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"Harry Potter und das verwunschene Kind": Warum alle Fans das Stück sehen sollten

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Bild: Warner Bros./Matthew Murphy/Montage watson
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"Harry Potter und das verwunschene Kind": Warum selbst Skeptiker das Stück sehen müssen

Dir hat das Drehbuch nicht gefallen? Mir auch nicht. Und trotzdem liebe ich das Theaterstück.
09.12.2019, 06:4915.01.2020, 11:52
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Fast vier Jahre hat es gedauert, bis "Harry Potter und das verwunschene Kind" aus London zu uns rüberschwappte. Jetzt ist der "achte Teil" zum Greifen nah: Im März 2020 feiert das Theaterstück in Hamburg seine deutsche Premiere.

Das umstrittene Theaterstück, sollte ich vielleicht sagen – denn mal so unter uns Fans: Wir alle wissen, dass das 2016 prompt nach der London-Premiere veröffentlichte Drehbuch nicht jeden "Potterhead" begeisterte. Auch nicht diesen hier, aber dazu gleich mehr.

Trotz meiner Skepsis war ich in London, um mir das Stück anzusehen und herauszufinden, ob sich der teure Spaß lohnt – für Potter-Fans oder jene, die sich nicht als solche bezeichnen, für begeisterte Verehrer des Drehbuchs sowie dessen Kritiker. Kurz gesagt: Ist das Erlebnis die Hamburg-Reise wert? Kurz geantwortet: Darauf kannst du all dein Muggelgeld verwetten.

Hogwarts ist moderner geworden. Na, zumindest die Haus-Banner.
Hogwarts ist moderner geworden. Na, zumindest die Haus-Banner.Bild: Matthew Murphy

Theater: Ein neues Medium

"Harry Potter und das verwunschene Kind" versucht nun, seinen Zauber in Form eines ungewohnten Mediums zu versprühen. Die meisten Fans sind Filme bestimmt und Bücher hoffentlich gewöhnt; ein Theaterstück ist da schon etwas anderes.

Ein großer Teil der Kritik an "Das verwunschene Kind" fußte auf genau der Tatsache, dass Fans nun teils zum ersten Mal ein Drehbuch in den Händen hielten und damit nichts so recht anzufangen wussten. Das Medium "Theaterstück" hatte in diesem Fall außerdem noch mit einem ganz anderen Skepsispunkt zu kämpfen: Wie sollte hierin Magie ohne die Fantasie des Lesens, ohne die Special Effects des Films zum Leben erweckt werden?

Die Skepsis der Fans und die Kritik an diversen Logikproblemen in der Handlung – auf die ich im Folgenden aus Spoilergründen nicht näher eingehen werde – ist auch an Online-Bewertungen abzulesen: Auf 3,5 Sterne kommt das Skript bei Amazon, 3,7 sind es auf Goodreads.com.

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Das Drehbuch: Man liebt es oder hasst es, wie es scheint.Bild: imago/ZUMA Press

Mein Problem mit dem Skript zu "Das verwunschene Kind"

Die teilweise heftige Kritik, gepaart mit meinem Problem mit Rowlings Tendenz zum nachträglichen Rumbasteln an der Originalgeschichte (worüber ich mich hier schon ausließ), hielten mich lange davon ab, dem Drehbuch eine Chance zu geben. Ich wollte keinen "achten Teil"; der siebte hatte die Story schon fantastisch abgeschlossen. Noch dazu klang diese Fortsetzung, die sich nun um die nächste Generation der Potters, Granger-Weasleys und Malfoys drehen sollte, für meinen Geschmack etwas zu sehr nach Fanfiction. Irgendwann knickte ich dann doch ein – zu groß war die Fan-Liebe – und war... erschrocken.

Das las sich nicht wie Potter. Diverse Logikprobleme sprangen mir förmlich von den Seiten entgegen. Und da Rowling das Ganze nicht geschrieben hatte, sondern Drehbuchautor Jack Thorne und Regisseur John Tiffany – und es eben ein Drehbuch, kein Roman, war –, fehlten ihre charakteristischen, zum Kopfkino einladenden Beschreibungen der Personen, der Orte, der Situationen. Die Distanz zwischen Rowlings Geschichten und dieser hier fühlte sich gigantisch an.

Hermine, Ron und Harry haben sich auch verändert.
Hermine, Ron und Harry haben sich auch verändert.Bild: Matthew Murphy

Auf diesem Eindruck basierend erlaubte ich mir ein vorschnelles Urteil über ein Theaterstück, das ich nie gesehen hatte, überzeugt davon, dass die Bühnendarbietung ja letztlich nichts an den Handlungsproblemen ändern könnte, die mich störten. Damit sollte ich Recht behalten. Und dennoch war ich, nachdem ich "Harry Potter und das verwunschene Kind" im Londoner Palace Theatre gesehen hatte, hin und weg – und möchte das Stück hiermit auch anderen Skeptikern ans Herz legen. Lasst mich das erklären...

Die erste Szene kennt jeder "Harry Potter"-Fan bereits.

Es ist der Epilog des letzten Buches, die letzte Szene im letzten Film. 20 Jahre nach der Schlacht um Hogwarts stehen Harry, Ginny, Ron, Hermine und Draco am Gleis 9 3/4 und entlassen ihre Kinder, Albus Severus Potter, Rose Granger-Weasley und Scorpius Malfoy, in deren erstes Hogwarts-Jahr.

Und Albus (rechts) ist jetzt schon deprimiert.
Und Albus (rechts) ist jetzt schon deprimiert.Bild: Matthew Murphy

Schon im Hogwarts-Express zeigt sich, dass Potter Junior unter Daddys Berühmtheit leidet und sich weigert, in dessen riesige Fußstapfen zu treten. Prompt freundet er sich mit einem unwahrscheinlichen Kumpel an: Scorpius Malfoy, der seinem Vater zwar ähnelt wie ein Ei dem anderen, allerdings ein sehr sensibles, unsicheres Ei ist. Potter und Malfoy werden beste Freunde, und im Laufe der nächsten Jahre distanziert sich Albus immer mehr von seinem Vater Harry. Bis er irgendwann beschließt, wegzulaufen, in dem Glauben, er könnte eine Katastrophe korrigieren, bei der Harry Jahrzehnte zuvor versagt hatte...

Unter dem Hashtag #keepthesecrets wird "Harry Potter und das verwunschene Kind" beworben; sogar auf dem Ticket steht der kurze Spruch. "Wahrt die Geheimnisse", wünscht sich Rowling – weswegen ich über die Handlung des Stücks hier nicht viel verraten werde, um niemandem die Überraschung im Theater zu verderben.

Daher nun ein paar spoilerfreie Eindrücke.

Die erste halbe Stunde des Stücks vergeht wie im Flug. Im Anschluss auf eine große Überraschung in Albus' erstem Schuljahr sehen wir die nächsten Jahre an uns vorbeirauschen, was – trotz der künstlerisch fließenden Szenenübergänge – ein wenig gehetzt wirkt. Wer nun im Theater kurz zur Toilette muss, verpasst schnell vier Jahre im Potter-Universum.

Prompt ist Albus 14 Jahre alt, hochpubertär und erinnert an Aggro-Harry aus "Der Orden des Phönix". Während Albus allerdings damit beschäftigt ist, sich beleidigt durch die Zaubererwelt zu schmollen, geht es anderswo lustiger zu. Insbesondere bei Ron, dem in diesem Stück (leider) eine weniger tragende, mehr amüsante Rolle als Pausenclown zufällt. Der Humor in "Das verwunschene Kind" ist überzogener, als man es aus den Büchern und Filmen kennt. Meinen Geschmack traf er allerdings: Zahlreiche Male lachte ich laut los und war damit nicht allein.

Wer nun allerdings vermutet, das Stück sei im Kern eine Komödie, irrt.

"Harry Potter und das verwunschene Kind" ähnelt von der Düsternis her der zweiten Hälfte der Filme und Bücher und ist in seiner Thematik vielleicht sogar noch ein Stückchen reifer.

Der Konflikt zwischen Eltern und Kindern und die Herausforderung des In-die-Fußstapfen-Tretens zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte: Albus weigert sich, seinem Vater Harry nachzueifern; Scorpius leidet unter den Gerüchten, er sei kein echter Malfoy; und die neue Freundin der beiden, Delphi, versucht mit der Hilfe der Jungen, ihre kaputte Familie wieder geradezubiegen. Während Harry also in den Büchern und Filmen quasi keine Verwandten hatte, ist "Familie" hier nun das zentrale Thema. Und das geht, wenig überraschend, echt ans Herz. Ebenso wie die wirklich zuckersüße Freundschaft zwischen Albus und Scorpius.

Sieh dir diese Sweethearts an. Aww!
Sieh dir diese Sweethearts an. Aww!Bild: Matthew Murphy

Nicht nur das Herz, auch das Auge bekommt ordentlich etwas geliefert.

"Wow, diese Special Effects!", hört man vermutlich eher am Ausgang eines Kinos als eines Theaters; hier ist das anders. Mehr als nur einmal ging mir während der Vorstellung die Frage durch den Kopf, wie zur Hölle sie diesen und jenen Effekt erzeugt hatten. Erstaunlich, was mit ein wenig Nebel und dem richtigen Licht möglich ist. Einen spektakulären Zeitlupen-Kampf hatte ich jedenfalls nicht erwartet. Und so gruselig realistische Dementoren auch nicht.

Feuer auf der Bühne. FEUEEER!
Feuer auf der Bühne. FEUEEER!Bild: Manuel Harlan

Mein Fazit: Auf eigene Art umwerfend.

"Harry Potter und das verwunschene Kind" ist eine Geschichte, die sich hauptsächlich an die Fans richtet, die parallel zum "Harry Potter"-Hype aufwuchsen – Muggel, die inzwischen selbst keine Schulkinder mehr sind. Das merkt man insbesondere daran, dass die Handlung weniger auf Zauberei fußt, sondern auf zwischenmenschlichen Konflikten, insbesondere der Beziehung zwischen Eltern und Kindern.

Allein deswegen ist das Stück keine Fortsetzung der sieben Romane oder acht Filme. Wer mit einer solchen Hoffnung ins Theater kommt, wird zwangsläufig enttäuscht werden; "Harry Potter und das verwunschene Kind" fühlt sich eher wie ein erwachsenes Spin-off an, das aber auf seine ganz eigene Art verzaubert. Es ist ratsam, vor dem Betreten des Theaters alle hypernostalgischen Erwartungen an der Garderobe abzugeben, und dem Stück die Möglichkeit zu gewähren, für sich selbst zu sprechen. Denn es mag zwar logische Makel haben – doch blieben davor auch die Bücher nicht verschont, und seien wir mal ehrlich: Wer alles totanalysiert, wird im Leben ohnehin nicht allzu viel Spaß haben.

All denjenigen, die vorschnell das Theaterstück verurteilten, weil sie das Skript gelesen und für schräg befunden hatten, sei abschließend gesagt: Damit ein Drehbuch seine volle Wirkung entfalten kann, braucht es fähige Schauspieler – nicht bloß ein paar Regieanweisungen auf Papier.

Den Trailer zum deutschen Stück gibt es hier:

Einen ersten Eindruck von den Proben in Deutschland könnt ihr euch hier machen:

Die Deutschlandpremiere des zweiteiligen "Harry Potter und das verwunschene Kind" findet am Sonntag, den 15. März, im Mehr!Theater am Großmarkt in Hamburg statt. Tickets gibt es ab 99,90 Euro (Gesamtpreis für beide Teile).

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