Normalerweise sitzen Anwält:innen mit ihren Mandant:innen auf der Anklagebank oder sind Verteidiger:in. An diesem Verhandlungstag, dem 103. im Fall des Rappers Bushido, bürgerlich Anis Ferchichi, gegen Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder, war das anders. Denn als Zeuge war vor dem Amtsgericht Tiergarten dieses Mal ein Berliner Anwalt geladen.
Er hat den Musiker in der geschäftlichen Trennung von Arafat Abou-Chaker beraten. Und nun sollte er erzählen von dem ersten Treffen mit seinem späteren Mandanten: Das war Ende April 2018 und schon bei diesem ersten Kennenlernen soll der Musiker extrem offen über die mutmaßlichen Vorfälle vom 18. Januar 2018 gesprochen haben.
Er hätte darüber gesprochen, dass er sich lossagen wollte von Arafat und er hätte erzählt von einem Treffen im März mit ihm. Damals soll er ihm eine Aufhebungsvereinbarung vorgelegt haben. Und Bushido hätte bei diesem ersten Treffen mit dem Berliner Anwalt angeblich auch erwähnt, dass er eingesperrt und bedroht worden war von Arafat Abou-Chaker und seinen Brüdern.
"Das hat er Ihnen direkt beim ersten Treffen erzählt?", fragte Richter Martin Mrosk erstaunt. "Ich hatte auch das Gefühl, dass er für ein erstes Treffen sehr viele Auskünfte gegeben hat", antwortete der Zeuge. "Ich hatte das Mandat ja noch nicht übernommen."
Doch viel erstaunlicher war vielleicht noch, wie Bushido vom 18. Januar 2018 erzählt haben soll. Nämlich extrem emotional. "Er wirkte charismatisch, sympathisch – aber als es um das Treffen ging, hatte er Schwierigkeiten, sich zu äußern." In den nächsten Wochen traf sich der Anwalt regelmäßig mit Bushido, so berichtete er als Zeuge vor Gericht. Die Vorfälle aus dem Januar 2018 hätte der Rapper dabei aber immer nur kurz erwähnt. Offenbar wollte er darüber nicht weiter reden.
Das soll sich erst im August 2018 geändert haben – bei einem weiteren Treffen, bei dem auch Bushidos Frau Anna-Maria Ferchichi dabei war. An diesem Tag hätte er zum ersten Mal wieder frei gesprochen, erzählte der Berliner Anwalt dem Richter. Beide hätten sehr offen davon erzählt.
Vom Richter und auch von Arafats Anwälten wurde der Berliner Anwalt während der Aussage ziemlich gegrillt: Was genau Bushido und seine Ehefrau über die Vorkommnisse vom 18. Januar 2018 gesagt hätten, wollten sie wissen.
Bushido hätte dem Anwalt auch gesagt, er sei mit einer Wasserflasche geschlagen worden, außerdem hätten Arafat und seine Brüder einen Stuhl geworfen. Weiter erinnerte er sich: Anna-Maria Ferchichi hätte ihm erzählt, dass sie nach dem Vorfall mit Arafat telefoniert hätte.
Warum sie Arafat überhaupt angerufen hätte, wollte der Anwalt wissen.
Weil Bushido Rötungen im Gesicht gehabt hätte. Das sei der Grund, warum sie Arafat angerufen hätte – um zu erfahren, was passiert sei. Anna-Maria Ferchichi hätte damals außerdem über Arafat gesagt: "Ich lasse mir von dem nichts sagen, ich lasse mich von dem auch nicht einschüchtern." Und: "Sie kennen Frau Ferchichi", erklärte der Berliner Anwalt weiter. "Sie war höflich, sachlich, aber schon bestimmt. Sie war wie er darauf fokussiert, dass sie einfach ihre Ruhe wollen."
Dann kam die Frage auf, ob Bushido auch Beleidigungen erwähnt hätte.
'Du gehörst mir‘, hätte Arafat Bushido zufolge gesagt. "Er hat gesagt, er sei wüst beschimpft worden", antwortete der Anwalt weiter.
Wie genau?
Das erinnere er nicht.
Und einmal sorgte der Anwalt auch für Lacher während der Vernehmung: Warum sich in den alten Aktenvermerken von ihm nichts von Rötungen im Gesicht finde, fragte der Anwalt von Arafat Abou-Chaker den Zeugen.
Was folgte, waren mehrere Sekunden Schweigen.
Er hätte in den Unterlagen doch tätliche Übergriffe erwähnt, versuchte er, sich zu erklären.
Der Konter kam direkt: Das sei nicht dasselbe.
"Ja, dann werde ich es das nächste Mal wohl besser machen", war die sichtlich genervte Reaktion auf den Tadel. Sie wirkte so trotzig, da konnte auch der Richter sein Amüsement nicht verbergen und lachte.
Dass zu dem Zeitpunkt des ersten Kennenlernens von Bushido und dem Berliner Anwalt die Polizei von dem mutmaßlichen Vorfall am 18. Januar 2018 nichts gewusst hätte – das sei ihm nicht klar gewesen, erklärte der Zeuge.
Warum der Rapper die Beamten denn nicht informiert hätte, wollte der Richter wissen.
Das wisse er nicht. "Es sollte kein Streit befeuert werden", vermutete der Berliner Anwalt. "Möglicherweise hat er gehofft, dass er ohne großen Ärger rauskommt." Er hätte das Gefühl gehabt, dass der Rapper bis zuletzt nicht hätte aussagen wollen. "Er wollte einfach frei sein", sagte er.
Der Anwalt wurde hart befragt. Erst nach 90 Minuten ließen Richter, Staatsanwalt und der Arafat-Verteidiger von ihm ab. Weiter geht es am 18. September 2023.