Es ist die derzeit am heftigsten diskutierte Frage in Deutschland: Sollen schwere Waffen in die Ukraine geliefert werden oder nicht? Während viele Menschen glauben, dass die Ukraine im Kampf gegen Russland die volle Unterstützung des Westens braucht, haben andere Angst, dass sich der Konflikt zum Dritten Weltkrieg ausweiten könnte. "Es ist die Angst vor dem atomaren Erstschlag, die die Menschen bewegt", sagt Markus Lanz zu Beginn seiner ZDF-Talkshow am Dienstagabend. Diskutiert wird im Anschluss energisch. Einig wird sich die Runde nicht. Das waren die Gäste bei "Markus Lanz" am 10. Mai:
Damit vertritt Pohlmeier die exakt gegensätzliche Position zu Anton Hofreiter. Weshalb es von Beginn an Zoff in der Talkrunde gibt. Hofreiter berichtet zunächst von seiner Reise in die Ukraine. Dort könne man zwar die deutsche Sichtweise und die Ängste verstehen, aber "nicht diese paternalistische Sichtweise". Damit meint Hofreiter, dass Menschen in Deutschland besser zu wissen glauben, was gut für die Menschen in der Ukraine sei.
"Auch die Aussagen, dass Waffenlieferungen das Leid nur verlängern... da werden die so richtig schlecht gelaunt", erzählt Hofreiter. Die Realität in von Russland eroberten Regionen seien Folter, Vergewaltigungen und getötete Zivilisten. Deshalb müssten dem Grünen-Politiker zufolge die Ukrainer mit schweren Waffen unterstützt werden, um sich und ihre Werte verteidigen zu können.
"Ich befürchte, dass die Ukraine den Krieg nicht gewinnen kann, weil Russland am Ende eine nukleare Option hat", entgegnet daraufhin Pohlmeier. Nun schaltet sich zum ersten Mal die Russland-Expertin Liana Fix ein und widerspricht dem Friedensaktivisten.
Zum einen könne man nicht darauf vertrauen, dass Russland einen eventuell ausgehandelten Waffenstillstand auch respektieren würde, sagt Fix und nennt Syrien als Beispiel. Dann kommt sie auf das Szenario eines Atomschlags zu sprechen. Dieses sollte man zwar nicht völlig ausschließen, da das Risiko für Russland aber sehr hoch sei, hält sie einen Atomschlag für eher unwahrscheinlich. Die Politikwissenschaftlerin hält fest:
Auch Talkmaster Lanz wird nun in Richtung von Pohlmeier energisch. Es sei ein "Spiel mit der Apokalypse", ein Spiel mit der Angst, immer wieder vor einem Atomschlag zu warnen und damit letztlich auch ein Stück weit die "russische Propaganda" wiederzugeben.
"Nein", sagt Pohlmeier.
"Doch", sagt Lanz.
"Nein", sagt Pohlmeier.
"Doch", sagt Lanz.
Dieses Wortgefecht ist kein Einzelfall. Immer wieder reden sich die Gäste am Dienstagabend in Rage und fallen sich ins Wort. Auch Lanz trägt seinen Teil dazu bei, indem er mehrfach die Ausführungen unterbricht. Am Schwierigsten ist die Situation für Pohlmeier, der mit seinem Standpunkt, keine Waffen in die Ukraine liefern zu wollen, alleine dasteht.
Auch der Journalist Michael Bröcker ist gerade erst von einer Reise in die Ukraine zurückgekommen. Dort hat er mit Soldaten, Politikerinnen und Politikern gesprochen. Diese gelte es zu unterstützen. Dass mehr Waffen automatisch mehr Leid bedeuten würden, ist für ihn eine "humanistische Binsenweisheit". "Wenn wir Erfahrungswerte haben, dann doch die, dass sich Putin nicht an Verträge hält. Dass Putin nicht aufhört und im Kern imperialistisch denkt und handelt. Und genau deshalb muss ihm jetzt Einhalt geboten werden", sagt Bröcker.
Man müsse auf die Menschen hören, die in der Ukraine gegen Russland kämpfen, erklärt der Journalist: "Entweder unterstützen wir sie so, wie sie es für richtig halten. Oder wir unterstützen sie so, wie Alice Schwarzer es will. Das finde ich aber fragwürdig."
Was wieder eine Spitze gegen Pohlmeier ist, der den Alice-Schwarzer-Brief unterschrieben hat. Der Mediziner erklärt daraufhin, dass es ihm nicht darum gehe, die Ukraine nicht zu unterstützen. Von seinem Standpunkt, dass die Lösung Diplomatie statt Waffen sein muss, weicht er aber nicht ab. "Putin kann den Krieg stoppen. Das dauert fünf Minuten, diese Entscheidung zu treffen. Wer kriegt den Dreh, das zu erzwingen?", fragt Pohlmeier. "Waffen können das. Das ist der Kern unserer Diskussion", antwortet Bröcker.
Man müsse auch mal die eigene Haltung bis zum Ende durchdenken, sagt Hofreiter. "Was bedeutet es, wenn die Ukraine nicht mehr unterstützt wird?", fragt der Politiker: "Dieser Glaube, dass das System Russland dann zufrieden ist, mit dem was in der Ukraine erreicht wurde, braucht man nach Georgien, nach Syrien und dem ersten Angriff auf die Ukraine nicht mehr zu haben." Stattdessen käme es ziemlich sicher zu einer Ausweitung des Krieges, beispielsweise auf die Republik Moldau, warnte Hofreiter.
Am Dienstagabend wurden bei "Markus Lanz" eine Menge Argumente für Waffenlieferungen aufgezählt. Und auch einige dagegen. Wirklich einig wurde sich die Talkrunde nicht. Was die Situation in Deutschland gut widerspiegelt. Die Diskussionen dürften in den nächsten Tagen und Wochen weitergehen.