Der Mann an der Haustüre will nicht locker lassen. Schon zum dritten Mal setzt er an, um die Bewohnerin von einer Spende zu überzeugen: "Eine Kleinigkeit fürs Rote Kreuz, das geht sich auch bei Ihnen aus", sagt er im leicht bayerischen Singsang. "Alles klar, Dankeschön", versucht die Frau geduldig das Gespräch zu beenden. Aber der Spendensammler bleibt hartnäckig: "Ja, helfen auch Sie mit?"
Es wird noch drei weitere Neins brauchen, bis der Vertreter endlich aufgibt und weiterzieht. Dass er von einer seriösen Einrichtung wie dem Roten Kreuz kommt, möchte man nach der Aktion nicht so gerne glauben. Tut er strenggenommen auch nicht: Angestellt ist er bei der Firma Kober GmbH, die, ausgestattet mit der Uniform des Roten Kreuzes, Spenden für die gemeinnützige Organisation einsammelt. Dass er von einem Fundraising-Unternehmen kommt, würde der Spendensammler allerdings nur auf Nachfrage verraten, so die Arbeitsanweisung. Die Firma Kober bestreitet dies übrigens.
Es sind zwielichtige Methoden, die das investigative "Team Wallraff" auf RTL aufdeckt. Dieses Mal sind der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff und seine Kollegen beim Roten Kreuz unterwegs, fahren als Rettungssanitäter mit, probieren sich als Notrufdienste aus, zeigen, mit welchen Mitteln Spenden eingesammelt werden – und kommen dabei in eine unangenehme Lage.
Reporter Manuel schleicht sich in der Sendung als Mitarbeiter bei Kober ein, um selbst zu erleben, wie Spenden für das Rote Kreuz gesammelt werden. In Karlsruhe macht er deswegen den "coolsten und härtesten Ferienjob der Welt", wie Kober auf der Website verspricht, und geht von Tür zu Tür, um Spenden einzusammeln. Geplant ist, dass er dafür gemeinsam mit sechs anderen Mitarbeitern in eine Drei-Zimmer-Wohnung zieht, sechs Tage pro Woche arbeitet und mindestens fünf neue Mitglieder pro Tag generiert, für 300 Euro pro Woche. Sind es weniger Neu-Spender, wird ihm das vom Lohn abgezogen.
Nach einer kurzen Schulung, bei der Manuel eingetrichtert wird, keine "harten" Begriffe wie "Daten" oder "Dauerauftrag" zu verwenden, geht es los: Er zieht gemeinsam mit dem besonders aufdringlichen Kober-Mitarbeiter los, um zu lernen, wie Spendensammeln in der Praxis funktioniert.
Laut Richtlinien von Kober sollen die Mitarbeiter spätestens beim dritten Nein eines potenziellen Spenders weiterziehen. Manuels Mentor lässt sich erst nach insgesamt sechs Abfuhren abschütteln. Ein paar Gespräche wird der Reporter noch beobachten, dann soll er schon allein losziehen – warum, wird ihm erst am Ende des Tages bewusst.
Glück hat Manuel an seinem ersten Arbeitstag nicht: Er gewinnt kein einziges neues Spendenmitglied für das Rote Kreuz. Dafür wird er abends zum Personalgespräch mit seinem Mentor gebeten, der sich beim Spendensammeln so aufdringlich gezeigt hatte.
Der anfängliche Plausch über den Arbeitstag nimmt eine jähe Wendung, als der Mitarbeiter sagt:
Eigentlich ein Horror-Szenario für einen Enthüllungsjournalisten, bei seiner Recherche erwischt zu werden. "Ich mache den Job seit fünf Jahren, ich merke das, wenn mich jemand aufnimmt", fügt der Kober-Mitarbeiter noch hinzu. Ein Personalgespräch wird angedroht, aber Manuel wendet den Konflikt schnell ab und sagt, unter solchen Bedingungen könnten sie nicht zusammenarbeiten.
Burkhard Wilke, der Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen, bewertet das Verhalten des Kober-Mitarbeiters in der Sendung wie folgt:
Solche Geschäftsmethoden seien nicht nur "unfair und unethisch gegenüber der angesprochenen Frau, sondern auch sehr schädlich für die Reputation der Organisation, weil sich sowas rumspricht", sagt Wilke. Wenn sich die Qualität nicht bessern ließe, sollte das Rote Kreuz die Zusammenarbeit lieber beenden.
Die Firma Kober äußert sich in der Sendung übrigens nicht weiter zu dem Vorfall. Die gezeigten Szenen beweisen allerdings, wie undurchsichtig das Spendensystem des Roten Kreuzes ist – und wie unangenehm selbst Spendenaufrufe für eine bekannte, wohltätige Organisation enden können.
(ak)