Na, wo ist er oder sie denn hin?! Keine Antwort mehr, keine Reaktion, einfach Schweigen im Walde – und das, obwohl wochenlang noch fröhlich geflirtet wurde.
Das Phänomen Ghosting ist zwar inzwischen ein alter Hut beim Online-Dating, dennoch haben die meisten Menschen immer noch keine gute Strategie, um mit der Nicht-Einmal-Zurückweisung adäquat umzugehen. Stattdessen bleiben die Geghosteten irritiert, wütend, im schlimmsten Fall verletzt zurück.
Was nun? Wie fühlt man sich besser, wenn man erst geghosted wurde? Lohnt es sich, lautstark eine Erklärung zu fordern? Oder sollte man kommentarlos die Nummer löschen und den Groll hinunterschlucken?
Wir haben Pia Kabitzsch dazu befragt. Die Psychologin begeistert sich für alle Dating-Themen und spricht darüber auch in ihrem Tinder-Podcast "Besser Daten".
Ihr erster Rat ist es, das "Thema zu rationalisieren." Heißt, Ghosting ist (leider) erst einmal eine ganz normale Sache, die den meisten Singles dann und wann passiert, kein Grund für abgrundtiefe Selbstzweifel. Die Psychologin tröstend: "Ghosting muss nicht, aber kann Teil von Onlinedating sein. Onlinedating hat viele tolle Seiten, aber das ist eben eine negative."
Wer das im Hinterkopf behält, dem wird schnell klar, dass geghosted zu werden im Umkehrschluss auch nicht heißen muss, dass man als unattraktiv, langweilig oder schräg empfunden wurde. Ganz im Gegenteil.
"Ghosting kann jedem passieren und hat häufig nichts mit dir zu tun, sondern mit den Umständen, die die andere Person umgeben", erklärt Pia. Sie führt über die Gründe aus:
In den meisten Fällen wird sich einfach nicht zurückgemeldet, weil das commitment noch nicht so stark empfunden wurde, die Rückmeldung vergessen wurde oder man meint, den oder die andere:n damit weniger zu verletzen.
Selbst wenn sich das Aus-dem-Staub-machen tatsächlich gegen dich persönlich richtet, mahnt die Psychologin eines nicht zu vergessen: "Die Person ghostet nicht dein ganzes Wesen, sondern nur einen Mini-Teil von dir, sie kennt dich ja kaum."
Die Menschen, mit denen man online schreibt, telefoniert, vielleicht sogar ein-, zweimal auf Dates war, sind immer noch im weitesten Sinne fremd. "Sich das klarzumachen, kann manchmal schon helfen, nicht total an sich zu zweifeln", sagt Pia.
Was außerdem hilft? "Das Steuer wieder in die Hand zu nehmen", sagt die Expertin. "Sonst leidet man an diesem Gefühl des Kontrollverlusts." Das geht allerdings nur mit ein bisschen Mut. Pia:
Wichtig ist nur, sich dann auch direkt eine Deadline zu setzen, an die man sich hält, à la: "Wenn ich bis Freitag nichts höre, lösche ich diese Person aus den Kontakten und weiter geht's."
So erhält das Gegenüber eine letzte Chance, zu erklären, was eigentlich los war. Man selbst erhält die Chance auf Abschluss und – positiver Nebeneffekt – man kommt "etwas aus dieser passiven Opfer-Haltung heraus und wird wieder aktiv, man fühlt sich nicht mehr so ausgeliefert", so die Psychologin. Das tut der Seele gut.
Wenn man nun aber schon etwas mehr Kontakt miteinander hatte, kann es ein zusätzlicher Stich ins Herz sein, wenn man den oder die andere:n zwar nicht mehr erreicht, über Posts aber sieht, dass die Person weiter online ist, vielleicht sogar mit Freund:innen in deiner Nachbarschaft umher tingelt.
Es wäre diesem Menschen also ein leichtes, sich mal kurz zu melden. Wieso tut er es nicht? Sollte ich vielleicht ein Foto posten, auf dem ich superhappy nebenan feiere, um auf mich aufmerksam zu machen? Pia versteht Gedanken wie diese, rät aber dazu, sich nicht weiter in sie hineinzusteigern:
Denn, wie sie es deutlich formuliert: "Was willst du mit jemandem, der sich bewusst und aktiv nicht bei dir meldet?!" Die einzig gesunde Antwort darauf ist wohl: nichts. Lass' solche Menschen dort, wo sie offenbar sein wollen – bei den Geistern der Vergangenheit.