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Das erste Mal

Das erste Mal Sugaring: Wie ich die Ikkimel in mir entdeckte

Zuckerpaste auf einem Holzspatel – sieht aus wie Honig, tut aber höllisch weh, wenn man damit Haare entfernt.
Zuckerpaste auf einem Holzspatel – sieht aus wie Honig, tut aber höllisch weh, wenn man damit Haare entfernt.bild: IMAGO / CHROMORANGE
Das erste Mal

Ich wollte keine Rasierpickel mehr – also ließ ich mich sugarn

Sich den Intimbereich zu rasieren, gehört zum modischen Diktat, das uns die Nullerjahre auferlegt haben. Auch ich unterwerfe mich ihm – und bin genervt. Zeit, um sich sugarn zu lassen.
21.06.2025, 07:3821.06.2025, 07:54
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Ich habe die Nase voll. Aus diesem Grund liege ich hier, untenrum nackt, in einem Beauty-Salon in Berlin-Mitte. Meine Beine habe ich auseinandergespreizt wie ein Frosch, Rumpf und Hintern sind angespannt.

Eine Paste aus Zucker, Wasser und Zitronensaft wird entgegen der Haarwuchsrichtung auf meine Haut aufgetragen. Meine Schamhaare kleben daran, und zwei Einweghandschuhe an ihnen.

Die geschulten Hände, die sich in dem reißfesten Nitril verstecken, gehören Mary. Sie sagt, dass es gleich weh tun kann, also dann, wenn sie die Paste wieder abzieht: schnell, ruckartig und mit der Wuchsrichtung der Haare, anders als beim Waxing.

Es ist Frühling, noch fünf Tage, bis ich eintauche in die schöne Welt der professionellen Haarentfernung. Ich steige aus der Duschwanne in meinem Badezimmer und lasse das Handtuch behutsam über meine Haut gleiten.

Ich mustere mich im Spiegel, so wie ich es immer nach dem Duschen tue. Betrachte erst meine Brüste, dann meinen Bauch, ziehe ihn ein und stelle mir vor, er wäre immer so flach. Dann drehe ich mich um 45 Grad, streichle über meine Love Handles und meinen Po und denke: So schön wie der von Dua Lipa ist er nicht.

Die Beziehung zu meinem Körper ist kompliziert. Wir halten es jetzt schon 25 Jahre lang miteinander aus. Sind durch dick und dünn gegangen. Meine rot gefärbten Strähnchen in der 7. Klasse hat er mir verziehen. Heimgezahlt hat er es mir aber trotzdem: mit Aknenarben.

Rasierpickel – eine never ending Story

Heute, mehrere Therapiesitzungen später, kommen wir gut miteinander aus. Ich akzeptiere die 77 Kilogramm auf der Waage, meine großen Waden und die kleinen Pölsterchen auf den Hüften. Aber trotzdem gibt es da diese eine Sache, weshalb der Haussegen schief hängt: Rasierpickel im Intimbereich.

Schon klar, es gibt diverse Tipps und Tricks, wie man die kleinen roten Monster vermeiden kann. Eine frische Klinge soll helfen, mit der Haarwuchsrichtung rasieren auch, aber bloß nicht mit zu viel Druck. Danach die Haut abtrocknen, aber Obacht: tupfen, nicht reiben.

Vorsicht ist besser als Ausschlag. Das gilt auch bei der Wahl der Unterwäsche. Den Tanga aus schwarzer Spitze lass' daher in der Schublade. Baumwolle ist der wahre Shit. Darin fühlt sich frisch enthaarte Haut am wohlsten, behaupten Ratgeber im Internet.

Uh, und hast du es schon mal mit Skincare probiert? Dieses viel zu teure Aftershave mit Grüntee-Extrakt, Traubenfruchtwasser und ganz viel Vitamin E gekauft? Damit machst du eingewachsenen Haaren den Gar aus.

Es reicht. Ich lasse mich nicht länger verarschen.

Genervt öffne ich einen neuen Tab, suche nach dem nächstgelegenen Beauty-Salon in meiner Gegend und buche einen Termin: Freitag, 18.30 Uhr bei Mary.

Willkommen in Aphrodites Folterkammer

Ich betrete das Studio. Ein Ort aus Acryl, Nagellack und Wimpernverlängerung. Wo sich patriarchale Ideale eine Maniküre gönnen und Hautporen um Erbarmen flehen.

Am Empfang begrüßt mich die Frau mit der Lizenz zum Sugarn: Mary. Ihre blau-grünen Augen blicken hinter einem Bildschirm hervor.

Sie bittet mich noch kurz Platz zu nehmen, ehe sie die Pforte zu Aphrodites Folterkammer öffnet. Und schon geht es los.

Meinen Körper hieve ich auf die Liege, ausgerollt mit Ärztekrepp. Derweil bereitet Mary alles vor: Pre-Sugaring Cleanser, eine Art Reinigungsschaum, und die Zuckerpaste liegen parat. Dann betrachtet sie meine Vulva. "Eigentlich ein bisschen zu kurz", sagt sie und meint meine Haare.

Damit beim Sugaring die Haare samt Wurzel entfernt werden können, sollten sie lang genug sein, zwischen 0,3 und einem Zentimeter. Das bedeutet: Wachsen lassen, mindestens zwei Wochen, erklärt Mary. Das letzte Mal, dass ich zum Nassrasierer gegriffen habe, ist knappe acht Tage her. Meine Stoppeln könnten also Probleme machen.

Sugaring ist krasser als eine Geburt

Bevor Mary mich auffordert, ein kleines bisschen wie ein Frosch zu sein, stellt sie mir eine Frage, auf die ich sehnsüchtig gewartet habe: "Ist das hier dein erstes Mal?"

"Ja", antworte ich und plappere ungefragt weiter. Ich erzähle ihr von meinen Bedenken, den Schmerzen. Von einem bereits gebuchten Termin, den ich storniert habe, weil eine Freundin ihre Sitzung nach fünf Minuten abbrechen musste. Unerträglich sei das gewesen, noch eine Sekunde länger und sie wäre vermutlich in Ohnmacht gefallen.

Als ich Mary davon erzähle, hoffe ich auf eine Reaktion. Sowas wie: "Ach, so schlimm wird es nun wirklich nicht" oder "manche Menschen sind eben etwas schmerzempfindlicher". Aber statt mich zu besänftigen, feuert Mary meine Sorgen weiter an. Eine Frau habe mal gesagt, Sugaring wäre krasser als eine Geburt. Lieber würde sie noch ein zweites Kind gebären, als für Mary ein weiteres Mal die Beine breitzumachen.

Ich mag Mary. Sie versucht erst gar nicht, irgendwas schönzureden. Das klingt vielleicht komisch, aber jetzt, wo ich das weiß, fühle ich mich bereit. Also legen wir los. Ich spanne jeden einzelnen Muskel an, den mein Körper so hergibt, und Mary lehnt sich über meine Vulva: Ready to rumble.

Sie beginnt erst außen, an der Innenseite meiner Oberschenkel und arbeitet sich langsam vor, durch die Steppe von Haaren über den Venushügel bis hin zu meinen Vulvalippen. Umso näher sie denen kommt, desto sehnlicher wünsche ich mir ein Kind zu gebären. Das sei normal, vergewissert sie mir. Nicht das mit dem Kind, die Schmerzen.

Inzwischen ist mehr als eine halbe Stunde vergangen. Mary macht ihren Job und ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Ich würde mich wacker schlagen, sagt sie. Dass ich hier aber schweißgebadet liege, das Papier unter meinem Po völlig durchgeweicht ist, scheint Mary nicht bemerkt zu haben. Auch nicht, dass ich Pausen mache beim Reden. Dass ich Sätze beginne, aber sie nicht zu Ende bringe, weil ich kurz davor bin, die Fassung zu verlieren.

Ikkimel ist einfach gerne sexy, ich auch

Während ich an die Decke starre, muss ich an vieles denken. An einen Satz, den ich zum letzten Mal gehört habe, als ich acht Jahre alt war und meine Mutter mir noch die Haare kämmte: "Wer schön sein will, muss leiden, Lieschen." Dieser Satz, der vom Streben nach äußerer Schönheit erzählt, an dem ist noch immer ein wenig Wahrheit dran.

Frauen zwängen sich in enge Korsetts, tragen unbequeme Pumps und lassen sich waxen. Männer und non-binäre Menschen übrigens auch. Warum eigentlich?

Viele denken sofort an Schönheitsideale, an die Erwartungshaltung der Gesellschaft an den Körper der Frau als umherwanderndes Gespenst. Aber manchmal ist der Grund, warum wir uns solche Kosmetikbehandlungen freiwillig antun, ganz trivial.

"Ich bin einfach gerne sexy", sagte Ikkimel im Interview mit dem hessischen Rundfunk. "Ich mach' das nicht für Männer, sondern weil ich mich gerne geil fühle."

Vielen jungen Frauen spricht die Rapperin aus der Seele. Mir auch. Und, na ja, Rasierpickel sind vieles, aber nicht sexy. Oder geil.

Die Sitzung ist beendet. Nachdem mir Mary ein paar hartnäckige Stoppel mit der Pinzette entfernt hat, ziehe ich mich wieder an. Ob ich denn wiederkommen werde, fragt sie mich. Ich sage ja, so ganz sicher bin ich mir aber noch nicht. Dann verabschiede ich mich, schließe die Tür, hole mein Handy aus der Hosentasche und setze mir Kopfhörer auf.

In die Suchzeile bei Spotify tippe ich: "Bikini Grell", ein Song von Ikkimel und plötzlich, so völlig glatt untenrum, fühle ich mich offiziell wie die allergrößte Fotze der Stadt.

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