Kim Hnizdo gewann 2016 Heidi Klums Castingshow "Germany's next Topmodel". Seitdem ist viel passiert, beruflich ist Kim seit mehr als fünf Jahren als Model beschäftigt. 2021 ging die 25-Jährige mit einem traurigen Geständnis an die Öffentlichkeit – sie erholt sich von einem Nervenzusammenbruch, den sie auch dank ihres familiären Rückhalts bewältigen konnte.
Mittlerweile startet sie wieder voll durch, auch zusammen mit ihrer älteren Schwester Nina, die sogar schon ein wenig länger im Business aktiv ist. Am 12. September feierten sie ihr gemeinsames Laufsteg-Debüt im Rahmen der Berlin Fashion Week. Dort präsentierten sie erstmals gemeinsam eine nachhaltige Lingerie- und Nachtwäsche-Kollektion für Lascana.
Im watson-Interview sprechen Kim und Nina nun darüber, wieso sie erst jetzt gemeinsam über den Catwalk gelaufen sind, warum Nina nicht den gleichen Weg in den Beruf gewählt hat wie ihre Schwester. Sie erklären, dass es bei der Fashion Week schon lange nicht mehr nur um Mode geht und verraten, wie die Model-Industrie Themen wie Selbstliebe und Selbstbewusstsein bei ihnen beeinflusst.
Watson: Erstmal Glückwunsch zum gemeinsamen Laufsteg-Job bei Lascana! Dabei seid ihr beide ja nicht unbedingt neu im Model-Business. Wieso kommt es erst jetzt zum gemeinsamen Auftritt?
Nina Hnizdo: Gute Frage!
Kim Hnizdo: Das haben wir uns auch gefragt. Eigentlich gibt es da keine Erklärung. Wir haben vorher eher kommerzielle Sachen zusammen gemacht, aber irgendwie noch nie einen Laufsteg-Job. Wir wollten immer, dass es etwas Besonderes ist und jetzt ist es was Besonderes, mit einer ganz besonderen Geschichte bei Lascana dahinter und das ist natürlich umso schöner für uns.
Vielleicht noch eine etwas seltsame Frage am Anfang: Ich habe überall gelesen, dass Nina älter ist als Kim. Stimmt das so?
Nina Hnizdo: Es stimmt tatsächlich, ich bin älter.
Kim: Manchmal sind wir uns auch nicht so ganz sicher, sie hat die glattere Haut und das jüngere Gesicht. Keine Ahnung, ich habe die größere Klappe. Aber es stimmt definitiv, Mama kann es bezeugen. (lacht)
Kim, bei dir ist hinreichend bekannt, wie du ins Model-Business gekommen bist, dazu später noch etwas mehr. Wie bist du Model geworden, Nina?
Nina: Es war damals so, dass mich eine Fotografin angesprochen hat und meinte, ob wir Bilder machen wollen. Und aus meinem privaten Umfeld und mit ihr zusammen habe ich dann verschiedene Agenturen angeschrieben und so ging das dann los bei mir. Ich musste ein bisschen gezwungen werden, am Anfang.
Kim: Aber es hat sich gelohnt.
Wieso gezwungen? War es dir am Anfang nicht so recht, mit deinem Aussehen in der Öffentlichkeit zu stehen?
Nina: Ich glaube, ich habe das gar nicht so als Möglichkeit gesehen und habe mir das vielleicht nicht so zugetraut. Man denkt immer, man ist mit 17, 18 Jahren schon relativ reif, aber so im Nachhinein ist man es dann doch nicht. Ich war einfach noch nicht so richtig bereit.
Bist du eigentlich schon länger im Model-Business dabei als Kim?
Nina: Ich glaube tatsächlich einen Tick länger, ein halbes Jahr oder so. Ich habe vor inzwischen acht Jahren angefangen.
Was bedeutet es jetzt an den jeweiligen Punkten in eurer Karriere, dass ihr als Schwestern endlich zusammenarbeiten könnt? Was bedeutet euch Familienzusammenhalt allgemein in der Modewelt?
Kim: Familienzusammenhalt in der Modewelt und außerhalb der Modewelt bedeutet für mich alles. Ich liebe meinen Job, ich mache ihn unfassbar gerne, aber man ist auch sehr viel allein. Und ich freue mich, wenn ich eben mal nicht allein bin und dann auch noch mit meinem absoluten Lieblingsmenschen. Das ist nochmal das i-Tüpfelchen.
Nina: Es ist auch schön, innerhalb der Branche jemanden zu haben, mit dem man so eng ist und der einen supportet.
Du hast es gerade angesprochen, man ist als Model auch viel allein. Wie intensiv steht ihr in eurem normalen Arbeitsalltag in Kontakt, wenn ihr unterschiedliche Jobs habt?
Nina: Sehr oft. Wir haben auf jeden Fall jeden Tag Kontakt. Gerade auf unterschiedlichen Jobs tauschen wir uns aus.
Kim: Never without each other! Das klingt total cheesy, aber es ist tatsächlich die Wahrheit.
Ihr präsentiert bei der "ABOUT YOU"-Fashion-Week nachhaltige Lingerie, Nachtwäsche und Fashion-Styles für Lascana. Wie sehr achtet ihr privat darauf, dass eure Kleidung nachhaltig ist?
Nina: Ich lege auf jeden Fall sehr viel Wert darauf und versuche weitestgehend Second Hand oder nachhaltige Mode zu kaufen. Das spielt bei mir eine ziemlich große Rolle bei meinen modischen Entscheidungen.
Kim: Ich habe schon immer eine große Verbundenheit zur Natur gehabt, aber ich muss echt sagen, mit diesen Dingen hat Nina angefangen. Sie war zuerst Vegetarierin, Jahre vor mir. Und Nina hat immer schon Second Hand gekauft. Das kam bei mir erst in den letzten Jahren – und das war bei dir ja eigentlich schon immer so. Ich achte sehr viel auf Nachhaltigkeit, entweder auch durch Second Hand oder jetzt in Form meiner Partner, mit denen ich zusammenarbeite. Bei Unterwäsche kann man nicht gebraucht kaufen, deshalb finde ich es super, dass sie so nachhaltig wie möglich produziert wird. Da habe ich viel von dir gelernt, Nina. Jetzt haben wir das große Glück, dass wir uns aussuchen oder darauf achten können, mit wem wir zusammenarbeiten.
Würdet ihr für Fast-Fashion-Labels dann nicht unbedingt mehr laufen?
Kim: Ich finde, da muss man bei jedem Fall spezifisch gucken. Es gibt für mich so nach und nach Sachen, die auslaufen. Ich würde zum Beispiel niemals für Pelze laufen. Man versucht so viel wie möglich darauf zu achten, aber natürlich macht man auch nicht immer alles 100-prozentig richtig. Aber wo es sich vermeiden lässt, versuchen wir es auch zu tun.
Kim, es ist lange nicht die erste Fashion Week, bei der du aktiv dabei bist. Wie hat sich das ganze Event über die Jahre verändert?
Kim: Die Fashion Week in Berlin verändert sich gefühlt jedes Jahr. Ich finde, sie haben mit ABOUT YOU einen ganz tollen Partner gefunden, ich bin sehr froh, dass es ABOUT YOU gibt, die das auffangen. Ich bin aber auch froh, dass ein Teil der Fashion Week nach Frankfurt abgewandert ist, wo ich herkomme. Aber es würde was fehlen, wenn es keine Fashion Week mehr in Berlin gäbe.
Zusätzlich zur Fashion Week gibt es ja auch noch lokale Shows.
Klar gibt es auch noch die Berliner Local-Shows, aber es muss einen starken Partner geben. Gerade mit einem starken Partner kannst du dann auch auf so starke Themen hinweisen, wie eben Nachhaltigkeit oder Feminismus. Ich hatte echt ein bisschen Angst, dass die Berliner Fashion Week bald Geschichte ist, aber ich finde es gut, wie es jetzt gekommen ist.
Würdest du auch sagen, es geht mittlerweile eher um weiterführende Themen und nicht mehr nur um Fashion?
Kim: Ja, absolut. Früher ging es wirklich nur um Mode und klar, ein Model, das präsentieren konnte, war toll, aber mittlerweile geht es um die Geschichten der Menschen, die die Geschichten der Mode präsentieren. Jetzt gibt es starke, ethische Faktoren, die mit reinkommen und das ist für mich persönlich ein absoluter Traum. Ich freue mich, dass es endlich so gekommen ist, aber das war auch ein langwieriger Prozess. Der Prozess kommt und ist im Gange und ich freue mich, ein Teil davon zu sein.
Nina, bist du schon mal für eine Fashion Week gelaufen?
Nina: Nee, noch nicht. Ich war auf der Berlin Fashion Week schon präsent, aber es ist die erste Show.
Kim: Ja? Cool! Dann machen wir dein Debüt zusammen, noch besser!
Wie nimmst du das Umfeld bei deiner Premiere wahr?
Nina: Ich kann mich Kim nur anschließen.
Wie hat das Model-Dasein Themen in eurem Leben wie Selbstliebe und Selbstbewusstsein verändert über die Jahre?
Kim: Durch "GNTM" bekommst du natürlich nochmal einen anderen Selbstliebe-Push, aber genau so viel wird dir auch geklaut. Ich habe das Gefühl, das Model-Business hat dir früher mehr Selbstwert und Selbstliebe genommen und mittlerweile gibt es mir sehr viel, weil du wirklich als Mensch angenommen wirst und nicht mehr nur irgendwo reinpassen musst, du wirst zelebriert anstatt klein gehalten. Das ist so eine schöne Entwicklung und das macht total viel mit deiner mentalen Gesundheit, deiner Selbstliebe.
Das geschah wahrscheinlich auch über einen längeren Zeitraum.
Das war ein Prozess über die letzten Jahre und jetzt springen immer mehr auf diesen Zug auf. Das ist die schönste Entwicklung in der Modebranche, die es hätte geben können.
Nina: Da bin ich bei dir, ich bin auch sehr froh über die Entwicklungen.
Kim: Ich kann es vielleicht nicht so gut beantworten, wie Models, die seit 20 Jahren in der Branche sind, aber ich habe schon das Gefühl, dass das früher nicht, oder nur bei ausgewählten Models so war.
Kim, die vergangenen Monate waren nicht leicht für dich, auch mental. Wie hast du dir deine Stärke bewahrt?
Kim: An meiner Stärke wurde oft gerüttelt, von außen und von innen. Aber ich habe insbesondere persönliche Stärke durch Sicherheit und Austausch, vor allem mit meiner Schwester, bekommen. Aber auch mit meiner Agentur, mit Menschen, mit denen ich zusammenarbeite – und eben auch durch die Veränderungen im Job. Früher war es wirklich anders als heute. Durch Corona haben viele auch gemerkt, dass man nicht immer stark sein muss und irgendwie ist da ein Gefühl des Zusammenhaltens entstanden und das gibt mir ganz viel Stärke.
Nimmst du dich auch als Stärkere wahr, Nina?
Nina: Ich glaube, wir gleichen uns eher aus. Es gibt bei uns keine Stärkere oder Schwächere, das ist eher gegenseitiger Support.
Dein Sieg bei "GNTM" ist mittlerweile fünf Jahre her, Kim. Gibt es etwas aus der Show, das du bis heute für deine Karriere mitgenommen hast?
Kim: Ich habe vorher Jura studiert und jetzt arbeite ich seit über fünf Jahren als Model. Ich glaube, die ganze Richtung, in die sich mein Beruf gewandelt hat, gäbe es ohne Topmodel gar nicht. Topmodel hat auch einen großen Teil meiner Persönlichkeitsentwicklung beeinflusst – von daher nehme ich ganz viel aus der Zeit mit. Ein paar Girls aus der Staffel gehören auch immer noch zu meinen engsten Freundinnen.
In diesem Jahr hat das erste Mal mit Alex ein Transgender-Model gewonnen. Das Thema war in deiner Staffel noch nicht so sehr im Fokus. Wie würdest du die Entwicklung der Show bewerten?
Kim: Die Show spiegelt die Gesellschaft wider, was auch in der Modebranche zu sehen ist, dass das Thema Diversity gesellschaftlich etabliert wird. Und das war auch höchste Eisenbahn, dass das passiert, jetzt wird es endlich auch ausgelebt.
Nina: Und öffentlich präsentiert und vielleicht auch vorgelebt.
Kim: In unserem Job ist es ganz normal, dass alle möglichen Menschen, mit allen möglichen Vorlieben aus allen Ecken der Gesellschaft zusammenarbeiten. Ich merke aber, dass es für manche Menschen eben nicht so normal ist. Da ist es gut, dass ein Format, das so viele Leute sehen, diese Menschen nochmal damit konfrontiert. Ich denke immer, es ist alles selbstverständlich, die Menschen sind so aufgeklärt, aber dann merke ich auch immer wieder, dass es eben noch nicht so ist. Da ist es gut, dass in einem so breitgefächerten Format eben aufgezeigt wird, hey, das ist normal, das ist die neue Welt, let's celebrate it.
Nina, hast du auch mal in Betracht gezogen, bei "GNTM" mitzumachen?
Nina: Die Anfrage wurde mal an mich herangetragen, aber ich kann mir das nicht so gut vorstellen.
Wieso nicht, was würde dich an so einem Format stören?
Nina: Ich weiß nicht, ob es mich unbedingt stören würde, aber ich kann es mir nicht so gut vorstellen, in dem Maße in der Öffentlichkeit zu stehen. Das möchte ich so auch gar nicht.
Kim, würdest du Nina zu "GNTM" raten oder abraten?
Kim: Also für mich war es ein guter Karrieresprung, aber es ist eine absolute Typ-Frage. Wenn du keine Lust hast, in der Öffentlichkeit zu stehen, und das wirst du und du musst ab und zu auch wirklich ordentlich was einstecken, dann ist es nichts für dich. Ich bin sehr offen, weil ich gelernt habe, meine Persönlichkeit nach außen zu tragen, denn das gehört dazu, wenn du in der Öffentlichkeit stehst. Aber das wollen eben nicht alle und das ist völlig fair. Wenn man es nicht im Blut hat, dass man alles mit allen teilen muss und dann auch noch angefochten wird dafür, dann würde ich sagen, sollte man den Job abseits der Reality-TV-Öffentlichkeit machen.
Das Modelleben geht heute ja auch sehr viel mit Social Media einher. Der Job ist nicht beendet, wenn ein Shooting vorbei oder ein Laufsteg abgelaufen ist. Wie geht ihr mit Hate und öffentlichem Druck im Netz um?
Kim: Bei mir ist es besser geworden, ich musste aber während der "GNTM"-Staffel sehr viel einstecken. Mittlerweile ist es aber glücklicherweise auch so, dass das verboten wird. Seit Leute fürs Haten belangt werden können, bekomme ich sehr wenig Hate, eigentlich gar keinen und ich habe für mich eine gute Distanz dazu gewonnen. Aber es gibt Hate im Netz, es ist ein Riesenthema und da hilft eigentlich nur Abstand halten, Menschen sperren, Menschen zur Rechenschaft ziehen. Hass hat im Internet nichts zu suchen. Es ist natürlich auch etwas anderes, wenn man mit 25 Jahren drübersteht, als mit 19, wenn die Persönlichkeit noch nicht so gefestigt ist.
Nina: Ich bin beim Thema Hate zum Glück etwas außen vor. Das passiert bei mir nicht so häufig, eigentlich gar nicht.
Wie sieht die ideale Zukunftsversion eurer Karrieren aus?
Kim: Ich bin so bei Gigi und Bella Hadid, man muss sich ja hohe Ziele setzen. Wenn es nicht so laufen sollte, bin ich aber auch zufrieden.
Nina: Das ist bei mir genauso, both is fine.