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Joko Winterscheidt: Seine Doku ist krass – doch er macht einen Fehler

Moderator Joko Winterscheidt bei der Deutsche Fernsehpreis 2022 - Die TV-Highlights des Jahres in den MMC-Studios in Ossendorf. Köln, 14.09.2022 NRW Deutschland *** Presenter Joko Winterscheidt at the ...
"The World's Most Dangerous Show" heißt die neue Doku von Joko Winterscheidt.Bild: imago / panama pictures
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Joko Winterscheidt: Seine Doku ist krass – doch er macht einen Fehler

13.06.2023, 19:35
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Joko Winterscheidt hat geliefert. Und wie! "The World's Most Dangerous Show" ist eine Dokumentation über die Klimakrise und gleichzeitig wunderbares Unterhaltungsfernsehen. Für das, was da in sechs Folgen bei Amazon Prime Video zu sehen ist, sollte das Wort Klimatainment etabliert werden. Absolute Streaming-Empfehlung.

Nur ein Aspekt an Jokos neuer Sendung nervt. Und das ist sein schlechtes Gewissen. Das so groß ist, dass es ihn vor laufender Kamera anruft.

Schon klar, es ist ein dramaturgischer Kniff. Niemand kann Joko Winterscheidt jetzt noch vorwerfen, sein eigenes ökologisches Fehlverhalten schönzureden, weil er es ja selbst angesprochen hat. Schließlich sei er zum Interview mit Bill Gates in die USA geflogen. Hätte es nicht ein Anruf getan?

Mal davon abgesehen, dass es einfach ein wenig seltsam wirkt, wenn ein Mensch mit seinem eigenen Gewissen telefoniert: Die ganze Nummer ist Quatsch. Und dafür kann Joko eigentlich gar nichts. Sie zeigt nur, was in den Debatten um die Klimakrise in unserer Gesellschaft schiefläuft.

Wenn Klimaschutz-Aktivist:innen in den Urlaub fliegen, stürzt sich der oder die konservative Wutbürger:in genüsslich auf sie. "Doppelmoral!"

Wenn Menschen ein Tempolimit fordern, aber beim Stammtisch ein Schnitzel bestellen, müssen sie sich dumme Sprüche anhören. "Doppelmoral!"

Wenn jemand nachhaltige Klamotten kauft und dennoch ab und zu ein Paket bei Amazon bestellt, sieht man die rollenden Augen der Nachbar:innen. "Doppelmoral!"

Und wenn jemand als TV-Moderator ein bisschen zu viel Geld hat, es auch für klimaschädliche Dinge ausgibt und dennoch eine Dokumentation über die Klimakrise macht, lässt er sich eben von seinem schlechten Gewissen anrufen. Denn: "Doppelmoral!"

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Excuse me, wir haben 2023! Die Debattenkultur sollte einen Schritt weiter sein. Jede:r sollte verstanden haben: Fleisch, Fliegen, Ferraris – schlecht für die Umwelt. Jede:r, die oder der es besser macht, hilft!

Doch wir müssen endlich aufhören, immer und immer wieder davon auszugehen, dass nur diejenigen um Verbesserungen fürs Klima bemüht sind, die ein ökologisch perfektes Leben führen. Denn dann werden wir nie vorankommen. Diesen Fehler machte auch Joko Winterscheidt, indem er sich fast schon reflexartig für etwas zu entschuldigen wollte, wofür er sich nicht entschuldigen muss.

Wir brauchen eine Stimmung, in der man sich ernsthaft bemühen kann, deutlich weniger Fleisch zu essen, ohne sich dafür schämen zu müssen, dennoch in den Urlaub zu fliegen. Wir brauchen ein Mindset, das zugesteht, dass Millionen Menschen ihr Auto brauchen, um ins Büro zu kommen – auch wenn es die Fahrer:innen selbst vielleicht gar nicht gut finden. Kurz gesagt: Wir brauchen eine gesellschaftliche Akzeptanz der kleinen Schritte für Menschen wie dich, mich und auch Joko Winterscheidt.

Das gilt ausdrücklich nicht fürs große Ganze. Für Regierungen sollte die Strategie der kleinen Schritte längst vorbei sein. Wir brauchen Investitionen, Regeln und Steuern, die unsere Gesellschaft in die einzig mögliche Richtung lenken, die das Überleben der Menschheit auf der Erde sichert. Auch wenn die FDP, die Union und die AfD bei solchen Forderungen (wegen teils unterschiedlicher Teilaspekte) Schnappatmung bekommen.

"Einem Joko Winterscheidt hören auch Menschen zu, die keinen Bock auf Luisa Neubauer haben."

Dann nämlich würde die eine oder andere Person vielleicht auch größere Schritte machen. Weil Fliegen teurer als die Bahn wäre. Weil Fleisch nicht mehr günstiger wäre als manche Gemüsesorte. Weil der Führerschein weg wäre, wenn man sich nicht ans Tempolimit hält. Weil Firmen keinen Gewinn mehr machen würden, wenn sie für die Folgekosten ihrer Produktionen für die Umwelt zur Kasse gebeten werden würden.

Dafür kann aber Joko Winterscheidt nichts. Er hat eine Dokumentation rausgehauen, die eindrucksvoll zeigt, wie groß die Herausforderungen sind; die nicht belehrt, sondern aufschlaut; die Lösungswege aufzeigt und nicht verschweigt, wie weit entfernt die Ziele noch sind.

Vor allem aber hat er seine maximale Prominenz genutzt. Einem Joko Winterscheidt hören nämlich auch Menschen zu, die keinen Bock auf Luisa Neubauer haben. (Doof für sie, dass Luisa auch in einer Folge zu sehen ist.)

Es mag vielleicht nicht für unsere Gesellschaft sprechen, aber man muss davon ausgehen, dass einem Joko am Ende mehr Klimaleugner:innen glauben als einem Robert Habeck.

Allein deshalb verdient diese Dokumentation Respekt. Weil es sie in dieser Form zumindest in Deutschland noch nicht gegeben hat. Erst recht nicht mit einem derart prominenten Gastgeber. Schade, dass man so etwas nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen bekommt. Da waren die Milliarden Päckchen, die Amazon Jahr für Jahr verschickt, wohl doch noch für etwas gut.

Wer Joko Winterscheidts Podcasts seit einigen Jahren hört, der konnte nahezu live miterleben, wie er mehr und mehr ein Gefühl für Themen des Klimaschutzes entwickelt hat. Während er, gemeinsam mit Klaas Heufer-Umlauf, immer wieder auf gesellschaftliche Missstände hingewiesen hat.

Die nun veröffentlichte Doku war demnach der folgerichtige Schritt. Es ist an der Zeit, das schlechte Gewissen zu begraben. Und die eigene Reichweite noch öfter für solche Projekte zu nutzen. Es kann nur helfen.

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