Die Energiewende in Deutschland, Investitionen in den Verteidigungshaushalt, die Kiew-Reise von Außenministerin Annalena Baerbock, der Hubschrauberflug von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht mit ihrem Sohn und natürlich der Krieg in der Ukraine – am Mittwochabend wurden bei "Maischberger" so viele Themen angeschnitten, dass man fast schon den Überblick verlieren konnte. Im Zentrum der Sendung stand ein Gespräch zwischen Ricarda Lang und Friedrich Merz sowie ein Interview mit Klaus von Dohnanyi.
Mit folgenden Gästen diskutierte Sandra Maischberger am 11. Mai:
Gleich mehrfach wird am Mittwochabend das Wort "apodiktisch" verwendet, zunächst von der Journalistin Sabine Rennefanz, dann gleich zweimal von Friedrich Merz. Beide beziehen sich dabei auf die Aussage von Außenministerin Baerbock, die Abhängigkeit von russischer Energie für immer auf null reduzieren zu wollen. Apodiktisch bedeutet, dass eine Aussage unumstößlich ist und keinen Widerspruch zulässt.
Und das wollen Rennefanz und Merz so nicht stehen lassen. In der Weltgeschichte komme es immer wieder zu überraschenden Wendungen, erklärt die Journalistin. Auch, wenn eine Zusammenarbeit mit Russland derzeit undenkbar sei, könne dieses riesige Land nicht auf ewig "wie ein Atomreaktor" isoliert werden. Ähnlich sieht es Merz. "Russland ist ein europäisches Land. Irgendwann müssen wir wieder mit ihnen sprechen", erklärt Merz. Dass Deutschland irgendwann wieder Energie aus Russland beziehen könnte, will der CDU-Chef nicht ausschließen. Eine Abhängigkeit von Russland hingegen schon.
Ansonsten ist Merz zunächst auf Kuschelkurs mit den Grünen. "Ich finde es gut, dass Annalena Baerbock in die Ukraine gereist ist. Das ist technisch nicht einfach, das ist auch nicht ungefährlich. Dass sie das gemacht hat: Chapeau!", lobt Merz. Der Parteivorsitzende der CDU wirkt aufgeräumt und entspannt. "Die Grünen sind jetzt in der Regierung und im Wesentlichen machen sie ihre Sache gut. Sie unterscheiden sich jedenfalls wohltuend von anderen Kabinettsmitgliedern, die im Augenblick weit hinter dem zurückbleiben, was man eigentlich von ihnen erwarten müsste", sagt der Oppositionsführer.
Merz sitzt Ricarda Lang gegenüber, das Rededuell mit der 28 Jahre alten Parteivorsitzenden der Grünen sollte eigentlich eine Menge Zoff-Potenzial haben. Doch die beiden begegnen sich zunächst mit großem Respekt – weshalb Sandra Maischberger ein wenig Öl ins Feuer gießt. Sie zeigt einen Tweet, in dem Merz im vergangenen Jahr behauptet hatte, im Wahlprogramm der Grünen stehe, dass der Bevölkerung Gendersprache aufgezwungen werden solle. Später zeigt Maischberger einen Ausschnitt aus einer Merz-Rede im Bundestag, in der dieser gesagt hatte, die Grünen könnten ruhig "feministische Außenpolitik" machen, aber nicht auf Kosten des Sonder-Etats für die Bundeswehr.
Und plötzlich kracht es dann doch ein bisschen. Er habe es gar nicht abwertend gemeint, auch, wenn es vielleicht so geklungen habe, verteidigt sich Merz. "Was Sie gesagt haben, das impliziert, dass das alles so ein bisschen Gedöns ist. Das hat alles nichts mit der Realität zu tun", sagt Lang. "Das habe ich nicht gesagt", wirft Merz ein, aber die Grünen-Chefin ist nicht zu bremsen.
"Für mich bedeutet feministische Außenpolitik vor allem zwei Dinge. Zum einen, dass wir die Verletzlichkeit, die Vulnerabilität von Frauen in Krisen- und Kriegssituationen anerkennen. Zum Beispiel, indem wir klare Regeln schaffen, wenn es darum geht, wie Vergewaltigungen als Kriegswaffe eingesetzt werden", sagt Lang, und ergänzt:
Auch beim Thema Schwangerschaftsabbrüche gerät Merz in die Defensive. "Information ja, Werbung nein. Das ist unser Vorschlag", sagt der CDU-Chef. "Wie stellen Sie sich denn Werbung für Schwangerschaftsabbrüche vor? Dass man in der U-Bahn ist, eine Werbung sieht und sich denkt: Das ist attraktiv?", fragt Lang. Weiter meint sie: "Es geht um Frauen, die in einer schwierigen Situation sind. Und in so einer Situation will ich selbst über meinen Körper entscheiden. So wie Herr Merz auch über seinen Körper entscheiden möchte." Außer einem Grinsen hat Merz zu diesem Thema nichts mehr zu entgegnen.
Zum Abschluss der Sendung führt Maischberger dann ein Einzelinterview mit Klaus von Dohnanyi zum Thema Ukraine. Der 93-Jährige zeigt sich alarmiert, sicherlich auch mit Blick auf Waffenlieferungen aus Deutschland. "Mich besorgt, dass aus diesem Krieg ein größerer werden kann", sagt der frühere Bundesminister. "Wir sind für Deutschland verantwortlich. Wir sind für die Unversehrtheit unseres Landes verantwortlich. Wir sind nicht für andere Länder verantwortlich. Wir müssen versuchen, unser Land zu schützen."
Der Krieg sei ausgebrochen, weil der Westen nicht bereit gewesen sei, über die Möglichkeit einer Nato-Zugehörigkeit der Ukraine auch nur zu verhandeln. "Präsident Biden hat abgelehnt, darüber zu verhandeln. Putin hat darum gebeten", sagt von Dohnanyi, der eine Mitschuld am Krieg in der Ukraine bei den USA sieht.
"Ich verurteile die Aggression von Putin genauso wie Sie", stellt er in Richtung von Sandra Maischberger klar. "Die Frage ist nur, ob man es hätte verhindern können. Es war über Jahrzehnte immer Putins Punkt, dass die Ukraine nicht in die Nato gehört. Und wenn wir diesen Punkt verhandelt hätten, dann wäre die Aggression wahrscheinlich nicht erfolgt." Bei Twitter wurden von Dohnanyis Aussagen heiß diskutiert, es gab viel Zuspruch, aber auch heftigen Widerspruch. Der SPD-Politiker polarisierte definitiv. Aber irgendwie ist das ja auch der Sinn eines Talkshow-Auftritts.