Das erste Mal, dass ich mit Bridget Jones in Kontakt kam, war im Bücherschrank meiner Mutter. Sie hatte es geschenkt bekommen und ihr Urteil war vernichtend.
"Ein dämliches Buch", schimpfte sie, als ich es aus dem Regal zog. "Es geht um diese kettenrauchende Alkoholikerin, die jeden Tag notiert, ob sie ein Kilo ab oder zugenommen hat. Ich frage mich, wer so einen Unsinn liest."
Nur gut, dass es nicht meine Mutter war, die Manuskripte für Verlage sichtet, denn: Bridget Jones entwickelte sich 1999 zum Mega-Bestseller. Sowohl als Buch, als auch im Kino ließ die Geschichte einer Britin, die ihr Leben zwischen Selbstzweifeln und Fettnäpfchen fristete, die Kasse klingeln.
Auch ich amüsierte mich über Bridgets Vorsätze ("Unbedingt 10 Kilo abnehmen. Schlüpfer vom Vortag immer gleich in den Wäschekorb tun"). Staune jedoch heute über die Menge an sexueller Belästigung, Bodyshaming und Misogynie, die Zuschauer:innen damals noch akzeptabel, ja sogar witzig fanden.
Jetzt, 24 Jahre nach dem ersten Film "Schokolade zum Frühstück" ist der vierte Teil im Kino. In "Bridget Jones – Verrückt nach ihm" blamiert sich Bridget ab dem 27. Februar erneut auf der großen Leinwand.
Wir haben in der Zwischenzeit dazugelernt in Sachen Selbstrespekt. Bridget auch? Für watson schauten wir den Film und fassen Handlung und Kritik zusammen.
Wer Bridget Jones nicht kennt, dem sei kurz erklärt: Die Story folgt dem RomCom-Konzept von einer tollpatschigen, liebenswerten Frau, die zwischen zwei heißen Männern entscheiden darf.
Und weil dieses Rezept schon für Bridget Jones 1 (Mark vs. Daniel), Bridget Jones 2 (Mark vs. Daniel) und Bridget Jones 3 (Mark vs. Jack) funktionierte, wurde es – Überraschung! – auch bei Bridget Jones 4 angewendet (Mr. Walliker vs. Roxter).
Der Erfolg der Kult-Britin sagt viel über das Millennium aus. Eine Epoche, in der die 19-jährige Britney Spears zu ihrer Jungfräulichkeit befragt wurde (2000) und männliche Radiomoderatoren Anna Nicole Smith zur Belustigung auf die Waage stellen wollten (2002).
Bridget war ein Kind dieser Zeit. Und ihre Über-Awareness der eigenen Unzulänglichkeit (sie fühlte sich stets zu dick oder ungebildet) konnten viele Frauen nachvollziehen. Sie wurde von Arschgrabschern und Snobs abgewertet und schämte sich für ihre Oma-Unterhosen.
Wir lachten darüber.
Aber eigentlich war es zum Heulen.
Zum Schluss des Films freuten wir uns. Denn Bridget war "unperfekt" und wurde dennoch geliebt. Hurra! Was völlig normal sein sollte, wurde uns als Heldentat verkauft.
"Ich mag dich, so wie du bist", sagte ihr Verehrer Mark Darcy und Bridgets Freund reagierten auf dieses Liebesgestammel mit aufgerissenen Augen: "Wie du bist?! Nicht dünner, schlauer oder mit größeren Brüsten?!"
Als ob sie unfassbares Glück habe, dieses bare minimum von einem Mann gesagt zu bekommen.
Dabei ist Bridget sogar ein richtig guter Fang. Wenn sich eine 30-jährige Blondine mit Wohnung in der Innenstadt Londons und einem Job beim TV minderwertig fühlt – was sollen dann alle anderen sagen?!
Auch im neuen Film wird Bridgets Versagen ausgeschlachtet. Nun aber in ihrer Rolle als Mutter. Sie ist inzwischen 51 Jahre alt. Nachdem sie zur Witwe wird (Goodbye, Mr. Big Mark Darcy), verliert sie den Boden unter ihren Füßen, fackelt Spaghetti an und bringt ihre zwei Kinder im Pyjama zur Schule.
Dort grollt sie "perfekteren" Müttern – und klettert später auf einen Baum, von dem sie ein 29-Jähriger klauben muss. Die anschließende Affäre der beiden führt dazu, dass Bridget sich ihrem Alter noch bewusster wird und sich mit Boomer-Emojis beim Flirten blamiert.
Ich lachte darüber.
Aber eigentlich war es zum Heulen.
Weil es zeigt: Vielleicht zählen wir keine Kilos mehr und erlauben dem Chef nicht unseren Rock zu kommentieren – aber Frauen werden immer noch abgewertet und werten sich auch selber ab. Zum Beispiel, wenn sie als Mutter ins Schleudern kommen oder "zu sehr" in der Mutterrolle aufgehen, wenn sie altern oder gegen das Alter ankämpfen.
Schade, dass nicht mal eine Romanfigur diese brutale, weibliche Erfahrung überwinden darf. Immerhin findet das elende Gewichts-Shaming, welches zu Recht für öffentliche Kritik sorgte, ein Ende.
Denn Bridget Jones wurde stets als pummelig verlacht, obwohl sie nur 60 Kilo wog. Täglich notierte sie zudem ihre Kalorienzufuhr, Alkoholeinheiten und Zigaretten. An keiner Stelle in den Filmen wurde diese Unart als das bezeichnet, was es war: toxischer Irrsinn! Stattdessen wurde Bridget in das unsägliche Klischee der witzigen Dicken gedrückt.
In "Verrückt nach ihm" wird das Thema Gewicht nicht mehr erwähnt. Doch sinniert Bridget mit Kolleginnen darüber, welche Kleidung älteren Frauen steht ("Arme, Beine und Dekolleté bleiben am längsten vorzeigbar") und versucht sich die Lippen mit einer illegalen Substanz aufzuplustern – was nach hinten losgeht.
Merke: Über Gewicht wird ab jetzt nicht mehr gelacht, über alternde Frauen und Beauty-OPs aber doch.
Das Problem bei der Sache ist: 2001 wurde mir im Kino eine erwachsene Frau präsentiert, die ihren Wert über die Kilos auf der Waage und den Mann an ihrer Seite definierte. Ich nahm das so hin. Bridget war jung und ich wusste es auch nicht besser.
Doch heute, 2025, fällt es mir schwer, Bridget zu verstehen. Warum geht sie immer noch so hart mit sich ins Gericht? Ist sie nie zur Therapie gegangen? Haben ihre schnuckeligen Kinder, Marks' Liebe und ihre Karriere gar nichts mit ihr gemacht? Girl, wo ist dein Selbstwert?!
Bridget wohnt in einem Townhouse mit Garten, hat Freund:innen und eine Nanny, die ihr einen romantischen Liebessommer und die Rückkehr in eine Ü50-Karriere ermöglicht. Die meisten Witwen haben dieses Glück (und Geld!) nicht.
Zusammen mit der ihr eigenen "Fuck it"-Attitüde, sollte Bridget mehr sein als eine Frau, die sich in Grund und Boden schämt, nur weil ihr Broschüren über Geschlechtskrankheiten aus der Tasche fallen.
Interessant, dass ausgerechnet Badboy Daniel Cleaver (Hugh Grant) sie darauf hinweist, als er im neuen Film sinngemäß sagt: "Du führst bereits ein glückliches Leben, Bridget. Sieh' dich doch um! Ich habe diesen Punkt nie erreicht."
Ich heulte darüber.
Aber eigentlich war es zum Lachen.
Ausgerechnet Daniel, der "emotionale Flachwichser und Perverse" (Bridgets' Worte) als Stimme der Vernunft. Ein notorischer Fuckboy begreift, dass sein sexistischer Mist von 2001 geradewegs in die Einsamkeit geführt hat, während Bridget das Glück vor der eigenen Nase nicht erkennt? Immerhin hat eine Person in den vergangenen 24 Jahren dazugelernt. Ich wünschte nur, es wäre Bridget gewesen.
Fans können den Weg ins Kino trotz aller Kritik guten Gewissens wagen. Auch wenn meine Liebe zu Bridget einen Dämpfer verpasst bekommen hat, gilt das nicht für ihr Londoner Universum. Das Widersehen mit ihren schrulligen Eltern, sowie das Set-Design ist eine reine Freude. Auch Emma Thompson und Hugh Grant sind grandios.
Dann gibt es noch einen Moment, in dem Leo Woodall im weißen Shirt in einen Pool springt, einen Hund vor dem Ertrinken rettet und tropfend in Zeitlupe wieder heraussteigt. Diese Szene ist 12 Euro Kinogeld wert.
(Noch-)Nicht-Fans rate ich, das Geld zu sparen und in eine Flasche ein Glas Rotwein und "Schokolade zum Frühstück" zu investieren. Im Pyjama und mit "All By Myself" selbstredend. Kult bleibt Kult.