Für manche Partnerschaft ist es ein echter Stresstest, wenn herauskommt, dass sich die neue Beziehung immer noch auf Datingapps herumtreibt, obwohl man sich doch bereits offiziell füreinander entschieden hat.
Was soll das?! Bedeutet das automatisch, dass die andere Person fremdgeht oder noch etwas anderes sucht? Kann man erwarten, dass Tinder und Co. gelöscht werden, sobald ein Commitment besteht oder ist das völlig übertrieben?
Wir haben Pia Kabitzsch dazu befragt. Die Psychologin begeistert sich für alle Dating-Themen und spricht darüber auch in ihrem Tinder-Podcast "Besser Daten".
Sie sagt, diese Frage sei von drei unterschiedlichen Faktoren abhängig. Zum einen, "kommt es sehr darauf an, zu welchem Zweck die Datingapps genutzt werden", welche Regeln der Exklusivität zwischen dem Paar gelten würden und auch "von welchen Beziehungstypen wir sprechen".
Denn das Bedürfnis nach Exklusivität sei sehr unterschiedlich. Zudem spielen Ängste und Unsicherheiten eine Rolle. In der Paartherapie werden Leute daher zuweilen grob in Kategorien betrachtet, die Aufschluss über ihre jeweiligen Verhaltensmuster geben können.
"Menschen verhalten sich oft entweder vermeidend, ängstlich oder sicher in ihren Bindungen", erklärt Pia Kabitzsch zum Thema:
Wichtig zu wissen: nichts davon ist besser als das andere. Entscheidend ist nur, ob zwei Menschen zusammenkommen, deren Beziehungstypen einander gut ergänzen. Verliebt sich nämlich der eben erwähnte ängstliche Beziehungstyp beispielsweise in den vermeidenden Beziehungstyp, stressen sie sich eher gegenseitig.
"Da gibt es kein Gut oder Böse, richtig oder falsch, sondern einfach unterschiedliche Bedürfnisse, die miteinander besprochen werden müssten", betont die Psychologin daher noch einmal deutlich.
In Bezug auf Hinge, Bumble und Tinder wird es aber etwas komplizierter. "Diese Datingapps gab es früher so nicht", gibt Pia zu Bedenken. "Daher ist das wohl eine neue Art von Gespräch, die jetzt zum Start einer Beziehung geführt werden müsste." Es gebe schlicht keine "allgemeingültige Antwort" auf diese Frage. Nur individuelle Lösungen für Paare.
Die dafür nötige Unterhaltung könnte aber eine gute Chance sein, um generell wichtige Themen auf den Tisch zu bringen. Zum Beispiel eben, wie Monogamie in der Partnerschaft definiert wird, welche Erwartungen man an das Gegenüber stellt und was verletzen würde.
"Die Frage, wann und ob es nötig ist, Datingprofile als Zeichen des Commitments zu löschen, kann sicher für einige Paare sehr aufschlussreich sein, um einander noch besser kennenzulernen", erklärt Pia Kabitzsch.
Interessant wäre es aber nicht nur zu erfahren, warum sich eine Person wünscht, dass die Apps gelöscht würden, sondern auch, warum die andere Person es derart wichtig findet, sie zu behalten.
Es gäbe sehr viele unterschiedliche Motive, aus denen heraus Menschen sich auf Tinder und Co. herumtreiben, glaubt die Psychologin. Wichtig wäre es daher "herauszufinden, wann und warum Datingapps weiter genutzt werden, obwohl man in einer Beziehung ist". Sie führt aus:
Ist der Grund tatsächlich, dass insgeheim weiter nach einer noch "passenderen" Person gesucht wird, ist das natürlich deutlich schwerwiegender als wenn jemand aus Faulheit die App noch nicht gelöscht hat.
Eine Sache, die man schnell mit einem Klick korrigieren könnte, sofern es einen selbst nicht stört. Erwarten und voraussetzen dürfe man das zwar auf keinen Fall, glaubt die Psychologin. Sie sieht aber dennoch einen Reiz im offiziellen Abschied vom Online-Dating-Game...
"Wenn beide gemeinsam beschließen, dass sie sich jetzt bewusst aus dem Datinggame herausziehen möchten, weil sie zufrieden miteinander sind und nicht mehr weiterschauen möchten, könnte ich mir das als eine sehr süße Geste vorstellen – gemeinsam nebeneinander auf dem Sofa die Apps zu löschen", sagt die Expertin abschließend zum Thema: "Das ist fast schon ein romantischer Moment der Moderne."