Am 14. November 2019 startet ProSiebens neue Show "Queen of Drags". Die Jury, bestehend aus Castingshow-Veteranin Heidi Klum, ihrem Schwager Bill Kaulitz und Eurovision-Song-Contest-Gewinner Conchita Wurst, will darin in Anlehnung an das US-amerikanische "RuPaul's Drag Race" Deutschlands talentierteste Drag Queen küren.
So weit, so gut – die Frage, die sich viele potentielle Zuschauer nun allerdings stellen, ist berechtigt: Was legitimiert ausgerechnet diese Jury, sich dazu eine Meinung bilden zu dürfen und zu können?
Vergleicht man die derzeitige Jury des US-Vorbilds mit der des deutschen Pendants, stellt man schnell fest: "Queen of Drags" scheint in seiner Besetzung mehr auf Bekanntheit zu setzen als darauf, seine Kandidaten von einer queeren Jury, geschweige denn echten Drag Queens, bewerten zu lassen.
Drag-Ikone RuPaul scharte in den bisherigen elf Staffeln stets offen queere oder der queeren Community nahestehende Jury-Kollegen um sich. In der deutschen Jury hingegen ist zwar mit Conchita Wurst ein Drag-Künstler vertreten – aber Heidi Klum ist nun wirklich kein RuPaul. Insbesondere wegen ihrer teilweise als frauenverachtend kritisierten "Germany's Next Topmodel"-Vergangenheit ist ihre Besetzung in "Queen of Drags" derzeit ein großer Streitpunkt in den sozialen Netzwerken. Eine Petition mit dem Titel "Kein Foto für Heidi" hat inzwischen mit ihrer These, Heidi Klum sei allein schon aufgrund ihrer fehlenden Erfahrung mit der Drag-Szene eine Fehlbesetzung, fast 27.000 Stimmen gesammelt.
Seit ProSiebens Ankündigung von "Queen of Drags" im Juni hat die Kritik am Heidi-Klum-Projekt nicht nachgelassen. Anstatt allerdings auf die vielen lauten Stimmen einzugehen, wählt der Sender nun selbst eine Offensivtaktik.
Twitter-User Guiseppe kritisierte die Jury so: "Ja... eine heterosexuelle cis Frau; ein heterosexueller cis Mann und Conchita Wurst (which, iconic). also ja, underwhelming". ProSieben schaltete daraufhin in den Angriffsmodus und konterte zickig: "Kurz angemerkt: Wir gehören im Gegensatz zu Ihnen nicht zu denen, die andere Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Geschlechts beurteilen und verurteilen".
Anstatt auf die Kritik der potentiellen Zielgruppe – dass neben Conchita Wurst eben kein Juror aus der Drag-Szene stammt – einzugehen, warf ProSieben diversen Fans vor, Klum und Kaulitz wegen ihrer Sexualität und/oder ihres Geschlechts zu diskriminieren... und verfehlte damit den Punkt der Fan-Kritik.
ProSieben äußerte sich gegenüber watson zu der Petition so:
Unter jedem ihrer Posts – insbesondere denen zu "Queen of Drags" – finden sich zahlreiche Kommentare, die ihr vorwerfen, von der derzeitigen Popularität von "RuPaul's Drag Race" profitieren zu wollen, oder die befürchten, ein Heidi-Klum-Produkt könne nie an das Niveau des Originals herankommen.
Bruce Darnell, Ross Anthony, Guido Maria Kretschmer, Harald Glööckler – einen Mangel an prominenten queeren Alternativen gäbe es tatsächlich nicht; und Deutschlands wohl berühmteste Drag Queen, Olivia Jones, verkündete sogar schon vor einigen Jahren, dass sie sich darüber freuen würde, Teil eines deutschen Ablegers von "RuPaul's Drag Race" zu sein.
Warum also nicht sie? Heidis Vater Günther Klum sagte auf die Kritik an der Rolle seiner Tochter in dieser Sendung in der "Hamburger Morgenpost", ProSieben wolle seinen Worten zufolge auf ein international bekanntes Gesicht nicht verzichten.
Immerhin ist Olivia Jones in der ersten Folge "The Art of Drag" zu sehen. Deutschlands wohl bekannteste Drag Queen unterstützt die Jury also als Gast.
Watson fragte bei ProSieben nach. Der Sender begründet die Besetzung der Jury mit den Worten: "Jeder hat Spaß an Entertainment und Verwandlung." Die Mitglieder der Jury hätten absolut die Kompetenz die Rolle auszufüllen. "Dafür muss man nicht unbedingt queer oder eine Dragqueen sein", so eine ProSieben-Sprecherin gegenüber watson.
Die Gemüter gehen hier auseinander. Während sich unter ProSiebens Post noch Heidis Posts die Mehrzahl der Kommentierenden nicht auf die neue Show zu freuen scheint, geht der Sender mit Gelassenheit in die Ausstrahlung.
Mitarbeit: Lisa Neumann