In der vergangenen Woche beleuchtete das "ZDF-Magazin Royale" die WhatsApp-Chats rechtsextremer Polizisten. Nun setzt Jan Böhmermann seine Auseinandersetzung mit der Polizei fort und thematisiert eine vermeintliche Verbindung zum NSU 2.0. Im Jahr 2018 erhielt die Rechtsanwältin Seda Basar Yildiz einen Drohbrief, der vom NSU 2.0 unterzeichnet war und ihre Privatadresse enthielt. Die Frage, wie ihre Privatadresse enthüllt wurde, blieb lange Zeit unbeantwortet.
In den vergangenen Jahren erhielten auch die linkspolitische Janine Wissler, die Kabarettistin Idil Baydar sowie weitere öffentliche Persönlichkeiten Drohmails, die vom NSU 2.0 unterzeichnet waren. Sogar Moderator Jan Böhmermann erhielt einen solchen Drohbrief. "Naja, er hat es auch verdient, hätte er mal mehr Witze über die Grünen gemacht", witzelt Böhmermann über sich selbst.
Die Spuren führten schließlich zum ersten Polizeirevier in Frankfurt am Main. Die Frage bleibt: Was geschah am 2. August 2018 in diesem Polizeirevier, dem Tag, an dem das erste NSU 2.0 Drohschreiben verschickt wurde? Zusammen mit "FragDenStaat" wurde in mehreren internen Polizeiakten nach Antworten auf diese Frage gesucht.
Yildiz' Adresse wurde aus Frankfurter Polizeicomputer runtergeladen. Die Verbindung zu Seda Basar Yildiz wirkt äußerst verdächtig, da sie die Familie von Enver Simsek rechtlich beraten hat. Simsek war das erste Todesopfer des NSU und Yildiz selbst wurde später zum ersten Drohopfer des NSU 2.0. Die Privatadresse, die in einem an sie gerichteten Online-Fax veröffentlicht wurde, wurde aus einem Polizeicomputer im ersten Revier in Frankfurt abgerufen. Genauer gesagt aus dem Computer von Miriam D.
Es stellte sich jedoch heraus, dass Miriam D. ihr Passwort auf einem Post-It auf dem Computer hinterlassen hatte, was es jedem Beamten ermöglichte, auf ihren Computer zuzugreifen. Somit schien sie aus der Sache raus zu sein, trotz ihrer rechtsextremen Gesinnung und der Hitler-Memes auf dem Handy.
Der Fokus verlagerte sich dann auf Johannes S., einem Kollegen von Miriam D., der ihre rechtsextremen Ansichten teilte. In Whatsapp-Gruppen veröffentlichte er Vergewaltigungsfantasien und Naziparolen. Weiter interessant wurde es jedoch, als sein Google-Verlauf enthüllte, dass er mehrere Suchanfragen bezüglich der Rechtsanwältin Seda Basar Yildiz durchgeführt hatte.
Letztendlich wurde ein gewisser Alexander M. wegen der NSU 2.0 Drohbriefe angeklagt und für schuldig befunden. Ein vermeintlich Rechtsextremer aus Berlin, der nicht als Polizist tätig war. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Alexander M. hasserfüllte Nachrichten an Personen des öffentlichen Lebens verschickte. Dadurch wurde auch Johannes S. nicht länger verdächtigt. Doch es tauchten mehrere Hinweise auf, dass die Frankfurter Polizei möglicherweise Beweismittel manipuliert hatte.
"Am Tag, als das erste Revier durchsucht wurde, ging plötzlich der Polizeicomputer kaputt", berichtete Böhmermann. Es gab auch Anzeichen dafür, dass die Einsatzzeiten der Polizisten verändert worden waren, was darauf hindeutete, dass Johannes S.' Alibi möglicherweise nicht ganz stimmte. Um diesen Vorwürfen nachzugehen, wurde das Landeskriminalamt Hessen eingeschaltet.
"Das LKA! Da schlägt mein Polizistensohnherz zum ersten Mal seit zwei Sendungen höher. Endlich Good Cops. Wirklich gute und unabhängige Ermittler, die ungehindert arbeiten können", kommentiert Böhmermann. Der Sonderermittler für diese Untersuchung wurde jedoch vom Direktor der Kriminaldirektion im Polizeipräsidium Frankfurt gestellt und nicht vom LKA. Der Direktor kam schnell zu dem Schluss, dass die Beteiligung der hessischen Polizisten an NSU 2.0 nicht bestätigt werden konnte.
Also blieb es bei der Annahme, dass Alexander M. allein gehandelt hatte. Der Verdächtige war kein Polizist aus Hessen, und das genügte der Staatsanwaltschaft Frankfurt, um den Fall abzuschließen.
Laut einem Bericht des "Spiegel" war die Staatsanwaltschaft überzeugt, dass Alexander M. sich eigenständig Zugang zu den Daten verschaffte, sich als Polizist ausgab und durch Telefonate mit Polizeidienststellen und Einwohnermeldeämtern vertrauliche Informationen erschlich. Dafür soll es aber keine konkreten Beweise geben. Die Ermittler waren sich aber sicher: Alexander M. war der Einzeltäter.
Böhmermann betont, dass trotz der Anklage gegen Alexander M. immer noch unklar sei, wer das erste Drohschreiben an Seda Basar Yildiz geschickt habe. Das Team von "ZDF Magazin Royale" erkundigte sich bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft nach dem Stand des Verfahrens gegen Johannes S., bei dem alle Anzeichen auf seine Täterschaft hindeuteten. Nach mehreren Anfragen bestätigte die Staatsanwaltschaft in Frankfurt, dass gegen Johannes S. ermittelt wird.
Moderator Böhmermann berichtete, dass, obwohl die Staatsanwaltschaft Frankfurt davon überzeugt ist, dass Alexander M. das erste NSU 2.0 Drohschreiben verschickt hat, sie auch im Stillen gegen Johannes S. wegen derselben Tat ermitteln. Damit bleibt der Fall ungelöst und die Frage, wer das erste Drohschreiben tatsächlich verschickt hat, kann auch nicht beantwortet werden. Bis heute werden Briefe mit der Unterschrift NSU 2.0 versandt, während der mutmaßliche Einzeltäter Alexander M. in Untersuchungshaft sitzt, so Böhmermann.