"Ich weiß genau, wie ich mich sehen will", ist vielleicht der entscheidende Satz, der in einem Livestream fällt, den Shirin David am Montagabend in ihren Instagram-Feed sendete. Es geht um eine Doku über die Rapperin, die Netflix erstmals Anfang des Jahres offiziell ankündigte.
Irgendwann 2024 sollte die Doku erscheinen, aber daraus wird nichts mehr. Und die Gründe dafür sind in vielerlei Hinsicht hochinteressant.
Geplant war ein für Netflix ganz typisches Projekt. Der Streamingdienst versprach intime Einblicke in den Alltag des ehemaligen Youtube-Stars, der dieses Jahr mit "Bauch Beine Po" einen Sommerhit landete. Vorbilder der Doku: Projekte über die Beckhams, Harry und Meghan und Robbie Williams. Kurzum: Hochglanz-Produktionen, die ohnehin eher unkritisch zu Werke gehen.
Bei der Shirin-David-Doku lief der Rapperin zufolge einiges schief. Die Unstimmigkeiten waren derart eklatant, dass der Film nun eben nicht mehr 2024 erscheint, sondern mindestens ein halbes Jahr später als geplant.
Die Frage nach Shirin Davids Rant lautet auch: Auf wessen Seite lag eigentlich der Fehler?
Wenn es nach David geht, ist die Produktion schuld und damit in erweiterter Linie auch Netflix. Als der Dreh "mit dem ersten Team, mit der ersten Produktion, mit dem ersten Regisseur" startete, sind "sehr, sehr viele Dinge unprofessionell gelaufen", erklärt Shirin David bei Instagram. Ihr wurde schließlich das frühe Rohmaterial vorgeführt "und ich hab gesagt, wenn das die Doku wird, möchte ich sie nicht."
Dieses Urteil führte zu einem Bruch, an dem viele Produktionen dieser Art vermutlich gescheitert wären. Das Shirin-David-Projekt bekam die Kurve – allerdings zu den Konditionen der Rapperin. David ergriff mit einem radikalen Personaltausch die kreative Kontrolle über die Dokumentation:
Mit dem neuen Team ist sie nun "sehr, sehr happy aktuell." Einen solchen Move dürfen sich nur sehr mächtige Stars erlauben. Denn die Doku kann jetzt zwar kommen, aber zu welchem Preis? Der ohnehin minimale journalistische Anspruch an Filme dieser Art schrumpfte wohl auf ein Minimum. Und das kommt Shirin David offenbar sehr gelegen.
Dass sie "kein Schnittrecht" bei Netflix habe, stellt sie als etwas Unerhörtes heraus. Und ihren Anspruch auf totale kreative Kontrolle an einer Doku über ihre Person als eine Art lustigen Spleen: "Niemand hat ein Schnittrecht und da muss man sich halt darauf einlassen können, und sag das mal Miss Kontrollfreak".
Kreative Kontrolle ist David eigenen Angaben zufolge gewohnt. Die Zusammenarbeit mit Netflix beschreibt sie als Kulturschock:
Es stimmt natürlich, wenn David sagt, dass ein solches Projekt "verdammt intim" ist. "Du gibst einen großen Teil deines Lebens preis." Aber geht es bei einer solchen Doku nicht genau darum? Die Gestaltungsmacht an eine unabhängige Instanz abzugeben, um einen vielleicht auch etwas unbequemen Blick auf das eigene Leben zuzulassen? Ohne Sicherheitsnetz?
Dass Shirin David von Netflix das Recht eingeräumt bekommen hat, ihre Doku, überspitzt gesagt, quasi selbst zu drehen, ist mindestens schade und eigentlich sogar bedenklich. Es schmälert den ohnehin geringen Wert dieser Porträt-Dokus noch weiter.
Denn von einem Doku-Projekt kann man unter diesen Bedingungen eigentlich nicht mehr sprechen. Bei Netflix werden Fans vermutlich eine sehr teuer produzierte Instagram-Story zu sehen bekommen. Und wer, bis auf Shirin David, will das eigentlich?