Jan Böhmermann versprach einen "ganz besonderen Freitagabend" und mit dem "ZDF-Magazin-Royale-Festival" sollte er Wort halten. Der Entertainer präsentierte, angenehm zurückgenommen, ein Musikfest – nicht nur – für die Gen Z. Alli Neumann, Badmómzjay, Blumengarten, Oliver Tree, Domiziana, Ski Aggu, Apsilon und Kim Frank, Sänger der seit zwei Jahrzehnten aufgelösten Flensburger Band "Echt", zeigten dem Publikum das Lebensgefühl junger Menschen. "Wir alle haben ein Recht auf ein bisschen Eskapismus", sagte Böhmermann im Stand-up.
Richtige Entscheidung, dass zuerst eine breit grinsende Alli Neumann auf die Bühne springt. Vor einem riesigen Herz singt sie die ersten Zeilen ihres Songs "Primetime". Nach einem kurzen Ausflug auf den Schreibtisch, von dem aus Böhmermann sonst zynisch das Elend der Welt verkündet, steht sie vor dem Rundfunktanzorchester Ehrenfeld. Schneller Spurt hinter der Bühne, und dann schreitet sie die Stufen durchs Publikum und besingt eine Liebe, in der alles ganz schnell geht.
"Jede Woche heiß, jede Woche live – Das Rundfunktanzorchester Ehrenfeld", sagt Böhmermann, als er ins nächste Set läuft. Vor rotem Hintergrund steht Badmómzjay mit einem Teil des RTO. Alle tragen Schwarz. Ein weißer Spot hebt die Rapperin aus dem Bodennebel. Und sie performt ihren Song "How to Survive", den Böhmermann als absolute Weltpremiere" ankündigt, in einer fast akustischen Version, begleitet von den Streicher:innen des Orchesters und mit Vocals von Lorenz Rhode. Gefühl hart und gefühlvoll rappt sie über Trauma und Verantwortung.
Einen recht harten Szenenbruch später, moderiert Böhmermann eine weitere "Weltpremiere" von Blumengarten an: Das Duo performt den neuen Song "Mama". Blaue Spots streichen Rayans Kopf, während er über das Vermissen der eigenen Mutter singt, die aber doch noch da ist.
Der "Testamentsvollstrecker von Thomas Gottschalk", wie Böhmermann sich nennt, sieht das "ZDF Magazin Royale" ab der Mitte der Show, als das neue Warm-up für Aspekte. Er moderiert auf Wunsch des Künstlers Oliver Tree als "trash", dessen Musik "garbage" und Performance "utter rubbish" sei. Tree performt vor einer Plattenbaufassade Elmo-mäßig aus einer Mülltonne schauend seinen Song "One and Only".
Das Rundfunktanzorchester Ehrenfeld trägt, wie die Anzugträger im Musikvideo Matrix-Brillen und schwarze Bob-Perücken, während Tree eine toxische Beziehung besingt. Sollte ein FAZ-Feuilletonist das vor Aspekte sehen, wäre sein Blutdruck interessant. "Leider kann er nicht mit zu uns auf’s Sofa kommen, der Flieger geht zurück in die USA", sagt der selbsternannte Gottschalk-Testamentsvollstrecker.
Dafür zieht sich das Thema der toxischen Beziehung nahtlos weiter. Domiziana schlägt die Augen auf, und rappt die ersten Zeilen von "Ohne Benzin". Sie liegt auf einer knallroten Ducati, beleuchtet von einer rotierenden weißen Neonröhre. Sie steigt ab, wechselt Kulisse und Kostüm. Zwischen weißen Schäfchenwölckchen rappt sie ein paar Zeilen aus "Amore". Aus Schäfchen- werden Gewitterwolken: Auftritt Ski Aggu, die beiden performen "Tour de Berlin", und enden in einer Hebefigur. Das Lebensgefühl von vielen in der Gen Z: Lange Nächte, Drogen und wenig erfüllende Beziehungen.
In einer Plattenbauwohnungskulisse aus den 1980er Jahren, rappt Absilon über das Verhältnis zum eigenen Vater, der sein Leid nicht mit einem teilen möchte und das eigene Leiden darunter. "Baba" spiegelt die Lebensrealitäten postmigrantischer Jugendlicher. Er wird am E-Piano begleitet, hinter ihm flimmern türkische Untertitel zu seinem Song über den Röhrenfernseher. Ein gutes Dutzend Menschen singt die Hook-Line mit. Böhmermann nannte den Song "jetzt schon den Song des Jahres". "Danke euch", ruft Absilon dem Publikum zu. Als einziger Künstler des Abends.
Zum Abschluss wird es für Böhmermann nochmal persönlich: Er möchte "Du trägst keine Liebe in dir" von der Flensburger Band "Echt" singen. Seine Lieblingsband, die sich vor 20 Jahren aufgelöst hat. Dann taucht der Sänger der Band Kim Frank vor dem Orchester auf. Er spielt ein Medley aus den drei größten Hits "Junimond" und "Weinst du" über das Ende einer Liebe. Die schöne dramaturgisch Klammer lässt sich auch durch Böhmermanns plötzlich schwacher Stimme nicht stören. Eine halbe Stunde erfolgreiche Realitätsflucht, die auch von den Fans in den sozialen Netzwerken gefeiert wurde.