Unterhaltung
Meinung

"Sonne und Beton": Nicht wegen der Gewalt ist der Felix-Lobrecht-Film so brutal

Die Protagonisten von "Sonne und Beton" müssen zusammen eine Menge durchmachen. Der Film basiert auf der Buchvorlage von Felix Lobrecht (Mitte).
Die Protagonisten von "Sonne und Beton" müssen zusammen eine Menge durchmachen. Der Film basiert auf der Buchvorlage von Felix Lobrecht (Mitte).bild: Constantin Film/Gisela Schober
Meinung

"Sonne und Beton": Gewalt, Kriminalität, Drogen – nicht (nur) deshalb ist der Felix-Lobrecht-Film brutal

02.03.2023, 15:52
Mehr «Unterhaltung»

"Was seid ihr für Freunde?!" Bereits relativ am Anfang von "Sonne und Beton", der Verfilmung des Romans von Felix Lobrecht, ruft Protagonist Lukas diesen Satz in die Kamera. Und im weiteren Verlauf des Films wird sich nicht nur Lukas, sondern auch das Publikum diese Frage mehr als einmal stellen. Es ist ein Thema, das einen als Zuschauer:in nicht loslässt.

Das ist insofern bemerkenswert, als dass der Film, der auf der Berlinale Premiere feierte und ab dem 2. März regulär im Kino läuft, eigentlich genug andere Aspekte hat, über die man sich Gedanken machen könnte. Offener Rassismus durch einen Lehrer, reihenweise kaputte Elternhäuser, Jugendliche, die Drogen nehmen und jede Menge körperliche Gewalt. Regisseur David Wnendt, der auch schon für "Feuchtgebiete" und "Er ist wieder da" verantwortlich war, hat mit "Sonne und Beton" ein Porträt Neuköllns und seiner Bewohner:innen Anfang der 2000er geschaffen. Die gleichnamige Buchvorlage kommt von Comedian Felix Lobrecht.

Für die jungen Darsteller war es ihr erster großer Auftritt in einem Kinofilm.
Für die jungen Darsteller war es ihr erster großer Auftritt in einem Kinofilm. bild: Constantin film verleih

"Sonne und Beton" erzählt durch die Protagonist:innen auch verschiedene Geschichten über Armut und soziale Abgehängtheit. Obwohl Felix Lobrecht im Vorfeld immer wieder betont hat, dass weder der Roman, noch der Film komplett autobiografisch seien – vor dem Film gibt es sogar eine Art Disclaimer, in dem es heißt "Es war alles genau so. Vielleicht aber auch nicht" – gibt es natürlich Parallelen zu Lobrechts Leben.

"Das war sehr, sehr anstrengend, in meinem Leben immer kein Geld zu haben."

So erklärt etwa Sanchez in einer sehr emotionalen Szene im Film seiner Mutter, dass er klauen geht, um ihnen beiden ein besseres Leben zu ermöglichen. "Würde ich so 'nen Scheiß nicht machen, hätten wir gar nichts", brüllt Sanchez da.

Eine Erfahrung, die auch Felix Lobrecht kennt. Im Podcast "Im Aufzug" mit Raúl Krauthausen sagte er kürzlich auf die Frage, was das Härteste sei, was er in seinem Leben erlebt habe: "Ehrlich gesagt das Härteste, das ist jetzt nicht ein Sachverhalt, sondern eher so ein Zustand. Und das war für mich auf jeden Fall dieses eigentlich bis vor sechs, sieben Jahren, nie Geld zu haben. Das war sehr, sehr anstrengend, in meinem Leben immer kein Geld zu haben." Dass es nicht nur anstrengend, sondern auch gefährlich ist, in solchen Verhältnissen aufzuwachsen, macht der Film sehr deutlich.

Nicht nur Lukas muss ziemlich viel einstecken.
Nicht nur Lukas muss ziemlich viel einstecken.bild: constantin film verleih
Neu: dein Watson-Update
Jetzt nur auf Instagram: dein watson-Update! Hier findest du unseren Broadcast-Channel, in dem wir dich mit den watson-Highlights versorgen. Und zwar nur einmal pro Tag – kein Spam und kein Blabla, versprochen! Probiert es jetzt aus. Und folgt uns natürlich gerne hier auch auf Instagram.

Kein Film über Freundschaft

Das Umfeld, in dem die vier Hauptfiguren aufwachsen, ist kein sicheres, das steht schon sehr schnell fest. Nicht nur Neuköllner Drogengangs machen ihnen das Leben schwer, auch zu Hause erfahren sie Gewalt und Vernachlässigung. Und in der Schule sind sie mit einem rassistischen Lehrer konfrontiert.

In einem solchen Setting ist normalerweise eines besonders wichtig: Dass zumindest die Jungs untereinander zusammenhalten. Und natürlich erzählt "Sonne und Beton" auch von der Freundschaft zwischen Lukas, Julius, Gino und Sanchez. Einer, der den Film bereits gesehen hat, ist Til Schweiger. So schrieb er auf Instagram über "Sonne und Beton": "Ein unglaublich charismatischer, toller Cast, tolle Kamera, wahnsinns Licht, brilliant geschnitten, krasser Soundtrack und meisterhaft inszeniert! Chapeau!"

Und er stellt eine These auf:

"David Wnendt liebt seine Figuren und ihm ist ein großartiger Film über Freundschaft gelungen."

Doch damit hat Til Schweiger Unrecht. Ein Film über Freundschaft ist es nicht. Denn genau diese Freundschaft stellt der Film auf brutalste Art und Weise nicht nur auf die Probe, sondern auch immer wieder infrage.

Niemand für einen, keiner für alle

Denn je weiter der Plan der vier voranschreitet, desto mehr bröckelt die Freundschaft der Jungs. Als Lukas etwa seine Bedenken dazu äußert, die Schulcomputer zu klauen, stellt Julius klar: Wenn Lukas nicht mitmachen will, würden die anderen die Aktion auch ohne ihn durchziehen. Und nicht nur hier zeigt sich, dass der Zusammenhalt der Gruppe nicht so bedingungslos ist, wie erwartet.

Als Lukas, Julius und Sanchez die Computer aus der Schule klauen, fehlt Gino. Julius spricht anschließend aus, was man als Zuschauer:in bisher nur geahnt hat: Eigentlich interessiert es Lukas nicht wirklich, wie es Gino geht und das, obwohl die Clique weiß, dass er zu Hause von seinem Vater geschlagen wird. Die Aktion mit den Computern ziehen Sanchez, Lukas und Julius schließlich alleine durch.

Was hier zum ersten Mal Risse bekommt, implodiert kurz danach, ausgerechnet, nachdem Lukas, Julius und Sanchez ihren wohl größten Moment erlebt haben. Doch als sie sich anschließend zum ersten Mal wieder mit Gino treffen, feiern sie ihren Erfolg nicht etwa gemeinsam, im Gegenteil. Lukas wirft Gino vor, dass er sie im Stich gelassen hätte und geht auf ihn los. "Was soll das?", geht Julius dazwischen und Lukas schreit verzweifelt zurück: "Weil keiner mir hilft!" Niemand für einen, keiner für alle würde als inoffizielles Motto zu der Truppe passen.

Lukas, Gino und Julius feiern einen Erfolg. Dennoch ist die Gruppe weniger verschworen als man denken könnte.
Lukas, Gino und Julius feiern einen Erfolg. Dennoch ist die Gruppe weniger verschworen als man denken könnte.bild: constantin film verleih

Eskalation am Ende

Wie in der Buchvorlage ist es auch im Film eine Katastrophe, die Lukas, Julius, Sanchez und Gino am Ende wieder zusammenbringt. Die Frage, ob die nicht eigentlich hätte verhindert werden können, hätten die vier einfach zuvor besser aufeinander aufgepasst, schwebt unheilvoll über den letzten Szenen. "Wir sind seine Freunde", versucht die Clique verzweifelt zu erklären, warum sie unbedingt wissen müssen, in welchem Krankenhauszimmer ihr Kumpel liegt. Und man wünscht ihnen so sehr, dass sie das auch nach dem Besuch bei ihm noch voneinander sagen können.

"Sonne und Beton" will die ungeschönte Realität in Gropiusstadt Anfang der 2000er zeigen und setzt dabei auf jede Menge Gewalt. Aber nicht explizit dargestellt. "Es gibt in 'Sonne und Beton' keine Schießereien, keine Messerstechereien, die Jungs sind keine Gangster", stellt Felix Lobrecht im Interview mit dem "Spiegel" klar. Deshalb war ihm auch wichtig, dass es eben "nicht die Story der krassesten Jungs aus dem Viertel" wird.

Denn das sei in seinen Augen schon oft erzählt worden. "Der Film erzählt einfach aus der Perspektive von so vier kleinen Keks, die dort leben und nun mal irgendwie dort zurechtkommen und aufwachsen müssen", sagt er. Am Ende erzählt der Film aber eben auch davon, dass es selbst in dieser rauen Umgebung das Brutalste überhaupt sein kann, wenn man sich auf seine Freunde eben nicht bedingungslos verlassen kann.

Brutaler Rückschlag für ARD-Serie: "Mord mit Aussicht" verliert ein Viertel des Publikums

Am 16. April startete die fünfte Staffel der ARD-Serie "Mord mit Aussicht". Der Sender gab dazu an: "Es hätte alles so schön werden können für Kommissarin Marie Gabler (Katharina Wackernagel): zurück nach Köln, zurück in ihren alten Job, zurück ins alte Leben – stattdessen muss sie ihre Rückkehr in die Großstadt noch etwas verschieben." Aber auch in der Eifelgemeinde Hengasch habe Marie Gabler alle Hände voll damit zu tun, die kleinen Schönheitsfehler dieses Idylls aufzudecken, hieß es weiter.

Zur Story