Alexander Ridha alias Boys Noize hat mit Größen wie Lady Gaga, Frank Ocean und A$AP Rocky gearbeitet – und dabei nie seine deutschen Wurzeln vergessen.
Beim Telekom-Festival Electronic Beats hat watson mit ihm über durchfeierte Nächte mit A$AP Rocky gesprochen, kreative Höhen und Tiefen und ein neues Kapitel, das er gerade aufschlägt.
watson: A$AP Rocky, Frank Ocean, Lady Gaga und die Liste geht noch weiter. Du hast einige Kollaborationen gemacht, was ist dir dabei besonders in Erinnerung geblieben?
Boys Noize: Einmal war Frank Ocean in Berlin, genau zu der Zeit, als ich gerade mit (A$AP) Rocky an "Babushka Boi" gearbeitet habe. Rocky war damals öfter in der Stadt, wir hingen ständig zusammen ab. Virgil (Abloh), (A$AP) Rocky und ich waren also in meinem Studio. Ich sollte an dem Abend im Berghain spielen und meinte zu allen: "Ihr müsst unbedingt kommen – das ist ein Life-Changer! Ihr müsst das erlebt haben." Rocky hatte auf jeden Fall Bock und zu der Zeit war auch noch Ye (Kanye West) mit dabei. Ich kann jetzt keine Details geben, aber sie haben es leider nicht reingeschafft ...
Typisch Berghain – wie ging es weiter?
Ein paar Monate später kam er wieder nicht rein. Noch ein paar Monate später sagte er: "Ich kann Berlin nicht verlassen, ohne endlich im Berghain gewesen zu sein." Wir haben dann abgemacht, dass wir an einem Sonntag hingehen. Die Jungs haben sich dann aufgeteilt, kamen alle rein und wir haben endlich im Berghain gefeiert. Auch Frank (Ocean) war an dem Abend dabei.
Finally! Wie war es mit ihm zu feiern?
Er ist ziemlich shy, ich hab ihn zuerst gar nicht richtig wahrgenommen. Ganz anders war es, als wir nach dem Feiern noch ins Studio sind, wo wir den Track "DHL" aufgenommen haben. Wir haben durchgemacht bis in die Morgenstunden: bis ich einen Loop fertig hatte und er den Song geschrieben hatte. Einen Monat später hat er ihn dann genau so veröffentlicht, wie wir ihn da gemacht haben.
Was ist dir wichtig bei deinen Kollaborationen mit anderen Künstler:innen?
Bei all meinen Collaborations war es bisher so, dass sie aus persönlichen Begegnungen entstanden sind. Die Zusammenarbeit war dann immer geprägt von zwischenmenschlichem Austausch, das ist mir wichtig. Ich arbeite zum Beispiel kaum mit Leuten, mit denen ich nicht im selben Raum bin. Und ich schreibe auch keine Songs für Menschen, die ich noch nie persönlich getroffen habe – auch wenn viele so Songwriting machen. Ich bin immer gerne mit Leuten in meinem Studio und kreiere etwas mit ihnen in dem Moment.
Wie hat sich dein kreativer Prozess über die Zeit verändert?
Mein Ding war schon immer: Warum soll ich etwas produzieren, was die anderen eh schon machen? Was kann ich anders machen und wie kann ich anders klingen?
Techno-Kultur erlebt ja auch international und auf Tiktok einen Hype. Viele erzählen von einer Verweichlichung der eigentlichen Subkultur. Wie siehst du das?
Für mich war Techno schon immer so: in den 90ern, mit Mayday und der Loveparade. Der Eurodance Pop war damals hoch in den Charts! Das hat eigentlich nicht aufgehört. Als ich angefangen habe aufzulegen, war es eher strikt, man durfte nur Techno oder House auflegen. Ich habe mich viele Jahre als Außenseiter gefühlt, weil ich immer gedacht hab, dass es cool ist Styles wie Acid, Breaks, Punk, Techno und Elektro zu mischen. Warum muss ich mich als DJ auf einen Style einstellen? Ich musste da früher viel kämpfen.
Ich weiß noch, meine erste Review für mein erstes Album "Oi oi oi" im Groove Magazin war: "This is trash, we don’t need it". Ich bin glücklich damit, dass alles offener ist und alles erlaubt ist momentan. Von daher sehe ich das so: Jede Bewegung hat auch immer eine Gegenbewegung – und wir brauchen als Kunst auch den Kommerz.
Was würdest du sagen, war ein Highlight für dich persönlich in deiner Karriere?
Ich hatte früher zwei Jobs gleichzeitig, um mir meine ersten Turntables zu kaufen – und hab im Monat etwa 1000 Euro allein für Platten ausgegeben. Das erste Highlight war, als ich gemerkt habe, dass ich mit dem Auflegen so viel Geld verdiene, dass ich das, was ich für meine Platten jeden Monat ausgegeben habe, wieder einspielen konnte. Das war irgendwie auch ein krass symbolischer Moment.
Magst du teilen, was das für Jobs waren?
Ich hab alles gemacht. Ich hab viele Jahre als Cleaning Boy Treppenhäuser geputzt oder auch Neubauten, bevor die Leute eingezogen sind. Ich hab Zeitungen ausgetragen oder Apothekendienst gemacht. Ich hab wirklich alles gemacht, um mir Platten kaufen zu können. Sechs oder sieben Jahre hab ich auch in 'nem Plattenladen gearbeitet.
Was willst du gerade den neuen und jungen Artists mitgeben, die noch in prekären Jobs festhängen wie du damals?
Ich glaube, das Wichtigste für mich war, am Anfang eine Community zu schaffen. In einer Gruppe hat man mehr Reichweite, mehr Austausch – und ist einfach stärker. Früher haben wir uns immer gewünscht, dass theoretisch jeder von zu Hause aus Musik machen und veröffentlichen kann. Aber genau das macht es auch schwierig, als einzelner Artist herauszustechen. Man muss es schon wirklich wollen. Das Ding ist nämlich: Mit Musik verdienst du kein Geld. Das kommt erst mit den Shows. Also muss man erstmal hart arbeiten, am besten geht das in einer Community.
Und was steht bei dir noch an?
Ich setze mir neue Projekte und Ziele in den Kopf. Im Moment hab ich neue Ideen für ein neues Album. Ich lieb den Prozess, ein Album zu schaffen, aber der Prozess, das Album zu releasen ist gemessen daran, wie lange man daran gearbeitet hat, der Horror. Deswegen war ich nach meinem letzten Album demotiviert. Aber jetzt seh ich eine Lücke in der Clubkultur, etwas, was es im Moment so noch nicht gibt und eventuell kann ich die Lücke füllen. Es kommen jetzt über den Sommer aber erstmal einige Singles und ein paar crazy Sachen, wie die Tour mit Nine Inch Nails.