Metallica sind neben U2 die wahrscheinlich größte Rockband der Welt, auch nach 42 Jahren Bandgeschichte füllen sie die größten Stadien. Nach dem Release des neuen Albums "72 Seasons" im April befindet sich die Truppe um James Hetfield nun auf Welttournee. Zuerst ist Europa an der Reihe, dann folgen die USA – nächstes Jahr wiederholt sich dieser Rhythmus.
Für die neuen Shows hat sich die Band zahlreiche Besonderheiten ausgedacht. Diese betreffen etwa die Song-Auswahl, aber auch das Bühnen-Setup. Letzteres kann für ziemlich viel Frust sorgen – auch bei hartgesottenen Fans.
Im Zuge ihrer M72-Tour bespielen die Rocker vergleichsweise wenige Städte, dafür gibt es in jeder Location gleich zwei Konzerte innerhalb von drei Tagen – die Musiker wie auch die Fans haben also immer einen "Ruhetag" dazwischen.
Beworben wird das Event als "No Repeat Weekend", was konkret heißt: Pro Stadt bekommen die Fans zwei komplett unterschiedliche Shows, kein Song wird doppelt gespielt. Dies soll dazu animieren, Tickets für beide Konzerte und nicht nur einen Abend zu kaufen.
An dieser Stelle erweisen sich Metallica wie schon oft in der Vergangenheit als geschäftstüchtige Marketing-Genies, denn sehr viele haben sich für die komplette Experience entschieden, trotz astronomischer Ticketpreise. Die teuersten Karten kosten über 3000 Euro und enthalten ein Meet & Greet. Jedoch kann niemand der Band vorwerfen, Anzeichen von Altersschwäche zu zeigen oder auf der Bühne nicht alles zu geben. Alle Mitglieder sind entweder schon über 60 oder werden es demnächst, gemessen daran sind Power und Spielfreude jedes einzelnen extrem beachtlich.
Ein großes Manko jedoch haben die neuen Shows: die Bühnen-Konstruktion in Donut-Form, die sicherlich gut gemeint, aber schlecht umgesetzt ist. James Hetfield und Co. laufen also permanent im Kreis, während nicht nur außen, sondern auch innen (im so genannten "Snake Pit") Zuschauende stehen. Letztgenannte Gruppe wird von den Musikern eingekesselt. Sowohl der Band (körperlich) also auch den Fans (eher nervlich) verlangt dieses Konzept einiges ab.
An den beiden längeren Seiten ist die Bühne mittig erhöht und wer unmittelbar davor steht, hat ein großes Problem. Diese Fans sehen noch, was ein paar Meter rechts und links von ihnen passiert, bekommen aber gar nichts vom Geschehen auf der anderen Seite mit, wenn sie nicht auf die Monitore schauen (und das sollte niemand müssen, der in der ersten Reihe steht und dafür womöglich seit 8 Uhr morgens vor dem Stadion ausharrte). Da hilft es kaum, dass Metallica dauernd in Bewegung sind, um es allen irgendwie recht zu machen. Man verpasst viel. Unweigerlich.
Eine derartige Sichtbarriere gibt es für die Menschen im Snake Pit nicht, doch auch dieses Feature hat seine Tücken. Wer "im Loch", egal an welcher Seite, in der ersten Reihe steht, muss sich sehr oft umdrehen, um möglichst viel mitzubekommen. Und auch hier gilt: Das andere Ende der Bühne ist relativ weit weg.
Im Snake Pit existiert keine Absperrung mehr zwischen Fans und der Bühne, was durchaus einen besonderen Reiz ausmacht. Man könnte die Band aus dem Snake Pit heraus buchstäblich anfassen, wenn man wollte, lediglich ein Warnhinweis in der vorab versandten Info-Mail hält die Fans davon ab. Doch man hat nie alle vier gleichzeitig vor der Nase, sondern schaut hektisch hin und her, vor und hinter sich. Eine Möglichkeit ist es, im Snake Pit keinen "festen" Stehplatz einzunehmen und stattdessen einfach nach Belieben hin und her zu laufen (ja, dafür bleibt genug Raum ... gerade so.).
Nicht wenige tun das, aber über zwei Stunden hinweg schlägt das auf die Kondition und immer wieder ist Durchkämpfen im Kleinen gefragt. Und man ist so eben nie ganz nah dran. Zwar hat das Snake Pit bei Metallica Tradition, bislang genossen pro Konzert immer nur wenige dutzend Fans dieses Privileg. Bei dieser Tour sind es plötzlich mehrere hundert.
Eine Besonderheit ist schließlich noch das Set-Up der Drums – ja, Plural. In jeder der vier "Ecken" der Bühne kann nämlich ein Schlagzeug hoch- und wieder runtergefahren werden, dementsprechend wechselt Lars Ulrich viermal seine Position. Auch für ihn gilt damit: Viele Anwesende sehen ihn lediglich gut für ein Viertel des Konzerts. Immerhin ist es möglich, sich vorab mental auf diesen Kniff vorzubereiten, denn die Drums rotieren stets von "links oben" entgegen dem Uhrzeigersinn.
Es handelt sich also um Konzerte der Extreme, in mehrfacher Hinsicht: In der einen Sekunde ist man den Stars im Snake Pit ganz nah und in der nächsten sind sie schon wieder ganz woanders. Das macht diese Tour besonders anstrengend für die Fans – obwohl Metallica musikalisch und konditionell nach wie vor das Nonplusultra sind.