Neues Jahr, neuer Aufbruch – mit einer der eigentlich ausgelutschtesten Spielarten des Unterhaltungsfernsehens: Ausgerechnet mit einer "neuen" Quizshow-Reihe will RTL zu neuen Ufern aufbrechen. Warum auch nicht? Im vergangenen Januar war es Joko Winterscheidt bei ProSieben gelungen, mit "Wer stiehlt mir die Show?" einen originellen Akzent in einem vermeintlich totgerittenen Genre zu setzen. Nun sollte am Montagabend beim "Gipfel der Quizgiganten" das Rad noch einmal neu erfunden werden.
"Das 'R' in RTL steht heute für 'Revolution'", verkündete die Abendmoderatorin, die man in so einer Funktion noch nie gesehen hatte, sichtlich stolz – und selbstbewusst. Palina Rojinski, bekannt geworden über die frühen Chaos-Shows von Joko und Klaas, macht als Moderatorin tatsächlich eine revolutionär gute Figur. Die eigentliche "Gipfel"-Sendung war solider Feierabendspaß. Aber trotz des geballten Staraufgebots eben doch nur – nun ja – eine Quizshow.
Natürlich hatte Rojinski Recht, als sie zunächst brav aufsagte, was offenbar auf den RTL-Moderationskarten stand: "Das gab's noch nie im deutschen Fernsehen", jubelte sie über die Star-Konstellation der Sendung. "Wer wird Millionär?"-Gastgeber Günther Jauch, ZDF-"Quiz-Champion"-Moderator Johannes B. Kerner und Guido Cantz, Quizmaster im Dritten, fanden sich diesmal auf der "anderen Seite" ein – an einem Kandidaten-Pult samt Buzzer-Tasten.
Schnell wurde den etwas angegrauten Alpha-Männern klar, dass sie sich diesmal unterordnen müssen. Dazu gehörte auch der flapsig-respektlose Hinweis von Palina Rojinski, dass die Herren Jauch, Kerner und Cantz eher "mittelalt" seien. Kein Wunder, dass Fragen der Spielkategorie "Damals & heute", die ihnen ein Zufallsgenerator zuloste, gut zu ihnen passten."Jetzt hätten wir gerne Fragen aus dem Mittelalter-Bereich", scherzte Günther Jauch. Und klang dabei fast ein wenig angefressen. Es wirkte nicht unbedingt so, dass die Star-Moderatoren, die Rojinski auch mal als "Heilige Drei Könige" bezeichnete, erfrischende Respektlosigkeit gewohnt sind.
Allerdings: Dass Günther Jauch kein Sport-Ass ist, weiß und betont er immer wieder selbst. So wirkte es auch nicht allzu überraschend, dass er in den eingestreuten Bewegungsaufgaben, bei denen es darum ging, die Gesamtsumme im Sendungs-Jackpot zu erhöhen, oft eine jämmerliche Figur abgab. Jauchs Elfmeter-Schusstechnik – im Tor: National-Keeperin Almuth Schult – ist absolut ausbaufähig. "Der kommt nicht in den Jahresrückblick 2022", frotzelte Palina Rojinski nach einem Flatterschuss. "Gut, dass ich den aufgegeben habe", spielte der Schütze auf seinen Abschied von "Menschen, Bilder, Emotionen" an.
Und die eigentlichen Quiz-Kämpfe? Die erwiesen sich als mittelaufregend. Als Herausforderer des Dreigestirns Jauch-Kerner-Cantz traten siegreiche Absolventen der jeweiligen Show-Historien auf. Wobei vermutlich die von Guido Cantz moderierte Reihe "Quizz dich auf 1" die unbekannteste ist. Besonders erfolgsverwöhnt trat gleich zu Beginn Jan Stroh aus Hamburg auf. Der mittlerweile 38-jährige Quiz-Nerd, der in seinem Hobbykeller eine Art privates "Wer wird Millionär?"-Studio nachgebaut und der sich angeblich schon selbst rund 15.000 Fragen ausgedacht hat, war 2019 mit einem Gewinn von einer Million Euro aus der Jauch-Show gezogen.
Nun verlor er gegen die drei TV-Stars. "'Wer wird Millionär?' war offenbar ein bisschen einfacher als der 'Gipfel der Quizgiganten'", witzelte die Moderatorin.
Aber dann kam's doch dicke: Sowohl gegen die 52-jährige Dorothée Zensen vom Niederrhein als auch später gegen den promovierten Alleskönner und Übersetzer Thomas Kinne verloren die "Giganten" jeweils ihre Wettkämpfe. Im Finale traten Zensen und der 60-jährige Kinne, einer der gefürchteten "Jäger" aus der ARD-Quizshow "Gefragt... gejagt", noch einmal als Team gegen das Dreigestirn an. Und wieder patzten Jauch, Kerner und Cantz – allerdings denkbar knapp.
Zensen und Kinne, die ersten Sendungsgewinner der neuen Best-of-Reihe "Gipfel der Quizgiganten", gewannen zusammen 85.500 Euro. Die entscheidenden Fragen hatte dabei Thomas Kinne fast im Alleingang absolviert. So wusste er sowohl korrekt das Wort des Jahres 2021 – nämlich "Wellenbrecher" – als auch die Zahl, die auf gängigen deutschen Tastaturen über dem "Ausrufezeichen" steht (die 1). Es waren Fragen, die man lösen konnte. Und ihnen fehlte oft der humoristische Charme, mit dem andere Quiz-Klassiker glänzen. Der Show selbst fehlte streckenweise der gewisse Pfiff. Mit Altbackenem allein kann man im ausgelaugten Quiz-Genre kaum funkeln.
Wer dagegen beim "Gipfel der Quizgiganten" glänzte, war Palina Rojinski: Sie bekam einmal mehr die Chance zu zeigen, dass viel mehr in ihr steckt als bislang im Show-Geschäft von der 36-Jährigen abgerufen wurde. Nun nutzte sie diese Chance erneut – jetzt eben nicht bei ProSieben, sondern beim großen Kölner Konkurrenzsender. Plötzlich ist die Astrologie-Anhängerin aus der ehemaligen Sowjetunion auch eine RTL-Prinzessin.