Pandemie ohne Politik – erst sorglos, jetzt planlos? Diese Frage diskutierte Maybrit Illner am Donnerstagabend mit ihren Gästen. Rede und Antwort musste dabei vor allem FDP-Vize Wolfgang Kubicki stehen. Denn: Seine Partei und ihre mutmaßlichen Ampel-Koalitionspartner wollen, dass die epidemische Lage von nationaler Tragweite trotz steigender Infektionszahlen nicht weiter bestehen bleibt.
Das waren die Gäste bei „Maybrit Illner" am 11. November 2021:
"Die Notlage abschaffen in größter Not", fasste Illner diesen Vorstoß zusammen und wollte wissen, ob das eine politische oder ideologische Entscheidung sei? Jurist Kubicki wies darauf hin, dass es sich überhaupt nicht um eine Abschaffung handele, sondern besagter Sonderstatus zum 25. November sowieso auslaufe.
Die Union habe die Chance gehabt, im Bundestag eine Verlängerung der epidemischen Lage anzuregen, das aber nicht getan, so der FDP-Vize. Aus seiner Sicht ergebe es auch keinen Sinn, den von der aktuellen Regierung eingeschlagenen Kurs weiterzuverfolgen. Kubicki erklärte:
Es werde ein vernünftiges Gesetz zu den Corona-Maßnahmen geben, so der FDP-Mann zuversichtlich. Das setze unter anderem verstärkt auf Corona-Tests. "Nicht gewollt" seien hingegen ein weiterer flächendeckender Lockdown sowie Ausgangssperren. Maßnahmen seien laut Kubicki "rechtswidrig".
Auch sprach er sich für eine Befristung von Regeln aus. Sie sollten nicht "auf Vorrat" und "ohne parlamentarische Beteiligung" eingeführt werden, so der Liberale. Stattdessen könne der Bundestag innerhalb von 48 Stunden reagieren und gesetzliche Maßnahmen ändern, sollte die pandemische Lage kritisch werden, so Kubicki.
Ganz anderer Meinung als er war CDU-Mann Michael Kretschmer. Es gebe kein Ende der Pandemie, sagte der Ministerpräsident von Sachsen am Donnerstagabend und wurde noch deutlicher: Aus seiner Sicht werde die vierte Corona-Welle alles Bisherige in den Schatten stellen. Zu den von den Ampel-Partnern vorgesehenen Änderungen des Infektionsschutzgesetz erklärte er:
Mit Blick auf zukünftige Schritte in der Pandemie-Bekämpfung bekannte Kretschmer bei Illner außerdem: "Einen Lockdown kann man nicht ausschließen", wenn die Situation eskaliere. Die 2G-Regelung allein reiche nicht aus, weitere Instrumente wie Kontaktbegrenzungen und kostenlose Bürgertests seien notwendig.
Kubickis Sticheleien gegen seine Partei, wies Kretschmer mit den Worten ab: "Ich sage nur Hochmut kommt vor dem Fall." Überhaupt lösten Schuldzuweisungen kein Problem, sondern verunsicherten nur die Bevölkerung.
Uneinigkeit herrschte am Donnerstagabend nicht nur zwischen Kubicki und Kretschmer. Gegenwind spürte der FDP-Vize auch von Juristin Anika Klafki. Die Juniorprofessorin für Öffentliches Recht wies Kubicki darauf hin, dass sie es "seltsam" finde darüber zu diskutieren, wer Schuld an der aktuellen Lage habe, wenn täglich Menschen sterben. Ihre Meinung:
Aus ihrer Sicht ergebe es auch keinen Sinn, dass die FDP auf der einen Seite die CDU-Maßnahmen als nicht ausreichend kritisierte und gleichzeitig eine "mildere Rechtsgrundlage" schaffen wolle. Die vorgelegten Maßnahmen könnten aus ihrer Sicht nicht "glaubhaft" machen, dass sie eine vierte Welle brechen könnten, kritisierte die Juristin.
Kubicki verwies angesichts der Kritik an weniger Corona-Maßnahmen darauf, dass es zwar in einigen Regionen und Kommunen "massive Überbelastungen" gebe, nicht aber im Gesundheitssystem insgesamt.
Besser weg kamen er und seine Partei am Donnerstag bei einer Analyse durch "Focus-Online"-Journalist Ulrich Reitz: Die FDP habe in den vergangenen Monaten immer schon gesagt, sie wolle raus aus der pandemischen Lage und sei sich insofern treu geblieben, so Reitz. Mithilfe des mutmaßlich Merkel-Nachfolgers Olaf Scholz solle an dieser Front nun schließlich abgeliefert werden.