
Je erfolgreicher Frauen werden, umso wichtiger wird, dass Partner sich nicht nur über die Ernährerrolle definieren.Bild: E+ / Charday Penn
Interview
Erfolgreiche Frauen haben es schwer auf dem Singlemarkt. Eine Deutsche will das ändern und startet eine Dating-App, in der nur wandelnde Green Flags willkommen sind: nämlich Männer, die kein Problem mit ehrgeizigen Partnerinnen haben. Dafür bürgen ihre Schwestern, Kolleginnen und Co.
01.06.2025, 15:1501.06.2025, 15:15
Die Idee zur App hatte Bianca Praetorius, weil sie jeden Tag umgeben ist von ambitionierten Frauen, die unfreiwillig Single sind. Die Deutsche glaubt, dass es Männer braucht, die "mit sich selbst im Reinen sind und um ihren Wert wissen", um ein gelungenes Match herzustellen. So ist es auf der Website von "Cherrish.One" formuliert.
Wie Bianca diesen modernen Männertyp über Wingwomen finden will und wer diese Idee am meisten kritisiert, darüber sprachen wir im watson-Gespräch.
"Frauen sind zu Recht verletzt, wenn sie hart an ihrem Erfolg arbeiten und dann freut sich der Partner nicht für sie."
watson: Wie kamst du auf die Idee, eine Dating-App für erfolgreiche Frauen zu gründen?
Bianca Praetorius: Ich bin Coach für Start-ups und ein Thema, was immer wieder nebenbei unter den Frauen aufkam, war die Schwierigkeit, einen Mann zu finden. Ich fand das so ungerecht, weil das grandiose, kluge Frauen sind. Doch Liebe und Kinder bleiben ihnen oft verwehrt, da sie als Singles "übrigbleiben". 2022 habe ich einen spontanen Post verfasst, dass es Dating-Apps geben sollte speziell für Karrierefrauen und Männer, die das nicht einschüchtert. Das schlug ein wie eine Bombe. Ich dachte: "Gut, gründe ich diese App eben selbst."
Komisch. Wenn man Männer fragt, haben sie meist kein Problem, eine Frau zu daten, die sie finanziell oder intellektuell übertrumpft.
"Also, ich fände das toll!", höre ich auch ständig. Die Statistik zeigt aber was anderes und die Erfahrungen von Frauen auch. Ich glaube, Ursache für dieses schräge Selbstbild von Männern ist, dass ihnen gar nicht auffällt, worauf sie mit Ablehnung reagieren. Das ist unbewusst.
Wie meinst du das?
Männer gehen vielleicht auf ein einziges Date mit einer CEO und das Gespräch mit ihr folgt nicht dem typischen Flirt-Skript, in dem er sich stark und sexy fühlt. Nun denkt er natürlich nicht "die war mir zu tough", sondern "hat irgendwie nicht gefunkt."
Ein Einzelfall.
Genau. Die CEO aber erlebt ein Date nach dem anderen und jedes Mal an dem Punkt, wo sie ihr Wissen oder Durchsetzungskraft offenbart, schwindet das Interesse. Die erkennt viel schneller: Das ist kein Einzelfall. Sondern ein Muster.
"Wer nicht mehr Brotverdiener ist, muss seinen Wert in der Beziehung aus etwas anderem ziehen."
Was sagt die Statistik dazu?
Muster! Man nennt das die "Female success penalty". Frauen werden sozial bestraft, wenn sie erfolgreich sind. Es gibt Studien, die zeigen, dass die Scheidungsrate sich verdoppelt, sobald die Frau eine Beförderung erhält. Die mentale Gesundheit von Ehemännern leidet, sobald sie mehr als 40 Prozent des Einkommens verdient.
Wer ist daran schuld?
Die Rollenbilder, die uns seit hunderten Jahren eingetrichtert wurden. Frauen sind zu Recht verletzt, wenn sie hart an ihrem Erfolg arbeiten und dann freut sich der Partner nicht für sie, sondern straft mit Vorwürfen. Für die Männer neben ihnen ist es aber auch nicht leicht, denn ihr Umfeld reagiert auch – mit Sticheleien.
Da muss man sehr selbstsicher sein.
Ein Satz, der immer wieder fällt, wenn ich Männer frage, warum sie keine besserverdienende Frau wollen, ist ein verletztes: "Wozu bräuchte sie mich dann noch?!" Das rührt mich fast, muss ich sagen.
Man könnte es auch finanzielle Gewalt nennen: Will er, dass sie nur bei ihm bleibt, weil sie abhängig ist? Wäre doch schöner, für andere Qualitäten geliebt zu werden.
Natürlich, aber wer nicht mehr Brotverdiener ist, muss seinen Wert in der Beziehung aus etwas anderem ziehen, zum Beispiel emotionale Nähe oder Präsenz im Familienleben. Dieser Shift gelingt leider nicht allen, sie fühlen sich dann unnütz.
Wie sieht deine eigene Beziehung aus?
Ich ernähre unsere Familie. Das funktioniert gut, weil mein Mann ein leidenschaftlicher Brettspielentwickler ist, der sich für neue Lösungen begeistert. Neugier zeichnet viele Männer von Karrierefrauen aus.
Erkennst du, abgesehen von Neugierde, typische Merkmale an Männern erfolgreicher Frauen?
Für Männer mit großen Schwestern oder alleinerziehenden Müttern ist eine starke Frau oft normal. Auch Regionen haben Einfluss: Im Norden ist man diesbezüglich lässiger als in Süddeutschland. In Ostdeutschland stolpert auch keiner über beruflichen Ehrgeiz. "Klar will die voll arbeiten!", höre ich da öfter als in Hessen.
Es gibt aber auch noch genug Frauen, denen wichtig ist, dass ihr Mann mehr verdient als sie.
Oh ja! Frauen sind genauso darauf geeicht, nach oben zu daten. Diese Rechnung geht heute aber nicht mehr auf. Hypogamie (Anm. d. Red. Ehe, in welcher der soziale Status der Frau höher ist als der des Mannes) erfordert Umdenken auf beiden Seiten. Frauen sollten nach Empathie und Loyalität schauen, statt Status und Dominanz.
Welche Frauen sind erfolgreich genug für die App?
Für mich geht es nicht um Gehalt, sondern um Overperformerinnen, die Strahlkraft haben – das kann auch jemand sein, der politisch Einfluss hat, kreative Freiberuflerinnen oder Frauen in Führungspositionen.
"Coole Typen bleiben nie unbeachtet von Schwestern, Nachbarinnen, Kolleginnen. Darauf setze ich."
Wie entscheidest du, welche Männer "dateable" sind, wie es auf der Website heißt?
Darüber grübelte ich am längsten, bis ich dachte: Wer bemerkt gute Typen, die mit sich im Reinen sind und Frauen wertschätzen am ehesten? Andere Frauen! Jede kennt einen Kollegen oder Kumpel, der Green-Flag-Material ist und den man gerne verkuppelt – als Wingwoman.
Was macht eine Wingwoman?
Du schickst einem tollen Single-Mann eine Einladung zur App. Nimmt er sie an, sieht man: Julia hat Lars eingeladen. Du bürgst für ihn, so wie man einen Freund mit zur Party bringt. Dazu schickst du eine Voicemail, à la: "Lars lernte ich vor sechs Jahren an Silvester kennen, als er meine Balkonpflanzen gelöscht hat. Er ist seit zwei Jahren Single und liebt Hunde." Wer sich für Lars interessiert, kann ihn dann kontaktieren.
Und wer nicht eingeladen wird, fragt sich, warum?
Oh Gott, Ja! Ist in meinem eigenen Freundeskreis passiert. Wir saßen zusammen, drei Frauen und ein Kumpel, den wir alle gut kennen und er sagte: "So – und wer von euch bürgt für mich?" Alle schauten betreten auf den Boden. Und er so: "Moment! Bin ich etwa einer von den problematischen Typen, von denen ihr immer sprecht?!"
Wie überprüft ihr, dass die Wingwomen echt sind?
Alle Unterhaltungen in der App laufen über Voicemails. Zum einen ist es einfacher, den Vibe eines Menschen über seine Stimme zu spüren, Sprache verrät schließlich viel über Temperament und Humor. Zum zweiten ist es schwerer, Stimmen zu faken als Texte. Das erhöht die Sicherheit.
Auch vor Love-Scammern?
Noch ist die App so neu, dass wir keine 1000 Mitglieder haben. Aber wenn es mehr werden, werden wir kostenpflichtig, schon diese Hürde hält Love-Scammer ab. Noch dazu müssen Mitglieder ein längeres Onboarding hinter sich bringen, was ein Aufwand ist, der auch manchem Troll und Fuckboy schon zu hoch ist.
Erlebst du viel Hate?
Leider ja. Manche Männer fühlen sich extrem provoziert, weil wir sagen, die App wäre für "men that don't feel intimidated". Das beweist nur, dass unser Wingwoman-Filter Sinn ergibt. Es gibt viele starke Frauen, die Liebe verdient haben. Und ich bin überzeugt, dass es ebenso viele grandiose Männer gibt, die übersehen werden. Aber wirklich coole Typen bleiben nie unbeachtet von Schwestern, Nachbarinnen, Kolleginnen. Darauf setze ich.