Der Bundestag stimmt für die Lieferung harter Waffen an die Ukraine. Dieser Entschluss wirft Fragen in der Intention der Bundesregierung auf. In dieser Sendung diskutiert Markus Lanz mit seinen Gästen über die Rationalität politischer Entscheidungen, die Bundeswehr und den Wandel der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Vergangene politische Vorgänge werden ebenfalls aufgegriffen. Beim letzten Punkt gibt es eine interessante Erkenntnis des ehemaligen Verteidigungsministers.
Im Studio anwesend:
Zu Beginn der Sendung berichtet die Journalistin Alice Bota von der aktuellen Lage in Mariupol. Dort gebe es derzeit eine Lagerhalle, in der über 100 Zivilisten gefangen seien. Sie würden ohne Wasser und Essen auskommen müssen. Es gebe keinen humanitären Korridor, um die Gefangenen da rauszuholen: "Die Menschen harren monatelang in irgendwelchen Kellern." Unter den Zivilisten in der Ukraine herrsche eine große Enttäuschung von Europa. Außerdem macht sie deutlich, dass die Ukraine keine Zeit habe.
Jeder Tag ohne jegliche Entscheidungen der Bundesregierung sei ein schmerzhafter Tag für die Ukraine. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas de Maizière schließt sich der Aussage an und äußert sich entsetzt über die aktuelle Herangehensweise der Koalition. Er nennt die Kommunikation und die Handlungen der Politik einen "großen Schaden".
Bundeskanzler Scholz bleibt Thema und wird für seine Äußerungen in einem "Spiegel"-Interview kritisiert. Er habe in dem Interview geäußert, dass er alles tun würde, um eine Eskalation und einen Atomkrieg zu verhindern. Die Anwesenden sind sich einig: Man müsse die Bevölkerung jetzt vor einer Panikmache hüten und politisch mehr dafür tun, dass es wirklich nicht zu einer Zuspitzung des Krieges kommt. In diesem Zusammenhang erläutert die Sicherheitsexpertin Claudia Major die Hintergründe der Abschreckungsstrategie, welche von westlicher und russischer Seite genutzt werde. Eine Warnung vor nuklearen Waffen solle für Unsicherheit im Westen sorgen.
Wissenschaftlich betrachtet habe diese Abschreckung in der Vergangenheit immer hervorragend funktioniert. Die Abschreckung sei eine gängige Kriegsverhinderungsstrategie: "Eine Eskalation mit der Nato ist für Russland genauso unattraktiv wie eine Eskalation mit Russland für den Westen." Aus russischer Perspektive sei ein enormes Bedrohungspotential vorhanden.
Der Publizist Wolfram Weimer äußert seine Kritik und Bedenken bezüglich des Beschlusses über die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine. Die Militärpanzer "Geparden", welche der Ukraine bereitgestellt werden sollen, würden der Ukraine in ihrer Situation nicht weiterhelfen. Der Beschluss sei eine "reine politische Nebelkerze", denn die Geringfügigkeit und Sinnlosigkeit der Waffen sei bekannt. Es sei absurd, diese Waffen zu liefern, so Weimer.
Thomas de Maizière stimmt in Bezug auf die Überflüssigkeit der Panzer überein. Daraufhin ergreift Claudia Major das Wort und kritisiert die allgemeine Handlungsweise der Politik. Es würde immer nur überlegt werden, was jetzt getan werden muss. Man müsse vorausschauend handeln. Sie fordert eine langfristige Koordination, um der Ukraine tatsächlich helfen zu können.
"Wie kann es sein, dass die Bundeswehr so schlecht ausgestattet ist?", fragt der Moderator den ehemaligen Verteidigungsminister, der, unter anderem, die Verantwortung für diesen Zustand trägt. Thomas de Maizière lenkt auf die Rüstungsindustrie. Viele Lieferungen für die Bundeswehr seien an der Rüstungsindustrie gescheitert. Als Beispiel nennt er den "Puma", einen Schützenpanzer.
Dass dieser so schlecht in die Bundeswehr integriert wurde, sei die Schuld der Industrie. Sicherheitsexpertin Major ergänzt, dass der Zustand der Bundeswehr das Produkt von Mangel und Fehlmanagement des Geldes sei. Die politischen Vorgaben, die sich oftmals widersprechen würden, seien ebenfalls schädlich für eine gelungene Formierung der Bundeswehr. Außerdem erläutert sie das Zusammenspiel von Bundeswehr, Ministerium und Industrie: "Alle wollten irgendwie mitreden und das Produkt davon sind die vielen Probleme in der Bundeswehr." Man müsse sich darauf konzentrieren, ein Militär aufzubauen, das keine Angriffskriege führt, sondern das verteidigt, was man in Europa aufgebaut habe.
Es werden nicht nur die aktuellen politischen Entscheidungen besprochen, sondern auch vergangene, die in indirekter Verbindung zur heutigen Außenpolitik stehen: Nord Stream 2, ein Geschäft des Altkanzlers und Lobbyisten Gerhard Schröder. Wolfram Weimer äußert sich entsetzt, über die Abwicklungen im Nord Stream 2 Prozess: "Es war die erfolgreichste und korrupteste Lobbyaktion in der Bundesrepublik Deutschland." Es sei einer der größten Skandal der deutschen Geschichte, denn Schröder verdiene jedes Jahr Millionen mit Gazprom und pflege eine gute Freundschaft mit Putin.
Thomas de Maizière räumt diesen Fehlschluss aus der Vergangenheit ein: "Es war ein Fehler, da stimme ich zu. Die Annexion der Krim hätte ein Wendepunkt sein müssen. Putin redet nicht nur nur von großrussischen Träumen, sondern er macht es. Und wenn er es jetzt macht, wird er es auch weiter machen." Es herrscht Einigkeit im Studio. Zum Schluss hinterfragt Markus Lanz den Begriff "Fehler". Er würde dies eher ein "historisches Versagen" nennen.