"Die Ukraine kämpft, die Bundeswehr übt noch: Muss Deutschland Krieg können?" will Moderator Louis Klamroth in der aktuellen Ausgabe von "Hart aber fair" wissen. Bei dieser Frage bekommen viele Menschen zurecht ein unwohles Gefühl in der Magengrube. Tatsächlich tun sich viele Zuschauer:innen mit dem Thema der Sendung am Montag schwer.
Darüber, ob die Bundeswehr massiv aufrüstet und wie viel sich das Deutschland kosten lassen soll, wird seit Monaten gesprochen und gestritten. Doch bevor sich die Talk-Gäste dem widmen, geht es bei "Hart aber fair" erst einmal darum, was Krieg mit Soldat:innen macht.
Einer, der es am eigenen Leib erfahren hat, ist Rüdiger Hesse. Der Bundeswehr-Einsatzveteran leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung und macht im Gespräch mit Louis Klamroth deutlich, wie wichtig es ist, über die psychischen Aspekte des Berufs zu sprechen.
"Zu viele Dinge erlebt in den Einsatzgebieten, die meine Seele nicht verarbeiten konnte. Daraus resultieren verschiedene Traumata", erklärt der ehemalige Berufssoldat. Und weiter: "Diese posttraumatischen Belastungsstörungen sind total individuell. Bei mir sind es Angst- und Panikattacken, Schlafstörungen, Depressionen, soziale Verluste bzw. gewollter Sozialkontaktabbruch. Das Leben verändert sich je nach Härtegrad massiv."
Er findet: "Die psychisch Verwundeten stehen ständig im Erklärungsnotstand." Man soll sich doch zusammenreißen, heißt es oft von außen. Daher ist es Rüdiger Hesse wichtig zu sagen: "Wenn es uns schlecht geht, sieht man uns nicht. Wir vergraben uns zu Hause. Sichtbar wird man nur, wenn man genau hinguckt."
Danach widmen sich die Talk-Gäste dem Thema Krieg in der Ukraine und der Bundeswehr in Deutschland. Etwas, das für hitzige Diskussionen unter ihnen sorgt, sind potenzielle Friedensverhandlungen. Die sind für Franz Alt essenziell, denn er fürchtet ein "atomares Wettrüsten". "Das könnte in den Atomkrieg führen. Das wäre wahrscheinlich das Ende der Menschheit", sagt der Publizist und Friedensaktivist.
Moderator Louis Klamroth fragt sich, ob man mit jemandem wie Wladimir Putin überhaupt verhandeln kann. "Ich würde, wenn es um Frieden geht und das Leid in der Ukraine zu beenden, auch mit dem Teufel verhandeln", lautet Franz Alts Antwort. "Jetzt appelliere ich mal an alle, die immer sagen, wir sollten verhandeln, das nicht nur zu sagen, sondern das endlich mal zu tun. Mit dem Ziel, dass das Leid der Ukraine endlich beendet wird."
Michael Roth von der SPD schmunzelt und sagt: "Das Problem ist, er will nicht verhandeln." Er gibt Franz Alt allerdings recht, dass "dieser Krieg am Ende am Verhandlungstisch hoffentlich zu einem Abschluss geführt wird. Aber nur aus einer Position der ukrainischen Stärke heraus." Der deutsche Politiker findet, dass Putin klar sein sollte: "Er kann diesen Traum von einem großrussischen Reich nicht irgendeinem anderen Land aufzwingen. Er muss seine Konflikte, wenn er denn welche hat, diplomatisch lösen und nicht mit Waffengewalt."
Auch Ulrike Winkelmann äußert sich dazu. Die "taz"-Chefredakteurin ist allerdings überrascht, dass manche Menschen, die Friedensappelle schreiben, unterstellen, dass es bisher gar keine Kontakte und Verhandlungen gäbe. "Wir werden mit Sicherheit die Letzten sein, die davon erfahren, wenn Verhandlungen stattfinden, weil sie sonst nämlich nicht zum Erfolg führen können", sagt sie.
Gegen Ende der Sendung ist Louis Klamroth neugierig, was die Zuschauer:innen sagen und denken. Seine Kollegin Brigitte Büscher weiß mehr: "Ich habe vor allem den Eindruck, dass sie einen inneren Widerstand überwinden müssen. Jetzt über dieses Thema zu sprechen, ist so ein bisschen wie der unbeliebte Verwandte am Tisch, der plötzlich wieder miteinbezogen werden will ins Gespräch."
Besonders die konkrete Frage, ob Deutschland Krieg können muss, sorgt für Aufruhr. "Auch da habe ich das Gefühl gehabt, dass unsere Zuschauer die Frage nicht wirklich mögen", so die Fernsehjournalistin. "Es läuft ihnen ein kalter Schauer den Rücken runter. Kann man auch verstehen, aber trotzdem müssen wir darüber reden."
Worüber gerade viel gesprochen wird, ist das mögliche Abschaffen eines Feiertags für das Militär, um mehr Geld für die hohen Verteidigungsausgaben zu haben. Dänemark hat es vorgemacht. Zieht Deutschland nach? Ulrike Winkelmann ist nicht überzeugt: "Ich halte es für eine blöde Idee, um ehrlich zu sein."
Sie nimmt den Buß- und Bettag als Beispiel, der 1995 zur Finanzierung der Pflegeversicherung gestrichen wurde. "Wir hatten den höchsten Spitzensteuersatz, den wir je gehabt haben in der Bundesrepublik", erinnert sie sich zurück. Weiter erklärt sie: "Inzwischen ist ja klar, dass die Umverteilung stattgefunden hat – und zwar von unten nach oben." Deswegen würden es ihrer Meinung nach wahrscheinlich viele Menschen nicht einsehen, "warum sie erneut bluten sollen für die Bundeswehr oder die Militärausgaben, wenn sie genau wissen, dass die Bestverdiener und die Vermögenden in der Gesellschaft die letzten zwanzig Jahre nur gewonnen haben."
Michael Roth sieht das ähnlich. Er fände eine Abschaffung eines Feiertags für die Bundeswehr "Blödsinn". "Die Lasten müssen von allen getragen werden, dabei muss es gerecht zugehen", so der Politiker. "Ich könnte mir schon vorstellen, dass diejenigen, die breitere Schultern haben, auch ein bisschen mehr zu zahlen haben."