Kurz vor dem Jahrestag des Angriffs auf die Ukraine, ist Russlands Krieg das beherrschende Thema. Aber es geht auch noch ein bisschen um die Wiederholungswahl in Berlin bei Sandra Maischberger, die diesmal folgende Gäste begrüßt:
Der ehemalige deutsche Botschafter in Russland, Rüdiger von Fritsch, gesteht nach einem Jahr Krieg: "Es tut mir auch unendlich leid um Russland." Putin nehme ein ganzes Land in Geiselhaft und lade ihm große Schuld auf. Vielen Russen sei das sehr bewusst, sagt der Botschafter mit vielen Kontakten ins Land.
Was Friedensinitiativen wie das Manifest von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer in Bezug auf Wladimir Putin angeht, ist er mehr als skeptisch. "Der denkt nicht in den Kategorien der Argumentation dieses Manifests, das da aufgeschrieben ist." Eine Aufgeben der Ukraine würde der russische Präsident "ausschließlich als Ermutigung zur Fortsetzung sehen", quasi "als Signal: Gewalt lohnt sich". Der Westen müsse die Ukraine "geschlossen und entschlossen" weiter unterstützen, damit es überhaupt zu Verhandlungen für einen "gerechten Frieden" komme könne.
Der Militärexperte Carlo Masala glaubt, die derzeitigen Angriffe der Russen sind schon die lange befürchtete, nun vorgezogene Frühjahrsoffensive der russischen Armee. Bevor die europäischen Panzerlieferungen in der Ukraine ankommen und auch bevor das Wetter dafür sorgt, dass das Gelände zu schlammig für schweres Gerät wird.
Der Osten der Ukraine sei hart umkämpft. Für die Situation wählt er ein drastisches Bild:
Ukraine und Russland wollten dort so viele Menschen der Gegenseite töten wie möglich. Strategisch sei die Stadt eher von untergeordneter Rolle. Für die Ukrainer sieht er im Süden eher eine strategische Wichtigkeit. "Wenn Russland befürchten muss, dass es die Krim verliert, kann das zu einem Umdenken in Russland führen." Zum "Manifest für den Frieden" von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer sagt er: "Zu fordern, beide Seiten müssen Kompromisse machen, ist eine Unverschämtheit", das sei "Ausdruck eines übelsten Nationalpazifismus".
Auf den Einwand von Maischberger, dass bei den Kampfhandlungen jeden Tag Menschen sterben, antwortet er lakonisch: "Es gibt keinen sauberen Krieg – im Krieg sterben Menschen."
Der Musiker Marius Müller-Westernhagen erzählt, dass er einen seinen größten Hits, "Freiheit", in Paris geschrieben hat. Und die Textzeile "sollen tanzen auch auf Gräbern" wurde von einem Stadtführer inspiriert, der von der französischen Revolution erzählt hat. "Der Song ist im Grunde sarkastischer als er vielen erscheint."
Dass die Querdenkerszene den Song bei den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen benutzt hat, fand er nicht gut. Er hat das damals mit einem Foto gekontert, das ihn bei der Impfung zeigt. "Ich habe mir den Song ganz gut zurückgeholt." Lange hat er "Freiheit" nicht gespielt, aber zuletzt dann wieder bei einem Konzert für die Ukraine. "Bei der Ukraine habe ich mich verpflichtet gefühlt, einfach, um den Leuten Kraft zu geben." Zwar steht für Westernhagen außer Frage, dass Putin die Schuld am Krieg trägt, aber seine Sicht aufs Geschehen hält er dann doch für vielschichtiger als es in Deutschland verbreitet sei. Ganz deutlich übt er Medienkritik.
Eine Zeit lang war er mit dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder befreundet. Zu dessen 60. Geburtstag hat er Wladimir Putin getroffen. Westernhagen gesteht: "Er hat mir Angst gemacht." Bei Putin seien "Macht und diese Rücksichtslosigkeit sehr genau erkennbar" gewesen. Vielleicht nur schlechtes Benehmen, aber Westernhagen ist auch in Erinnerung geblieben, dass Putin seine damalige Ehefrau nicht vorgestellt habe. Für ihn war die Begegnung mit dem ehemaligen KGB-Agenten unheimlich: "Wenn er dich verschwinden lassen möchte, wird es möglich sein", so der Eindruck des Musikers.
Gerhard Schröder sei für ihn "einer der wirklich großen Kanzler" gewesen. Aber natürlich bewege sich Politik, formuliert er ziemlich schwammig, dass er offenbar nicht mit allen Handlungen Schröders nach dessen politischer Karriere einverstanden war. "Alle haben nicht verstanden, warum er sich in diese Position begeben hat", sagt er deutlicher zu Schröders Jobs in russischen Staatskonzernen.
Aber mittlerweile hat er eine Erklärung dafür gefunden: Entlohnung und charakterliche Disposition von Menschen, die in die Politik gehen.
Rund um den Ukraine-Krieg gebe es seiner Meinung nach zu wenig Kommunikation. "Ich hätte mir als Bundesregierung gedacht, wir krallen uns den Schröder und schicken ihn dahin." Der Ex-Kanzler hat ja auf eigene Faust probiert zu vermitteln, ist aber gescheitert. Westernhagen hat aber noch einen anderen Vorschlag: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel sollten sich zusammentun und die Amerikaner dazu bewegen "mit Herrn Putin zu reden". Allerdings ist er skeptisch, was den Erfolg angeht: "Ich glaube nicht, dass die Amerikaner das Rieseninteresse haben, dass der Krieg so schnell beendet wird." Schließlich würde man damit Geld verdienen, außerdem hätten sie so "die Europäer wieder an der Leine". Für ihn steht fest: "Die Kriegseuphorie – auch in den Medien – kotzt mich an."
Nicht wenige Zuschauer bringt Westernhagen mit seinen Aussagen zum Kopfschütteln.
Mit ihren drei journalistischen Kommentatoren spricht Maischberger lange über den Ausgang der wiederholten Berlin-Wahl, bei der die CDU enorm gewonnen und die regierende Koalition aus SPD, Grünen und Linken Prozente verloren hat. ZDF-Moderator Theo Koll glaubt, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass SPD-Bürgermeisterin Franziska Giffey nach den Verlusten "gegangen wird von ihrer Partei". Aber noch säge niemand an ihrem Stuhl. Er glaubt nicht, dass die SPD sich "als Juniorpartner unter der CDU" einsortiert. In seinem Blick sieht es also eher nach einer Fortführung von Rot-Grün-Rot aus.
"FAZ"-Redakteurin Helene Bubrowski fragt: "Kann ein Dreierbündnis, wo alle drei Parteien verloren haben, einfach so tun, als ob nichts passiert sei und einfach so weitermachen?" Mit dem Blick auf die Wahlkarte von Berlin, die zeigt, dass die Innenstadt Grün gewählt hat und die Außenbezirke CDU, bemängelt sie, dass der Senat lange so regiert habe, als sei ganz Berlin "eine Mischung aus Berlin-Mitte und Kreuzberg" mit den entsprechenden jungen Szene-Großstadt-Anliegen. Sie glaubt, eine neue Koalition muss her. "Man kann nicht am Wählerwillen vorbei einfach so weitermachen."
Ex-"Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust hat einen anderen Blick auf die Parteienlandschaft: Grüne und Linke seien letztendlich Schattierungen der SPD und damit habe die Koalition ja ganz stabile Prozente. Vor Jahrzehnten hätten die Wähler aller drei Parteien die SPD gewählt, weil es die anderen noch nicht gab. "Wählerpotential spaltet sich auf." Das gleiche gelte letztendlich auch für die Unionsparteien und die AfD. Darum ist für ihn ein Weiter-so-wie-bisher als Berliner Regierungskoalition völlig in Ordnung.
(Ark)