Seit fünf Tagen führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Einen schnellen Sieg haben die eigentlich übermächtigen Truppen des russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht erzielt. Mittlerweile unterstützt der Westen die Ukraine mit umfangreichen Sanktionen und Waffenlieferungen. Doch ansonsten sind die Ukrainer auf sich allein gestellt. Frank Plasberg diskutiert das Thema "Triumph der Gewalt: Wie hilflos ist der Westen gegen Putin?" mit folgenden Gästen:
Viele Russen sind nur vom Staatsfernsehen über den Krieg der dort nur "militärische Aktion" heißt völlig verzerrt informiert. Aber immer mehr Bürger würden mitbekommen, was es wirklich damit auf sich hat, sagt Udo Lielischkies. Der ARD-Journalist hat von 2014 bis 2018 das ARD Studio Moskau geleitet und ist mit einer Russin verheiratet. Bei Lielischkies russischer Familie herrsche mittlerweile "flächendeckendes Entsetzen, dass Putin das Nachbarvolk überfällt". 2014 bei der Annexion habe es bei denselben Menschen durchaus noch Verständnis dafür gegeben, sagt Lielischkies.
Auch SPD-Politiker Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, findet: "Wir erleben derzeit die politische und moralische Bankrotterklärung von Putin." Die Ukrainer seien ein Brudervolk, das habe Putin selbst immer betont. "Gegen Brüder und Schwestern führt man nicht einem solchen Krieg."
Aber warum tut Putin das dann? Lielischkies glaubt, Putin wolle als "Wladimir der Große in die Geschichte eingehen" und sei darum bereit, alles dafür zu tun. Darum sieht er auch noch kein baldiges Ende des Krieges. "Jetzt beginnt eine sehr hässliche Phase", glaubt Lielischkies. "Putin schreckt nicht davor zurück, den Widerstand zu brechen, indem er eine Stadt dem Erdboden gleich macht", das habe man schon in der tschetschenischen Stadt Grosny gesehen. Er befürchtet, dass "Kiev in einigen Tagen nicht mehr so aussieht wie heute Abend".
Kaum waren die Verhandlungen beendet, zu denen sich Abgesandte aus der Ukraine und Russland am Montag an der belorussischen Grenze getroffen haben, schickte die russische Armee wieder Raketen nach Kiew. Für die Russland-Expertin Sabine Fischer passt das ins Bild. Das Treffen sei "in keinster Weise ernst gemeint", glaubt sie, sondern "Fake-Verhandlungen" von Putin, nur um der eigenen Bevölkerung sagen zu können, dass man es probiert habe. Aber offensichtlich habe es "einige Berührungspunkte" gegeben, weil ein weiteres Treffen beschlossen wurde. Als Friedensverhandlungen sieht sie es dennoch nicht. Aber "möglicherweise vom Beginn von Waffenstillstandsverhandlungen".
Frieden sieht der ehemalige Nato-General Hans-Lothar Domröse noch lange nicht. Er glaubt, die Ukraine könne für Putin "ein Afghanistan 2.0 werden". Berglandschaften und Städte seien durchaus vergleichbar, weil sie Verstecke für Ortskundige bieten. Ein Partisanenkrieg sei "die einzige Chance" für die Ukrainer gegen Putins Armee.
Dass Putin dem Westen durch das Hochsetzen der Alarmbereitschaft der russischen "Abschreckungswaffen" indirekt mit seinen Atomwaffen gedroht hat, wertet er aus militärischer Sicht als Zeichen der Schwäche. "Wer so früh das große Besteck rausholt, muss verzweifelt sein."
Der Krieg hat zu einem Richtungswechsel in der deutschen Politik geführt. Nachdem die Bundeswehr in den vergangenen Jahren eher stiefmütterlich behandelt wurde, will die Ampel-Regierung das Heer nun mit 100 Milliarden Euro auf Vordermann bringen. Der Ex-General lässt sich zu einem spöttischen Kommentar hinreißen: "Putin ist ja der Arbeitgeber des Monats." Er meint für die Bundeswehr – weil seinetwegen die Ausstattung und Ausrüstung verbessert wird.
"Sie haben einen interessanten Ton dahinter", sagt Moderator Frank Plasberg irritert schmunzelnd. Und diesen leichten Sarkasmus behält der General den Rest der Sendung bei. Dass Deutschland nun nach Zögern doch Waffen an die Ukraine liefert, würde zwar militärisch keinen Unterschied machen. "aber sie stärken Moral und Partnerschaft".
Aber wie wird sich der Krieg weiterentwickeln? Derzeit fliehen Tausende Menschen aus der Ukraine. Pavlo Titko leitet die Malteser-Hilfsorganisation in der Ukraine und kümmert sich derzeit um die Flüchtenden am Bahnhof von Lwiw. "Man sieht viele, viele Kinder – es fehlen die Eltern, es fehlen die Männer." Er habe erlebt wie ein Kind einfach fremden Leuten im Zug mitgegeben wurde. "Die Menschen sind psychologisch am Ende."
Gabor Steingart, Gründer von "Media Pioneer", glaubt, man müsse Putin "etwas anbieten", damit er sich ohne Gesichtsverlust zurückziehen könne. Zum Beispiel die ukranischen Gebiete der Separatisten um Donezk und Luhansk. Das stößt in der Runde auf heftige Gegenmeinungen. Aber Steingart sieht auch noch einen anderen Weg, wie der Krieg zu Ende gehen könnte: "Wir haben hier einen dritten Spieler – die Chinesen können Putin den Stecker ziehen. Er ist nicht Stalin, der freies Schussfeld hat, dafür ist er ökonomisch viel zu schwach."
Putin etwas anbieten, "diesem Verbrecher", das kommt für Andrij Melnyk, ukrainischer Botschafter in Deutschland, überhaupt nicht in Frage. Von Russlands Forderungen sein "kein einziges Thema" verhandelbar. "Putin hat sich verkalkuliert, er hat sich verschätzt, er weiß nicht mehr, was er machen soll." Russland sei "ein Koloss auf tönernen Füßen" In der Ukraine erlebe Putin seinen "Stalingrad-Moment", ist sich Melnyk sicher. Es sei nur die Frage, wie es für den russischen Präsidenten enden werde: "Selbstmord, Putsch oder Den Haag?“