Bei Filmen gibt es immer was zu meckern.Bild: Getty Images
Meinung
Ob Film- oder Videospielbranche: Viele Fans wollen immer häufiger mitreden. Oft äußern sie sich verärgert, wenn ein Trailer erscheint und nicht ihren Ansprüchen gerecht wird. Ein aktuelles Beispiel ist die Verfilmung des Videospielklassikers "Sonic the Hedgehog". Kaum erschienen erste Bilder, war der Aufschrei groß.
Fans fluteten Portale wie Twitter oder Reddit mit wütenden Kommentaren. Die Figur sei hässlich und zu weit vom Original entfernt. Das Studio hinter dem Film nahm sich die Kritik zu Herzen und änderte das Design. Die Kosten dafür: Angeblich fünf Millionen Dollar.
Während Sonic in der Verfilmung ursprünglich noch menschlicher aussah, ähnelt er nun mehr der Spielfigur.Bild: Kinocheck
Das sorgte für Ruhe. Vorerst. Dann aber folgten weitere Beschwerden. Denn dass der Youtuber Julien Bam dem Igel seine Stimme verlieh, passte einigen Fans überhaupt nicht. Wieder folgte ein Shitstorm, der sich vor allem gegen Bam richtete. Diesmal blieb das Studio jedoch bei seiner Entscheidung. Geschadet hat es nicht. "Sonic the Hedgehog" entwickelte sich zur erfolgreichsten Videospielverfilmung aller Zeiten.
Es scheint fast so, als gehörten Shitstorms mittlerweile in den sozialen Medien zur modernen Film- und Serienkultur. Kamen sie doch in den vergangenen Jahren nur allzu häufig vor. Das stellt Studios vor einer schwierige Entscheidung. Sie müssen sich fragen, wann es sich lohnt, Fanwünschen Folge zu leisten.
Ohne Zweifel, manchmal ist die Kritik berechtigt und kann durchaus zu einem besseren Ergebnis führen. Oft genug ist sie hingegen problematisch.
Angst vorm Werther-Effekt
Das zeigt das Beispiel "Tote Mädchen lügen nicht". Dass es bei der Netflix-Serie Beschwerden gab, ist erstmal wenig überraschend. Behandelt die Serie doch den Selbstmord einer Teenagerin. Entsprechend groß war die Angst vor dem Werther-Effekt, also die Befürchtung, dass die Serie Menschen zum Suizid animieren könnte. Zumal der Selbstmord der Protagonistin in der finalen Episode bis zum Ende gezeigt wurde.
Diese Passage kritisierten Eltern und Lehrer besonders und forderten, dass Netflix sie streicht. Zwei Jahre später knickten die Verantwortlichen ein und schnitten die Szene raus. Was hingegen bleibt, ist die Frage, ob das die richtige Entscheidung war. Denn die unangenehmen Bilder des Suizids selbst zu kürzen, nahm der Serie eventuell die abschreckende Komponente.
Manchmal verlangen Fans zu viel
Und mal ehrlich: Es ist nicht immer konstruktiv, wenn Zuschauer und Zuschauerinnen bei jeder Kleinigkeit beleidigt die Unterlippe vorschieben und durch wütende Petitionen ein Mitspracherecht fordern. Klar, das ist ihr gutes Recht. Es ist dann aber auch das Recht der Verantwortlichen der Film- oder Comic-Branche darauf einfach mal nicht zu reagieren.
Auch die achte Staffel "Game of Thrones" sorgte bei vielen Fans für Empörung. Sie forderten, dass die Staffel noch einmal neugedreht wird. Das Finale war für so manchen nicht zufriedenstellend. HBO lehnte das aber ab. Schließlich ist die Neuproduktion einer ohnehin abgeschlossen Serie teuer, die Wahrscheinlichkeit ein Ende zu schreiben, das alle Fans glücklich macht, hingegen gering.
Fans von "Game of Thrones" haben ein eisiges Verhältnis zur achten Staffel.Bild: Getty Images
Zudem ist es unmöglich, wirklich jeden zufriedenzustellen. Basiert ein Film auf einem Buch, Spiel, Comic oder ist eine Neuinterpretation eines alten Films, wird es umso schwieriger – wie die Reaktionen auf "Sonic the Hedgehog" gezeigt haben.
Wenn Fans Fortschritt behindern
Nun ist es zwar aufwändig, das Aussehen einer Comicfigur im Nachhinein anzupassen, aber nicht unmöglich. Und es ist auch irgendwie verständlich, wenn sich Sonic-Fans nach einem originalgetreuen Abbild sehnen. Vergleichen Fans aber reale Schauspieler mit ihren Cartoon-Vorlagen, kommen noch andere Probleme hinzu.
Als Disney etwa für die Hauptrolle in "Arielle die Meerjungfrau" die afroamerikanische Sängerin Halle Bailey auswählte, folgte wieder mal ein Shitstorm. Arielle sei rothaarig und für die wütenden Fans besonders wichtig: weiß. Das mag stimmen, aber ist das wirklich relevant? Nach dieser Logik müsste die Arielle-Darstellerin zusätzlich halb Mensch, halb Fisch sein – das wiederum würde den Kreis an Anwärterinnen deutlich einschränken.
Dass Sängerin Halle Bailley Arielle spielen soll, passte einigen überhaupt nicht.Bild: picture alliance
Arielle erschien vor rund 30 Jahren. Zu dem Zeitpunkt gab es im Disney-Universum ausschließlich weiße Prinzessinnen. Fans sollten dem Studio eigentlich zugute halten, dass es sich heute für mehr Diversität einsetzt. Stattdessen sprachen sie allen Ernstes von Blackwashing, also dem bewussten Ausschließen weißer Schauspieler. Klar, so unterrepräsentiert wie die in Hollywood sind.
"Captain Marvel ist ein Mann!"
Leider sind derlei Reaktionen keine Seltenheit. Kaum entspricht eine Rollenbesetzung nicht dem Original, beginnt bei einigen die Schnappatmung, die sich schließlich zur Trotzreaktion entwickelt. Zum Beispiel auch, als die Titelfigur von "Captain Marvel" mit Brie Larsson weiblich besetzt wurde. Ein Skandal! Für viele. Captain Marvel ist ein Mann! Ganz ähnliche Reaktionen gab es bei der Science-Fiction-Serie "Doctor Who", in der 2018 der Doktor nach 55 Jahren erstmals eine Frau ist.
Captain Marvel als Frau? Für viele scheint das nicht in Ordnung zu sein.Bild: Chuck Zlotnick/Marvel Studios 2019
Die versuchte Einflussnahme einiger Fans ist oftmals problematisch. Nicht selten sind die Ratschläge nicht hilfreich, sondern rückständig. Entsprechend positiv ist es, wenn sich die Studios dann hinter ihre Schauspielerinnen stellen.
Einfach mal machen lassen
Natürlich ist es gut, wenn Fans handfeste Kritik äußern und Studios dazu bewegen, ein Projekt zu überdenken. Leider ist das gerade in Bezug auf die Kritik nur selten der Fall. Bisweilen scheinen sich viele Twitter-Kommentatoren eher reformresistent zu geben. Es ist okay, wenn sie sich einen anderen Sonic wünschen. Weder leidet er unter den Anfeindungen, noch repräsentiert er jemanden.
Schwierig wird es dann, wenn Fans an veralteten, mehrheitlich weiß und männlich geprägten Werten festhalten. Statt also immer nur die Filmschaffenden und Schauspieler zu hinterfragen, ist es nie verkehrt, das gelegentlich auch bei sich selbst tun.
"Ich muss jetzt antworten, weil hier zu viele Grenzen überschritten werden" ist einer der Sätze in dem Statement, das Barry Keoghan am späten Samstagabend auf der Social-Media-Plattform X postete. Am selben Tag hatte der irische Schauspieler ("Saltburn") seinen Instagram-Account deaktiviert.