien wären ihr sicher. Stellt sich also die Frage: Warum das alles?
