Vanessa Mai macht eigentlich viel zu viele Dinge, die nicht besonders cool sind. Sie macht Schlager. Wohnt in einer Kleinstadt in Baden-Württemberg, die kaum jemand kennt. Und dass sie demnächst bei Holiday on Ice auftritt, ist sicher eine große Nummer, aber auch nicht das angesagteste, was man als junge Künstlerin so machen kann.
Und dennoch ist die 31-Jährige offenbar echt eine coole Frau.
Wie das geht? Im watson-Interview mit ihr geht es um Ballermann, Female Empowerment und Taylor Swift. Und die Sängerin überrascht mit Aussagen zum Ballermann.
Watson: Vanessa, du hast gerade deinen neuen Song "Igel" rausgebracht, der doch ziemlich schräg ist und direkt viral gegangen ist. Du machst gerade, was du willst, oder?
Vanessa Mai: Ich weiß schon, dass der "Igel"-Song nicht typisch ist. Nicht für Schlager, vielleicht auch nicht für mich. Mir macht das einfach Spaß. Es ist absolut ein Privileg, dass ich genau das machen kann, auf was ich Lust habe. Ohne jemanden fragen zu müssen. Und ich glaube, dazu gehört auch ein bisschen Mut, wenn man sich selbst glücklich machen möchte.
Jetzt bist du auch noch Stargast bei "Holiday on Ice" und trittst ab November in 20 Städten auf.
Ich liebe die ganz große Show. Das ist unfassbar, was die auf dem Eis leisten. Aber mir sind meine Auftritte im nächsten Jahr so wichtig, dass ich da kein Risiko eingehen möchte. Wenn ich ausfalle, fällt alles aus, was geplant ist. Und das geht einfach nicht. Daher werde ich singen, aber selbst tatsächlich nicht aufs Eis gehen.
Man hat auf jeden Fall nicht den Eindruck, als würdest du dich selbst besonders ernst nehmen.
Ach, man darf sich selbst auch nicht so ernst nehmen. Ich arbeite nur mit Menschen, wo es einfach passt. Das war bei Ikke Hüftgold auf jeden Fall so.
Von eurem "Igel"-Song sind leider nicht alle überzeugt. Manche Fans finden zum Beispiel, das sei Schwachsinn.
Was ich mir sage, ist: Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn etwas polarisiert. Denn dann ist es relevant. Und ich finde es schön, dass die Leute auch über den "Igel"-Song sprechen. Glücklicherweise habe ich eine Fanbase, die bei fast allem mitgeht. Aber natürlich kann ich nicht immer jedem gefallen. Deshalb ist es so wichtig, selbst zufrieden zu sein.
Für viele klingt "Igel" nach Ballermann. Versuchst du, dir eine neue Zielgruppe zu erschließen?
Ich habe mir im Voraus über den Ballermann keine Gedanken gemacht. Auch über andere Zielgruppen nicht. Dennoch habe ich überlegt, in welche Richtung es gehen könnte mit meinem nächsten Album, was schon das zehnte ist. Nach so langer Zeit muss es etwas sein, was mich noch anfixt. Ich habe länger danach gesucht und bin nun fündig geworden.
Könntest du dir vorstellen, wie zum Beispiel Mia Julia, am Ballermann aufzutreten?
Ich habe mir abgewöhnt, "nie" oder "nein" zu sagen. Ich bin immer gerne da, wo ich willkommen bin. Ich feiere auch Mia Julia zum Beispiel.
Wofür?
Mia Julia ist vollkommen überzeugt von dem, was sie tut. Sie ist eine Power-Frau, die immer nach vorne geht. Das finde ich beeindruckend. Ich feiere auch andere Artists am Ballermann. Ich versuche grundsätzlich, niemanden in eine Schublade zu stecken oder zu verurteilen. Ich will ja auch nicht, dass das jemand mit mir macht. Was Genres angeht, bin ich völlig offen und frei.
Du stehst für Female Empowerment, hast mit den Musikerinnen Katja Krasavice und Elif auch ein Interview dazu gegeben. Wie passt das zum teilweise problematischen Frauenbild am Ballermann oder der "Layla"-Debatte?
Ich sehe da gar keinen Zusammenhang. Ich habe auch die "Layla"-Debatte nicht wirklich verstanden. Wenn Musik einen großen Anklang findet und eine Masse bewegt, kann es nicht verkehrt sein, glaube ich. Wichtig finde ich, dass jeder macht, wovon er überzeugt ist. Ich finde es wahnsinnig wichtig, mich für Female Empowerment auszusprechen. Aber ich finde es auch wichtig, das nicht überzustrapazieren. Es geht um eine gesunde Balance. Ich würde mich auch nie als Feministin bezeichnen.
Warum?
Ich habe gar nichts gegen den Begriff Feminismus. Das ist für mich nur auch wieder so eine Schublade, in die ich mich nicht stecken lassen will, weil ich mich da nicht sehe. Das ist so ein riesiges Wort, das einen auch erschlagen kann. Es kommt immer auf die Situation an. Darauf, worüber ich spreche oder wofür ich mich einsetze. Aber alles, was extrem wird, ganz egal welche Bewegung – das gefällt mir nicht. Weil man so leider viele Dinge übersehen kann.
Du bist ein Typ, der auch in Berlin leben könnte. Dennoch bist du mit deinem Mann und Manager im baden-württembergischen Backnang.
Ich brauche das. Wir sind gerne in Berlin. Aber mein Mann und ich kommen beide aus demselben Städtchen, wo wir uns jetzt auch unser heimisches Nestchen gebaut haben. Da gehen wir zum Bäcker. Die Leute kennen einen und sind trotzdem normal. Da sind Freunde, da ist Familie. Und dazu kommt: Ich bin wohl weirder, als viele denken. Ich finde, man muss verrückt sein und sich ein Umfeld schaffen, in dem man das auch sein kann. Das mich und sich selbst nicht so ernst nimmt. Und das ist in Backnang der Fall.
Dein Mann ist auch dein Manager. Hat das mehr Vor- oder Nachteile?
Wir unterscheiden gar nicht zwischen privat und beruflich. Für uns hat das wahnsinnig viele Vorteile. Wir leben in einer Welt, in unserer Bubble. Wir leben unseren Traum und unsere Ziele. Das ist echt eine Symbiose, wir wissen immer, wie der andere denkt. Wir begegnen uns zwar nicht immer als Ehepartner. Aber wir sind dennoch 24 Stunden am Tag zusammen. Ich mag das sehr. Er anscheinend auch. Er ist ja noch da.
Wie oft sagst du zu deinem Manager "nein" – und was macht das dann mit euerer Symbiose?
Ich weiß bei ihm, dass er zu 1000 Prozent ehrlich ist und nur das beste für mich und für uns will. Deshalb reden wir da ganz offen und ehrlich drüber, wenn wir wirklich mal anderer Meinung sind.
Bei "Holiday on Ice" bist du Stargast. Was ist für dich ein Star?
Mein Star ist auf jeden Fall Taylor Swift.
Dann hast du sicher Konzertkarten?
Wenn sie in Deutschland auf der Bühne steht, habe ich selbst Termine. Das ist also leider nicht möglich für mich. Aber ich muss ganz ehrlich sagen: Ich gehe nicht so gerne auf Konzerte.
Weil du dann nicht auf der Bühne stehst?
Ich liebe es natürlich, selbst Konzerte zu geben. Sonst hätte ich ein Problem. Aber darum geht es nicht. Wenn ich im Publikum stehe, ist mir das zu viel, das brauche ich nicht.
Das klingt wenig glamourös.
Na ja, aber Taylor Swift ist in meinen Augen auch ein ganz normales Mädchen. Und das ist doch faszinierend, dass sie das schafft, obwohl sie für so viele Menschen auf der Welt inspirierend ist. Das ist für mich ein Star.
Hast du nicht irgendwelche Star-Allüren?
Ich fühle mich wohler, wenn man mich von rechts filmt und fotografiert. Von links gefalle ich mir nicht so. Sind das schon Allüren? Es ist eine kleine Macke, die ich seit der Jugend habe.
Hat es deiner Karriere geholfen oder geschadet, dass du machst, was du willst?
Wo ich jetzt stehe, kann ich gar nicht vergleichen mit dem, wo ich angefangen habe. Ich bin dankbar für das Podium, das ich bekommen habe. Auch für "Deutschland sucht den Superstar" und die Zusammenarbeit mit Dieter Bohlen. Das heißt aber nicht, dass ich immer bei dem bleiben muss, wenn ich das Gefühl habe, ich entwickle mich weiter und fühle mich da nicht mehr wohl. Ich prangere auch niemanden an, der sich da wohl fühlt. Ich finde Schlager nach wie vor toll. Ich mache es jetzt aber so, wie ich es gut finde.