Nach dem CDU-Parteitag am Wochenende hat sich Markus Lanz den gutgelaunten Parteivorsitzenden Friedrich Merz eingeladen. Der hatte am Wochenende ein bisschen über die Öffentlich-Rechtlichen und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gespöttelt, die CDU hatte für die innerparteiliche "abgestufte Frauenquote" gestimmt. Allesamt Lieblingsthemen von Lanz. Dazu hat sich der Moderator dann noch zwei weitere Gäste ins Studio geladen:
Die Stimmung ist heiter. Als Markus Lanz amüsiert von seinen eigenen Formulierungen von seiner Anmoderationskarte vorliest, dass Friedrich Merz im Krankenhaus seinen Schlüsselbeinbruch ausgerechnet mit sechs grünen Schrauben fixiert bekommen hat, lacht der CDU-Vorsitzende.
Denn momentan lässt er kaum eine Gelegenheit aus, um gegen die Grünen zu sticheln. Am Wochenende hat er beim Parteitag der CDU seinen Parteikollegen aus dem Kinderbuch "Kleine Helden, große Abenteuer" von Wirtschaftsminister Robert Habeck vorgelesen. Darin geht es auch um einen nächtlichen Stromausfall, den ein kleines Mädchen aufregend findet.
Für Merz ein gefundenes Fressen: Angesichts der Energiekrise hat das heute einen seltsamen Beiklang, aber das konnte Habeck beim Schreiben nicht ahnen. "Ist das das Niveau?", fragt Markus Lanz Merz auch, nachdem er den Ausschnitt gezeigt hat, wie Merz sich über das Buch mokiert. Und Merz antwortet unbeirrt: "Sie sind ja gut drauf, heute Abend." Lanz bekräftigt amüsiert: "Ich gebe alles."
Als Lanz anmerkt, dass Habeck und seine Frau Andrea Paluch ein Leben vor der Politik hatten, parallel zu ihren Kinder-Büchern und Übersetzungsaufträgen Doktorarbeiten geschrieben und vier Söhne groß gezogen haben, antwortet Merz mit einem Satz, wie er fast nur von ihm kommen kann:
Und außerdem habe seine Rede habe ja auch aus mehr bestanden als aus diesem leichten Habeck-Seitenhieb.
Wohl wahr. Beim Parteitag hat Merz auch spöttisch "die 58 Redakteure des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" gegrüßt, die sich zu der Veranstaltung akkreditiert waren und angekündigt, sich "besonders liebevoll mit Ihnen zu befassen". Und das wiederholt er nun gern bei Lanz. Sein erstes Ärgernis am öffentlich-rechtlichen TV: das Gendern. Merz wettert:
Im privaten Bereich und bei privaten Sendern könne das jeder machen wie er wolle. Aber nicht in den gebührenfinanzierten Sendern, findet Merz. Denn 80 Prozent der Deutschen würden das Gendern ablehnen, behauptet er. "Ich gendere nicht", sagt denn auch Lanz und bekennt, dass er sich weigern würde, wenn man ihn dazu auffordern würde. Und Merz ruft ihm zu: "Glückwunsch".
Robin Alexander, stellvertretender Chefredakteur bei "Die Welt", stimmt Merz beim Thema Gendern zu, vor allem, was die Akzeptanz beim Publikum angeht. "Ich arbeite ja auch mit Sprache und ich muss sagen: Die Leute hassen es." Den Grund sieht er in einer Verunsicherung durch die Veränderung der Sprache. Er zitiert den Soziologen Armin Nassehi, der die These vertritt, dass man sich "in der Sprache wohlfühlen" wolle. Wenn der allgemeine Veränderungsdruck so groß wie im Moment sei, schmerzten Veränderungen in der Sprache noch viel mehr.
Merz' zweiter Punkt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist für ihn die einseitige politische Ausrichtung:
Das fragt er, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. Als Beleg seiner These zieht er eine ältere und nicht repräsentative Umfrage heran, bei der 92 Praktikant:innen bei öffentlich-rechtlichen Sendern angegeben haben, sie hätten SPD, Linkspartei oder die Grünen gewählt. Für ihn ein Zeichen, dass die Öffentlich-Rechtlichen in eine politische Richtung tendieren. Markus Lanz versucht gegenzureden, aber kommt gegen Merz nicht wirklich an.
Der nächtste Punkt wurde zuletzt durch die Enthüllungen um die rbb-Intendantin Patricia Schlesinger und ihre kostspielige Büroeinrichtung sowie den Dienstwagen mit Massagesitzen befeuert. "Das Problem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks liegt in den aufgeblähten Strukturen", findet Merz, "kein privatwirtschaftliches Medienunternehmen würde sich so aufstellen. Und es fehlt an Kontrolle und Transparenz. Es wäre gut, wenn ARD und ZDF den Reformbedarf selbst sehen." Lanz' versuchter Konter, dass der Bundestag ebenfalls zu groß sei, verläuft da eher im Sande. "Was sind 736 Abgeordnete im Vergleich zu Hunderttausenden bei den Öffentlich-Rechtlichen?", fragt Merz, räumt aber ein, dass man den Bundestag wirklich verkleinern müsse.
Dann geht es zum Gedankenspiel Merz als Kanzler. Dem stellt sich der Oppositionspolitiker nur zu allzu gern. Von Waffen für die Ukraine bis zum Gaspreis fragt Lanz alle aktuellen Punkte ab.
"Ich hätte die Exportgenehmigung für die Marderpanzer, die auf den Höfen der Industrie stehen, erteilt. Die Ukraine ist erstaunlich gut aufgestellt, aber wir hätten mehr tun können", kritisiert Merz den amtierenden Kanzler. Olaf Scholz (SPD) hat gleich zu Anfang des Krieges eine Zeitenwende versprochen. "Diese Zeitenwende muss dann aber auch durch Handeln unterlegt werden", fordert Merz ein.
In der gegenwärtigen Energie-Krisensituation würde Kanzler Merz die Energie zur Chefsache machen und die AKW bis Ende 2024 weiterlaufen lassen. Denn er glaubt: "Es droht ein Blackout."
Was die Pläne zu einer Übergewinnsteuer angeht, ist er skeptisch: "Ich bin vom Ergebnis nicht dagegen, ich sehe nur keinen Weg, der rechtsstaatlich eindeutig geht." Man müsse vermutlich die Unternehmen an den Tisch holen und gemeinsam eine einvernehmliche Lösung finden, glaubt Merz.
Statt der Gasumlage hätte er lieber einen Schutzschirm über konkret bedrohten Unternehmen aufgespannt. Er hätte über einen Deckel beim Gaspreis im Großhandel nachgedacht und das Merit-Order-Prinzip, bei dem sich der Strompreis nach dem teuersten Erzeugungsweg richtet, nochmal überdacht.
Und dann pirscht sich Merz auch an ein letztes Tabu in der Energiepolitik heran: Fracking in Deutschland. Mittlerweile gebe es Fracking Methoden, "die sehr umweltschonend sind, aber auch teurer". Er findet: "Dort, wo es abbaubar wäre, müssen wir es erwägen." Weil die hiesigen Gasvorkommen mehrere Jahre reichen würden und Deutschland ja ohnehin Fracking-Gas aus anderen Ländern kauft.
Dass das nicht geschehe, sieht er daran, dass im Umweltministerum nun "eine starke Öko-Lobby" sitze.
Nicht wirklich stolz ist er offenbar auf das Bekenntnis der CDU zur Frauenquote beim Parteitag. Es sei ja nur "ein Minimalschritt nach vorne", sagt Merz. Aber CDU-Beobachter Robin Alexander findet, nicht zuletzt am Beispiel Angela Merkels: Die CDU sei "wesentlich erfolgreicher als die Grünen, Frauen ganz nach oben zu bringen".
Die einzige Frau in der Runde kommt angesichts der dominanten Männer trotz aller Expertise kaum zu Wort: ifo-Ökonomin Karen Pittel glaubt, dass ein Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke zur Netzstabilität beitragen würde und Deutschland auch politisch im europäischen Zusammenspiel gut stünde. "Für die Preise bringt das aber nicht viel, auch bei der Einsparung von Erdgas nicht."
Allerdings stünde auch ohne AKW nicht unbedingt ein Blackout bevor, widerspricht sie Merz. Der komme allenfalls nach einer Verkettung von unglücklichen Umständen. Recht gibt sie Merz dann beim Fracking, auch wenn sie betont: "Aber das ist nichts, was in der aktuellen Situation helfen wird."
(Ark)