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Callboys buchen: Drei Frauen berichten von ihren Erfahrungen

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Lust aus der weiblichen Perspektive – wie sieht die eigentlich aus?Bild: imago images / Ruslan117
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Callboy und Selbstbestimmung: Warum Frauen Sex kaufen

Sexarbeit ist etwas, das meist aus dem männlichen Blick heraus betrachtet wird. Aus Filmen kennt man Stripclubs, in die nur Männer gehen. Das Narrativ der mittellosen Frau, die sich ohne Sexarbeit nicht über Wasser halten kann, ist weit verbreitet. Aber es gibt auch Frauen, die selbst sexuelle Dienstleistungen kaufen – aus ganz unterschiedlichen Gründen.
21.06.2025, 13:5721.06.2025, 13:57
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Männer, die Sex kaufen, kann man in drei Gruppen aufteilen: Männer, die Sex als "Grundversorgung" betrachten, Männer, die darin "Hedonismus" nachgehen und Männer, die dadurch "soziale Intimität" erfahren. Teilweise überlappen sich die Typen auch.

Aus einem Bericht der "Initiative Kundschaft pro Sexarbeit" geht außerdem hervor, dass die meisten Männer bei sexuellen Dienstleistungen den sogenannten "Girlfriend Sex" suchen. Ihnen geht es weniger um Kinks oder BDSM-Angebote, sondern mehr um "regulären" Geschlechtsverkehr mit anschließendem Plausch.

Männern scheint es beim Kauf von Sex also vor allem um Nähe, Intimität und die Versorgung ihrer Bedürfnisse zu gehen. Aber auch Frauen kaufen sexuelle Dienstleistungen.

watson hat mit Leni, Bianca und Kascha (bei allen Namen handelt es sich um selbstgewählte Pseudonyme der Frauen) gesprochen. Die Gespräche zeigen, wie unterschiedlich die Beweggründe sein können – und was sie eint.

Leni und die Suche nach sexueller Lust

Leni ist seit 17 Jahren in einer harmonischen Beziehung – aber der Sex ist eingeschlafen. Ihr Partner bringt außerdem traumatische Erfahrungen mit, die Nähe erschweren. Als sie das erste Mal einen Callboy buchte, hatten Leni und ihr Partner seit drei Jahren keinen Sex mehr. Für sie war Sex als Dienstleistung ein Weg zurück zur eigenen Lust:

"Ich war ziemlich nervös, wie bei einem ersten Date. Es war eine spontane Entscheidung – ich war alleine im Urlaub, hatte Zeit und Raum für mich. Ich hatte mir schon länger gewünscht, einmal Sex mit einem völlig Fremden zu haben, ohne viele Worte, einfach nur diese körperliche Spannung. Und genau so haben wir es dann umgesetzt: Wir haben uns kaum vorher unterhalten, dann bei mir in der Ferienwohnung getroffen – und es war sehr leidenschaftlich. Ich hatte ihn ursprünglich nur für zwei Stunden gebucht, aber es war so intensiv, dass er über Nacht geblieben ist."

Dating-Apps kamen für Leni auf der Suche nach mehr sexueller Nähe nicht infrage: "Ich hatte da schlechte Erfahrungen – viele plumpe, respektlose Nachrichten, seltsame Typen. Es fühlte sich nicht sicher an." Das Buchen eines Callboys hingegen sei eine professionelle Dienstleitung – "klar besprochen, sicher, ohne verletzte Gefühle".

Die Erlebnisse mit einem Callboy helfen ihr nicht nur auf individueller Ebene, sondern entlasten auch die Beziehung: "Ich komme von solchen Begegnungen oft beschwingt zurück, mit mehr Lust, auch meinem Partner wieder körperlich näherzukommen. Das überträgt sich positiv auf unsere Dynamik."

Bianca will Selbstbestimmung und Unabhängigkeit

Für Bianca war es nach einer Trennung der Wunsch nach körperlicher Nähe ohne feste Bindung, der sie veranlasste, zum ersten Mal einen Callboy zu buchen. "Ich wollte frei bleiben, aber nicht auf Intimität verzichten."

Auch sie entschied sich bewusst gegen Dating-Apps und betont die professionelle, vertrauensvolle Atmosphäre in der Sexarbeit:

"Ich schaue mir die Websites genau an, checke ihre Social-Media-Auftritte und beobachte manchmal ein Jahr lang, bevor ich buche. Das gibt mir ein gutes Gefühl für die Person. Besonders bei BDSM-Angeboten ist mir wichtig, dass ich Vertrauen aufbauen kann. Man merkt sehr schnell, ob jemand sein Angebot mit Respekt und Professionalität betreibt. Ich will mich sicher fühlen."

Heute lebt Bianca in einer offenen Beziehung und erlebt Sexarbeit als Möglichkeit, ihre Bedürfnisse auf Augenhöhe zu erfüllen. "Es ist ein Beruf, der Nähe ermöglicht – und das in einer Gesellschaft, in der viele vereinsamen. Das kann sehr wertvoll sein."

Aber Bianca kennt auch die Stigmatisierung der Szene, vor allem wenn Frauen offen mit ihren Bedürfnissen umgehen. Davon, dass sie immer wieder sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nimmt, wissen nur ihr Partner und eine gute Freundin. Als sie sich in der Vergangenheit einmal einem Freund dahingehen öffnete, brach dieser den Kontakt zu ihr ab: "Er konnte nicht nachvollziehen, dass ich als Frau Sex kaufe – obwohl er mir selbst mal erzählt hatte, dass er Sexarbeiterinnen aufgesucht hat. Das war für mich sehr enttäuschend."

Körperarbeit und Selbstheilung – Kaschas Weg zu sich selbst

Kascha suchte nicht primär nach sexueller Abwechslung, sondern einen Weg, sich selbst wieder zu spüren. Nach Studienabschluss und Pandemie-Lockdown fühlte sie sich körperlich entfremdet. "Ich brauchte einen Impuls, um wieder Zugang zu mir selbst zu finden – körperlich und sexuell."

Die Buchung eines Callboys wurde für sie zur Form der Selbstfürsorge. Ihrem Partner gegenüber macht sie deutlich: "Ich suche nicht Ablenkung, sondern Entwicklung."

Kascha ging es bei ihrer Erfahrung nicht nur um Sexualität. Deshalb entschied sie sich für einen Callboy, der mit einem sensiblen Ansatz arbeitet und auf Wunsch Bilder und Filme macht:

"Es ging stark um meinen Körper. Um das Gefühl, ihn wieder annehmen zu können. Wir haben Fotos gemacht – unbearbeitet, ehrlich – und ich habe mich zum ersten Mal ganz bewusst nackt gesehen. Ich habe gelernt, meinen Körper zu zeigen, ihn zu akzeptieren, mich sogar schön zu finden. Das war eine große Veränderung. Auch die Art der Berührung war wichtig: ein anderes, achtsameres Spüren. Das alles habe ich mit in meine Beziehung genommen."

Die Erfahrung half ihr, ihren Körper neu zu sehen, zu akzeptieren – und mit mehr Achtsamkeit in die eigene Beziehung zurückzukehren. "Ich habe Berührung neu gelernt." Für sie war es eine Form von sexueller Selbstermächtigung. "Ich wollte einfach nur Lust empfinden, berührt werden, spüren. Ohne Ziel. Ohne Zweck."

Mittlerweile bezieht Kascha keine sexuellen Dienstleistungen mehr:

"Ich habe gespürt: Ich bin jetzt an einem Punkt, an dem ich es alleine kann. Ich brauche diese Begleitung nicht mehr. Ich gehe alleine auf Partys, tanze nicht mehr am Rand, sondern mittendrin. Ich traue mich an den FKK-Strand – das war früher undenkbar. Ich treffe Entscheidungen für mich und lebe viel selbstbestimmter. Auch mein Kleidungsstil hat sich verändert – ich trage, was mich wohlfühlen lässt, nicht was andere erwarten."

Was diese Frauen verbindet: Selbstbestimmte Sexualität

So unterschiedlich die Ausgangslagen von Leni, Bianca und Kascha auch sind – eines haben sie gemeinsam: Sie entscheiden bewusst über ihre Sexualität. Keine der Frauen sieht in der Buchung sexueller Dienstleistungen ein Ausweichen vor Problemen – sondern vielmehr einen aktiven Schritt zu mehr Selbstbestimmung, innerer Freiheit oder körperlichem Wohlbefinden sowie dem Ablegen von Scham.

Was sie suchen, ist nicht "nur" Sex – sondern Intimität, Sicherheit, Entwicklung oder Heilung. Sie alle meiden Dating-Apps oder Affären, weil sie dort Respekt und Kontrolle vermissen. Und sie alle empfinden die professionelle Struktur der Sexarbeit als klar, sicher und entlastend.

Dabei spielt auch ein gesellschaftliches Tabu eine große Rolle. Alle drei Frauen berichten von Erfahrungen mit einer gewissen Doppelmoral und mit Unverständnis. Und davon, diesen Teil ihres Lebens sehr geheim zu halten. Dass Männer Sex kaufen, wird oft hingenommen. Dass Frauen das Gleiche tun, sorgt immer noch für Irritation.

Dabei zeigen diese Gespräche: Weibliche Sexualität lässt sich nicht auf Liebe oder Beziehung reduzieren, wie es häufig noch von Frauen erwartet wird. Sie ist vielfältig und verdient es genauso wahrgenommen zu werden, wie männliche Sexualität es seit eh und je tut.

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