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Dahlmann-Eklat im Dschungelcamp: Pierre Sanoussi-Bliss rettet RTL

HANDOUT - 26.01.2025, Australien, Brisbane: Pierre Sanoussi-Bliss sitzt im Dschungeltelefon in der RTL-Realityshow «Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!». Foto: ---/RTL/dpa - ACHTUNG: Nur zur redak ...
Pierre Sanoussi-Bliss muss im Dschungel homophobe Kommentare ertragen.Bild: RTL
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"IBES"-Eklat: RTL kann froh sein, dass Pierre Sanoussi-Bliss da war

31.01.2025, 10:1931.01.2025, 20:32
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Die Dschungelcamp-Regie setzte Jörg Dahlmanns Homophobie-Bullshit-Bingo direkt an den Beginn der sechsten Folge, die am Mittwochabend lief. Die geistige Entblößung des ehemaligen Fußballkommentators lief also zur besten Sendezeit in einer der meistgesehen Shows des Jahres.

Das ist einerseits natürlich blöd, wenn billigste Schwulen-Feindlichkeit vor einem Millionenpublikum reproduziert wird. Andererseits bieten solche Ausfälle, wenn man sie denn schon senden muss, immer Aufklärungs-Potenzial. Eine Show wie "Ich bin ein Star holt mich hier raus!" kann zeigen, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst ist. Bei Jörg Dahlmann gelang das nur bedingt.

Jörg Dahlmanns Homophobie-Ausfall: Das ist passiert

Es ging mit der (bereits deplatzierten) Frage von Anna-Carina Woitschack los, die von Pierre Sanoussi-Bliss wissen wollte, ob er schon immer homosexuell gewesen sei, was der Schauspieler mit einem Witz abbügelte: "Ich bin mit Pumps auf die Welt gekommen."

Dann betrat Jörg Dahlmann den Chat. Er ordnete sämtlichen Homosexuellen etwa eine Vorliebe für Schlager-Musik zu. Nina Bott sprach ihn daraufhin an: "Du bist auch schwul? Das wusste ich nicht!". Sie hätte den Sportjournalisten auch fragen können, ob dieser in seiner Freizeit Katzenbabys erwürge, derart beleidigt wies der 66-Jährige die Frage zurück: "Ich rede mit dir drei Tage nicht mehr, nachdem du gesagt hast, ich bin schwul." Im Dschungeltelefon stellte er klar, damit das auch alle wirklich endgültig verstanden haben: "Ich bin zu 100 Prozent heterosexuell."

Uff uff uff.

Pierre Sanoussi-Bliss reagierte wie jemand, der solche Situationen tausendfach erlebt haben muss – mit einer Mischung aus rhetorischer Schärfe und müder Gelassenheit: "Du sagst das so, als wäre das etwas Schlimmes! Und das ist das Schlimme."

Jörg Dahlmann (l.) rechtfertigt sich gegenüber Pierre Sanoussi-Bliss: "Ich liebe Schwule, aber ich bin hetero. Ich finde schwule haben viel mehr Empathie und Sinn für das Schöne!"

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Stimmungsbild aus dem Dschungelcamp.Bild: rtl

Gegen die eigentlich noch viel zu sanfte Zurechtweisung wehrte sich Jörg Dahlmann mit einer hochnotpeinlichen Abarbeitung von Homosexuellen-Klischees, die zuletzt vielleicht in einer "Traumschiff"-Folge im Jahr 2003 mit derartiger Selbstsicherheit vorgetragen wurden. Ein Ausschnitt: "Ich liebe Schwule, aber ich bin hetero. Ich finde, Schwule haben viel mehr Empathie und Sinn für das Schöne!"

Jörg Dahlmanns Vorgeschichte hätte eine Warnung sein müssen

Wenn von jemandem sowas zu erwarten war, dann von Jörg Dahlmann. Der Ex-Sky-Journalist war vor vier Jahren wegen sexistischer und rassistischer Kommentare aus dem Sender geflogen. Einsichtig hatte er sich daraufhin nicht gezeigt.

Eine seiner Rechtfertigungen: "Ich kann meinen Reporter-Stil, den ich fast 40 Jahre bewahrt habe, doch im letzten Jahr nicht umstellen. Ich kommentiere so, wie ich nun mal rede. Und nicht so lehrermäßig, wie manche das tun."

Ja, man hätte damit rechnen können, dass jemand, der so redet, auch im Umgang mit LGBTQ+-Themen im vorvorletzten Jahrzehnt steckengeblieben ist.

Pierre Sanoussi-Bliss erledigt den Job von RTL

Pierre Sanoussi-Bliss zeigte sich ob der von Jörg Dahlman abgesonderten Klischee-Soße verwundert, blieb aber ruhig und ließ seine berechtigte Verärgerung nur durchblitzen.

Ein Mensch wie Jörg Dahlmann ist eine Zumutung für Pierre Sanoussi-Bliss (und die meisten Zuschauenden). Er ist eine tickende Zeitbombe, die RTL wohl bewusst ins Dschungelcamp legte. In Folge sechs ging sie dann eben los. Und wer räumte die Scherben auf? Pierre Sanoussi-Bliss.

Sein kurzer, aber prägnanter Common-Sense-Crashkurs im Dschungeltelefon:

"Da kann man ja hier im Dschungel 'ne Menge lernen, dass es nicht nur das eine Bild eines Schwulen gibt. Wer an sowas jetzt noch glaubt, dass wir alle gleich sind … Herzlich Willkommen, 1950! Ich bin wie du, wir sind wie ihr. Es wird langsam Zeit, das zu akzeptieren!"

Für diese Aufklärungsarbeit sollte er von RTL eine Extra-Gage einfordern.

Denn RTL muss das Unheil antizipiert haben, hatte letztlich aber keinen Plan, als es eintrat. Der Sender selbst ließ die letzte Konsequenz im Umgang mit Jörg Dahlmanns Auftritt vermissen. Im Moderationssegment nach der Szene beließen es Jan Köppen und Sonja Zietlow bei ein paar scharfen Witzen. Eine deutliche Verurteilung der wirklich bodenlosen Sätze blieb aus.

Zum Vergleich: Janina Youssefian musste 2022 nach einer rassistischen Beleidigung gegen ihre Mit-Camperin Linda Nobat das Dschungelcamp verlassen. So weit hätte RTL bei Jörg Dahlmann nicht gehen müssen.

Der Sender ließ den Ausfall jedoch bemerkenswert geräuschlos vorüberziehen. Er überließ die Arbeit anderen und hatte Glück, dass Pierre Sanoussi-Bliss da war, der die gegen ihn gerichtete Homophobie erst ertragen und dann abräumen musste.

Nina Bott: Kinder, Instagram, "GZSZ" – das ist der Dschungelcamp-Star

Nina Bott startete ihre TV-Karriere bei der RTL-Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Später war sie bei "Alles was zählt" oder "Verbotene Liebe" zu sehen. Sie wirkte zudem in Shows wie "Stars auf Eis" oder "Let's Dance" mit. Auch als Moderatorin tritt Bott in Erscheinung, so moderierte sie bei Vox bis 2019 "Prominent!".

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