Caren Miosga hat sich bei ihrer Sendungspremiere gleich mal Oppositionsführer Friedrich Merz eingeladen, um mit ihm persönlich die Frage "Merz richtet die CDU neu aus – wird Deutschlands Zukunft konservativ?" zu diskutieren.
Dabei hat sich die ehemalige "Tagesthemen"-Moderatorin aber nicht nur den CDU-Chef eingeladen, sondern holt mit dem Soziologie-Professor Armin Nassehi und der "Zeit"-Journalistin Anne Hähnig zwei weitere Gesprächspartner:innen in die Show.
Doch zunächst spricht die Nachfolgerin von Anne Will lediglich im direkten Gespräch mit Friedrich Merz und versucht dem Sauerländer mehrmals zu entlocken, ob er Kanzlerkandidat wird. Der 68-jährige CDU-Politiker verweist darauf, dass man sich dazu erst in diesem Sommer äußern werde. Ein Gespräch mit dem potenziellen Konkurrenten Markus Söder deutet Merz zumindest an.
Moderatorin Miosga befragt Merz zu Sendungsbeginn auch zu den Protesten, die gerade deutschlandweit gegen Rechtsextremismus und ein Erstarken der AfD stattfinden. Der Oppositionsführer sieht darin ein ermutigendes Zeichen und eine Herausforderung für alle demokratischen Kräfte, dass die Alternative für Deutschland nicht noch stärker wird.
Auf die Worte seines Parteikollegen und NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst, der die AfD via X (ehemals Twitter) als Nazi-Partei bezeichnet, angesprochen, lenkt Merz etwas ab. Er weiß auch, dass es in dieser Partei Rechtsradikale gibt. Aber: "Die Gründungsgeschichte der AfD ist eine andere, die Partei ist gekapert worden von Höcke und Co. und das sind Nationalsozialisten."
Der CDU-Politiker weist zugleich darauf hin, dass die Wähler:innen keine Nazis sind, viele können zurückgewonnen werden. Das Beschimpfen der AfD-Wähler:innen als Nazis sei zudem nicht förderlich.
Einen wichtigen Punkt spricht Merz noch in der Debatte um unsere Demokratie an, er wünscht sich mehr politisches Engagement in den Parteien: "Wenn schon etwa ein Zehntel der Demonstrierenden von diesem Wochenende, auch wenn es die SPD ist, einer Partei beitreten, ist uns damit schon geholfen."
Insgesamt geht Miosga mit Merz nicht zu hart ins Gericht, spricht im weiteren Gesprächsverlauf dessen Verhältnis zu Ex-Kanzlerin Angela Merkel an. Er spricht von einem guten Verhältnis, die Tür für sie steht jederzeit offen, auch im Wahlkampf. Er hat aber Verständnis für ihren Rückzug. Die CDU möchte zu ihrem 70. Geburtstag einen Festakt ausrichten, eine Zusage dafür gibt es von Merkel allerdings noch nicht. Ob Merkel das neue Grundsatzprogramm unterschreiben würde, fragt Miosga. Merz nur kurz: "Ich hoffe es."
Miosga probiert nochmal, Merz zur Kanzlerfrage hervorzulocken – mit einem Verweis auf den kürzlich verstorbenen Schäuble, der zu Merz gesagt haben soll: "Sie müssten vollenden, was ihnen versagt blieb". Doch Merz bleibt bei der Sache und spricht nur über sein inniges Verhältnis zum ehemaligen Finanzminister.
Im Anschluss an einen kurzen Beitrag über die CDU-Kommunalpolitik in Thüringen, bei der es für die lokalen Politiker:innen schwer wird, Mehrheiten zu finden, holt Miosga die beiden weiteren Gäste in die Sendung: die "Zeit"-Journalistin Anne Hähnig und den Soziologen Armin Nassehi.
Vor allem Hähnig kritisiert mit ihren ersten Worten gleich Merz, aber auch Kanzler Scholz. Beide haben versucht, bei AfD-Wähler:innen mit einer anderen Haltung zur Migrationsfrage zu Punkten, seien damit gescheitert. Für die Journalistin sind die Wähler:innen der AfD eben nicht "Abgehängte". Ihre Wahl habe einen klaren politischen Grund, das Vertrauen in die etablierten Parteien, Dinge umzusetzen, fehle.
In eine ähnliche Richtung geht Soziologe Nassehi, der von einem Inkompetenz-Vorwurf seitens der Bevölkerung gegenüber der Politik spricht. Es werde für Abschottung votiert, weil man wieder vermeintlich kontrollierte Verhältnisse möchte. Dabei würden auch Verfahren infrage gestellt und die pluralistische Demokratie als Ganzes kritisiert. Das Spiel der AfD werde dabei aber immer wieder mitgespielt.
Hähnig, die immer mehr zu Moderatorin mutiert, da sich Miosga kurz zurückhält, kritisiert dabei vor allem die schwammige Brandmauer der CDU gegenüber der AfD. Da, wie einige Fälle zeigen, die beiden Parteien auf kommunaler Ebene und auch Landesverbände dann doch zusammenarbeiten.
Merz versucht sich damit herauszuwinden, dass auch andere Parteien auf kommunaler Ebene mit der AfD arbeiten, um kommunale Politik überhaupt noch möglich zu machen, geht auf die weiteren Vorwürfe auf Landesebene von der "Zeit"-Journalistin aber nicht ein.
Abschließend wird noch die Problematik in Thüringen besprochen, bei der sich die CDU durch Unvereinbarkeitsbeschlüsse mit der Linken und der AfD in ein Dilemma manövriert hat, ist sich die Runde einig. Merz hingegen will sich mit einem möglichen Ministerpräsidenten Höcke noch gar nicht auseinandersetzen, sondern setzt darauf, dass die CDU die stärkste Kraft bei der Landtagswahl in Thüringen wird.
Nassehi versteht, dass Merz hier so unklar agiert, es sei einfach für die Politik in Deutschland ungewöhnlich, dass mit der Linken und der CDU zwei klare politische Kontrahenten plötzlich Koalitionen bilden müssten. Bei vielen Menschen hinterlässt das für den Professor auch den Eindruck, dass Demokratie nicht funktionieren würde und die demokratischen Parteien austauschbar wirken.
Nicht hilfreich dabei sind auch die Zuspitzungen von Friedrich Merz in den letzten Wochen und Monaten, wie die Runde feststellt. Nassehi sagt, wenn alles so auf Migration zugespitzt werde, stärke das auch die AfD. Nassehi spricht dazu an, dass die meisten politischen Forderungen, die man gerade im Bereich Asyl hört, nur reine Symbolpolitik seien.
Auch Hähnig betont, wie wichtig es ist, Probleme bei Integration anzusprechen, zugleich war für sie zum Beispiel die "Pascha"-Äußerung bei Markus Lanz überzogen und eine Diskreditierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe.
Doch Friedrich Merz lässt sich von der Kritik nicht beeindrucken und stellt nur fest, dass er bei dem Thema einfach sehr engagiert sei. Er möchte auch weiterhin mit der Bundesregierung zur Migrationspolitik zusammenarbeiten und richtet sich kurz vor Sendungsende mit einem deutlichen Appell an Kanzler Olaf Scholz. Seine Tür für eine Zusammenarbeit stehe offen.
Beim Publikum sorgte am Abend aber nicht nur Friedrich Merz für Diskussionen. Bei Social Media wunderten sich mehrere Personen über eine schwarze Lampe, die in der Sendung zunächst auf dem Boden stand.
Wenige Minuten später platzierte die Moderatorin die Lampe doch noch auf den Tisch, um sie ihrem Gegenüber Friedrich Merz zu zeigen. Die altmodische Tischlampe aus dem Sauerland erinnerte den CDU-Chef an den Schreibtisch seines Vaters.