Besonders in Deutschland, wo selten über das Gehalt gesprochen wird, wissen viele Paare nicht einmal genau, wie viel ihr Lieblingsmensch eigentlich verdient.
Das mag zwar romantisch sein, birgt aber auch jede Menge emotionalen Sprengstoff. Zum Beispiel, wenn sich zum ersten Mal gemeinsam etwas gegönnt wird, was für Person A nur eine kleine Extravaganz bedeutet, Person B aber ein fettes Loch in den Dispo reißt.
Wenn eine:r in der Beziehung über deutlich mehr Geld verfügt als der oder die andere – wird das im Alltag nicht zwangsläufig zum Problem?
Watson sprach darüber mit Christian Hemschemeier. Er ist Psychologe und Paartherapeut und sagt: "Geld ist erst einmal nur eine Ressource, die angezapft werden kann, um etwas leichter oder schwieriger zu machen."
Damit wäre Geld in Liebesdingen oft einfach nur "ein Verstärker von bereits bestehenden Themen in der Beziehung." Heißt: Hinter Gezeter um Zaster steckt oft noch ein zweites Thema. Hört also bei Geld die Liebe auf?
"Grundsätzlich ist es immer noch so", weiß der Paartherapeut aus der Praxis, "dass es viele Menschen in Heterobeziehungen nicht sehr attraktiv finden, wenn die Frau mehr verdient als der Mann. Gilt natürlich nicht für alle! Aber statistisch betrachtet suchen Frauen immer noch mit der Tendenz nach oben einen Partner, was den Status, das Gehalt, die berufliche Position angeht."
Für beruflich und finanziell extrem erfolgreiche Frauen komme dann oft nur eine kleine Personengruppe infrage, während männliche Power-Player sich statustechnisch nach unten orientieren und aus einem breiten Singlepool schöpfen könnten. "Das ist einfach noch sehr verankert", sagt der Experte.
"Wobei man da auch genauer hinschauen muss, es ist komplex", führt er weiter aus:
Es gehe in Sachen Anziehungskraft zwischen Menschen, neben der Romantik, also "nicht allein um Geld, sondern auch um Anerkennung und Status."
Soweit zur Partner:innenwahl. Was aber, wenn man bereits in einer Beziehung ist und nun feststellt, dass die Gehälter derart unterschiedlich ausfallen, dass 50/50 einfach nicht gerecht funktioniert?
Wenn die erste gemeinsame Wohnung oder der Sommerurlaub eine Person locker 60 Prozent seines Monatsgehalts kosten würde, die andere aber nur 30 Prozent, heißt es schnell: wie findet man einen Kompromiss, in denen keiner von beiden immer verzichten muss?
"Ein großer Gehaltsunterschied wirft eben schon ein paar Fragen auf", sagt Hemschemeier daher. Denn Beziehungen sollten eigentlich "in etwa ausgeglichen sein im Kräfteverhältnis", ein sehr unterschiedliches Vermögen mache das "per se schwieriger."
Es kann zu unangenehmen Momenten führen, wenn zum Beispiel jeder einzelne Urlaub "im Detail auseinander gerechnet wird und dann einer ins Schleudern kommt und der andere das aus der Portokasse zahlt", warnt der Psychologe. So etwas sorge für negative Gefühle wie Scham, Frust und Schuld, die die Beziehung belasten.
Gerade um Bitterkeit nicht aufkommen zu lassen, sei ein gewisser Grad an Großzügigkeit unerlässlich. "Als Paartherapeut finde ich, dass – ganz unabhängig vom Geschlecht – in Beziehungen nicht permanent aufgerechnet werden sollte", sagt Hemschemeier dazu. "Wer mehr Zugang hat, zur Ressource Geld, sollte sich entsprechend dieser Anteile mehr beteiligen."
Heißt: Verdient sie doppelt so viel wie er, könnte sie zum Beispiel immer zwei Wocheneinkäufe zahlen, er dann den Dritten. Das sei in ernsten Beziehungen, die länger dauern, gerecht, denn der oder die Andere würde ja "vermutlich etwas anderes beisteuern: Sei es mehr Zeit für die Beziehung oder Kindererziehung."
Es sei völlig okay, "wenn jeder die Ressource einbringt, die er zur Verfügung hat", damit sich "wieder ein Gefühl der Ausgeglichenheit herstellt." Hält sich das in etwa die Waage, muss sich keiner von beiden schlecht oder auch ausgenutzt fühlen.
Das setzt natürlich voraus, dass beide gleichermaßen engagiert in der Beziehung sind und sich nicht eine:r beim anderen bereichert. Auch Geld als Druckmittel zu verwenden oder das Gegenüber spüren zu lassen, dass man die finanzielle Überhand hat, ist ein No-Go.
Solch toxische Beziehungen kranken aber dann meist auch an anderen Stellen, der schnöde Mammon ist – wie eingangs erwähnt – nur der Verstärker dieser Probleme. In einer fairen, liebevollen Partner:innenschaft sollte das Vermögen kein Dealbreaker sein. Hemschemeier betont:
Diese Anteile "sind nämlich nicht weniger 'wertvoll', nur weil sie nicht monetär sind", schließt der Experte. Wenn das beide Seiten verinnerlicht haben, muss sich keine:r mehr schlecht fühlen für sein oder ihr Einkommen, sondern kann die Partner:innenschaft feiern als das, was sie im Idealfall ist: ein Geben und Nehmen.