2020 gehörte Lucy Hellenbrecht zu den zahlreichen Mädchen, die ihr Glück bei "Germany's next Topmodel" versuchten. Das Besondere an ihr: Lucy ist ein Transgendermodel und geht mit ihrer Geschichte ganz offen um. Auch im TV nahm sie kein Blatt vor den Mund und begeisterte mit ihrer Art vor allem auch Heidi Klum. Letztendlich musste sie sich dennoch mit dem 16. Platz zufriedengeben.
Auch in der diesjährigen Staffel ist mit Alex wieder ein Transgendermodel dabei – und unglaublich erfolgreich. Sie schaffte es sogar ins Finale. Mit watson sprach Lucy über die Chancen der Finalistinnen im Modelbusiness, die Bemühungen von Heidi Klum zu mehr Diversität bei "GNTM" und wie glaubwürdig das überhaupt ist.
watson: Das Finale von "GNTM" war noch nie so divers wie in diesem Jahr. Neben einem Plus-Size-Model sind auch erstmals ein Transgendermodel sowie ein Petite-Model dabei. Wie findest du das?
Lucy Hellenbrecht: Ich finde es definitiv cool. Ich hatte, so wie wahrscheinlich jeder, am Anfang Bedenken, als ich hörte, die Staffel soll so divers werden und am Ende doch nur die "Standard-Models" übrigbleiben. Aber es ist ja nicht der Fall, von daher ist es wirklich sehr cool, dass Heidi Klum mit ihrer Ankündigung nicht zu viel versprochen hat.
Glaubst du, dass sich künftig mehr diversere Models bewerben werden?
Das ist ein schwieriges Thema. Ich glaube durchaus, dass sich kurvigere oder andere diversere Models bewerben, die dann in die Top 50 oder Top 25 mitgenommen werden. Nur Heidi muss es auch schaffen, die richtigen Personen auch weiter mitzunehmen.
Heidi hatte allerdings beklagt, dass sich für ihren Geschmack noch immer zu wenige diverse Models bewerben. Nun sehen sie aber ja, dass man es weit schaffen kann. Schafft das vielleicht doch einen zusätzlichen Anreiz?
Das auf jeden Fall. Ich glaube, da hat gerade Dascha auch Großes geleistet. Sie geht wirklich so offen mit ihrem Körper um und ist so im Reinen mit diesem. Ich glaube, das wird so viele Menschen da draußen ansprechen, da bin ich mir sicher.
Wie glaubwürdig findest du es, dass sich ausgerechnet eine Unterhaltungsshow wie "GNTM" so stark dem Thema Diversität widmet?
Ich kann aus meiner Erfahrung nur sagen, dass Heidi Klum selbst großes Interesse an Diversität hat. Sie steht voll hinter diesem Konzept – genau wie ProSieben. Bei den Kameraleuten und auch den Redakteuren vor Ort hat man sich nie komisch gefühlt, wenn man zu einer diverseren Gruppe gehört hat. Die Akzeptanz am Set ist wirklich riesengroß, sie stehen alle dahinter. Es ist halt eine Unterhaltungsshow und die Leute da draußen lieben es momentan, wenn diverse und verschiedene Charaktere gezeigt werden und nicht immer dasselbe. Es ist vielleicht in der realen Modelwelt nochmal was anderes, dass da so eine große Repräsentation ist, aber fürs Fernsehen ist das top.
Wem rechnest du die besten Chancen aus für den Sieg?
Ich habe keine Ahnung. Vom Bauchgefühl würde ich Soulin oder Alex sagen. An sich, wenn man auf die Leistung und die Anzahl der Jobs guckt, hat ja auch Soulin am besten abgeliefert.
Du sagtest gerade schon, in der realen Welt könnte das etwas anders aussehen. Welche Finalkandidatin hat deiner Meinung nach auch nach "GNTM" die größten Chancen im Modelbusiness?
Ich denke, für Soulin könnte es besonders gut laufen, weil sie einfach in das klassische Modelbild am besten reinpasst. Letztendlich denke ich aber, dass es alle vier schaffen werden. Gerade auf dem deutschen Markt werden sie keine Probleme haben. Wenn sie international etwas erreichen wollen, ist das vielleicht nochmal eine andere Sache. Natürlich bedient aber auch jede eine bestimmte Nische. Dascha ist halt das Curvy-Model, wenn das gefragt ist, hat sie natürlich beste Chancen. Für Romina gilt als Petite-Model das Gleiche.
In dieser Staffel sind zahlreiche Mädchen freiwillig ausgestiegen. Was glaubst du, warum es ausgerechnet dieses Jahr so viele Abgänge gab?
Ich glaube, das ist den Umständen geschuldet. Ich denke, viele Mädchen kamen nicht damit klar, dass 24 Stunden am Tag gefilmt wurde. Außerdem fällt es einem mit Sicherheit auch nochmal leichter – so blöd es auch klingt – zu sagen, man möchte gehen, wenn man in Berlin ist. Dann ist man eben in drei bis vier Stunden zu Hause. Wenn du in Los Angeles bist, musst du erst mal einen Rückflug buchen, der 14 Stunden dauert… Ich glaube, viele haben einfach eine andere Erwartung an die Sendung gehabt als es in der Realität am Ende eben war.
Wie fandest du die Corona-bedingte Staffel aus Deutschland?
Ich finde auf jeden Fall, dass sie es gut gelöst haben. Was willst du bei den Umständen auch anderes machen? Sie wollten die Staffel nicht ausfallen lassen und dafür, dass es unter diesen Umständen stattgefunden hat, haben sie etwas Gutes daraus gemacht. Sie haben ja auch namhafte, deutsche Gäste vor Ort gehabt. Bei uns waren damals ja ebenfalls Wolfgang Joop oder Christian Anwander dabei.
Das Finale muss wegen Corona erneut komplett ohne Publikum und nun sogar ohne die Top 20 stattfinden. Wie enttäuschend ist das für die Kandidatinnen?
Für die Top 20 ist das, glaube ich, wirklich sehr, sehr traurig. Vor allem, weil sie ja auch bereits in Quarantäne mussten, bevor es abgesagt wurde. Das heißt, sie haben sich bereits vorbereitet und sind angereist. Für die ist es auf jeden Fall super hart. Für die Top 4 hingegen wird sich wohl nichts ändern. Es ist halt ohne Publikum, sie werden in der Halle vor Heidi laufen. Aber immerhin: Sie haben Heidi Klum vor Ort, das war bei uns vergangenes Jahr nicht der Fall. Das gleicht es schon ein wenig aus (lacht).
Stimmt, Heidi vor Ort ist ein großer Pluspunkt. Hättest du selbst in solch einem schwierigen Jahr an der Show teilgenommen?
Mir hätte es aber auf jeden Fall nichts ausgemacht, in Berlin zu bleiben und auch das mit den Kameras hätte ich nicht so schlimm gefunden. Dennoch bin ich froh, dass ich in meiner Staffel war, denn die Mädchen sind ja mittlerweile alle meine Freundinnen. Ich hatte nun mal das Glück, dass ich noch alles erleben durfte im Ausland, aber das weiß man ja auch nicht vorher. Die Kandidatinnen dieses Jahr haben ja auch nicht vorher gewusst, dass sich der Dreh komplett in Berlin abspielt. Zunächst war, glaube ich, im Gespräch, dass nur in Europa herumgereist wird. Von daher: Ja, ich hätte mich beworben und hätte es auch durchgezogen. Ich wäre definitiv nicht freiwillig gegangen.
Wie läuft es bei dir selbst mit dem Modeln mittlerweile? Merkst du, dass sich die Lage etwas entspannt auch in Bezug auf Corona?
Ich merke, dass es langsam ein bisschen aufwacht. Die Kunden werden wieder ein wenig aktiver und fangen an, regelmäßig zu suchen. Es ist auch bei mir auf dem Weg der Besserung. Gerade das letzte Jahr war eigentlich für mich persönlich eher dazu da, mich etwas einzugrooven, herauszufinden, was ich eigentlich will und in welche Richtung ich gehen möchte. Aktuell habe ich einige Sachen, die gut anlaufen.