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Beauty-OPs und KI: Wann Selbstoptimierung toxisch wird

Durch KI-Models gewöhnen wir uns an ein utopisches Schönheitsideal.
Durch KI-Models gewöhnen wir uns an ein utopisches Schönheitsideal. Bild: imago images / chromochange
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Beauty-Trends: Wie KI-Models den Schönheitsstandard verändern

02.10.2024, 07:4302.10.2024, 16:24
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Schon lange benutzen wir Filter für Selfies, sehen wir, wie Stars sich regelmäßig Schönheitsoperationen unterziehen und beobachten, wie sich die Trends für Make-up, Haare und Nägel verändern. Nun mischen KIs mit und sorgen für ein noch perfekteres Bild von Menschen, das zum Alltag wird. So hat Mango erst kürzlich KI-Models eingesetzt und beinahe zeitgleich wurde eine KI-Misswahl ausgetragen. In Zeiten von Social Media ist es schwer, solchen Trends – und damit auch dem gesellschaftlichen Druck – zu entgehen.

Watson hat mit der Psychologin Sarah Reitz und mit Lilly Le von Treatwell deswegen über den Perfektionsdruck gesprochen, der durch KI erhöht wird. Sie sprach auch über die Einflüsse von Social Media auf die Beauty-Industrie und die gestiegene Nachfrage nach Botox und anderen Eingriffe.

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Watson: Ist das Nacheifern eines KI-Trends besorgniserregender als das Nacheifern nach dem Schönheitsideal echter Menschen?

Sarah Reitz: Grundsätzlich ist das Streben nach Schönheitsidealen überhaupt nichts Neues. Die Gesellschaft definiert, was schön ist. Das wird dann in den Medien repräsentiert und junge Menschen eifern dem nach. Dabei spielen auch Ressourcen eine Rolle – kann ich mir die nötigen Behandlungen und Produkte leisten? Dabei muss immer klar sein, dass wir viele retuschierte Bilder sehen, die nicht der Realität entsprechen. Durch KI werden aber genau diese Bilder immer häufiger. Wir bearbeiten Bilder für unsere Dating-Profile und den Lebenslauf, weil wir einem bestimmten Standard entsprechen möchten.

All das etabliert sich nun schon länger.

Sarah: Ja, diese Dinge sind nicht neu – was sich aufgrund von KI jedoch ändern wird, ist die Quantität. Es gibt inzwischen unzählige Apps, die jeder von uns bedienen kann und mithilfe derer man viele verschiedene (polierte) Versionen von sich auf Grundlage eines Bildes erschaffen kann. Dabei bleibt die Frage offen, wie wir diese Form der KI in Zukunft nutzen werden: Wird es irgendwann uninteressant, weil es so zugänglich ist und der Reiz verloren geht, oder wird es noch extremer – und wir sind bald alle nur noch bearbeitet im Internet zu sehen, weil wir es anders nicht mehr gewöhnt sind?

Man stellt ja auch von sich selbst nur ungern Bilder online, die einen nicht im besten Licht zeigen.

Sarah: Genau. Es gibt auch bereits Studien zu unserem Verhalten auf Social Media, die zeigen, dass wir uns selbst immer möglichst von der besten Seite zeigen: Wir wählen die Bilder, auf denen die Haut am besten aussieht und der Bauch am flachsten ist. Wir wissen auch, dass andere das genauso machen: Trotzdem vergleichen wir uns mit diesen sorgfältig ausgewählten Bildern, die nur ein Bruchteil der Realität sind.

Gibt es schon einen Trend zu Beauty-Behandlungen, die dem Aussehen von KI-Models nacheifern?

Lilly Le: Die Auswirkung von Social Media auf die Beauty-Industrie ist sehr deutlich zu spüren. Die Wünsche der Kund:innen werden immer konkreter. Sie kommen beispielsweise in ein Nagelstudio für Hailey-Bieber-Nails oder in ein Kosmetikstudio für Glass-Skin, einen Haut-Trend, der durch K-Pop aufkam. Bei den Begriffen merkt man bereits, dass Trends aus dem Internet das Schönheitsideal sehr prägen. Aktuell sind das vor allem Trends, die sehr natürlich aussehen sollen, die aber auch bestimmte Behandlungen erfordern: Auch der natürliche Look wird gespritzt.

Wir denken also, diese Menschen sind natürlich schön, obwohl sie es nicht sind?

Lilly: Das ist das Gefährliche daran. Die Stars in den Medien sehen natürlich aus und ihr Look wird als natürlich dargestellt – aber in der Realität stecken da sehr viele Beautybehandlungen dahinter. Vor allem Micro-Needling und das Spritzen von Hyaluronsäure und Botox wird immer gefragter. Das sind für viele Beauty-Salons relativ neue Eingriffe und um die anbieten zu dürfen, mussten wir auch erstmal die Rechtslage hierfür klären – es handelt sich immerhin nicht um ein Peeling und eine Porenreinigung. Das Angebot hierfür besteht bei Treatwell nun seit kurzem, weil die Nachfrage durch den Einfluss von Social Media aktuell so hoch ist.

Haben Social Media und KI etwas an der Zielgruppe für Schönheitsbehandlungen geändert?

Lilly: Wir merken bei Treatwell verstärkt, dass nun auch junge Frauen sowie Männer verschiedenen Alters sich um ihr Äußeres Gedanken machen und verschiedene Behandlungen buchen. Das sind schon lange nicht mehr nur Frauen ab einem bestimmten Alter. Es gibt inzwischen Skincare-Routinen für jedes Geschlecht, jedes Alter und jeden Hauttypen. Und spätestens seit Harry Styles sich mit bunten Nägeln gezeigt hat, kommen deutlich mehr Männer für bunte Nail-Art in die Salons.

Hinter alldem steht ein Selbstoptimierungsdruck. Gibt es Warnzeichen davor?

Sarah: Wenn mein Fokus nur noch auf meinen vermeintlichen Makeln liegt und es nur noch darum geht, diese auszubessern, ist das psychisch extrem belastend. Dabei darf man nicht vergessen, dass selbst Menschen, die beispielsweise als Model arbeiten und mit ihrem Aussehen Geld verdienen, Unsicherheiten haben und von sich selbst berichten, oft nur ihre Makel wahrzunehmen. Das zeigt: je mehr man sich mit Schönheit beschäftigt, umso mehr ist die Wahrnehmung darauf gepolt.

Und umso eher nimmt man Unstimmigkeiten wahr.

Sarah: Und das macht auf Dauer nicht glücklich. Wenn man merkt, dass man aufgrund seines Äußeren oft niedergeschlagen ist, sollte man vorsichtig werden.

Gibt es Hilfsmittel, um die eigene Wahrnehmung auf den Prüfstand stellen zu können?

Sarah: Eine Möglichkeit, um sich selbst zu prüfen ist dabei die Frage, wie viel Prozent von meinem Selbstwert hängt – meiner Meinung nach – von meinem Äußeren ab? Und wenn das eine sehr hohe Zahl ist, sollte man versuchen sich auf all seine anderen Eigenschaften zu besinnen und den Fokus vermehrt auf den Charakter lenken. Denn man ist mehr als nur sein Äußerliches. Eine andere Frage, die hilft, die Perspektive zu ändern ist: Würden meine Freund:innen das an mir kritisieren? Denn Menschen, die uns gerne mögen, tun das ja nicht aufgrund unseres Aussehens.

Man sollte Beauty-Behandlungen also nur für sich tun, und nicht um anderen zu gefallen.

Sarah: Absolut. Es ist fast unmöglich, sich von den Schönheitsidealen der Gesellschaft freizumachen. Deswegen ist es wichtig, eine Balance zu finden zwischen sich einerseits etwas gönnen und sich etwas Gutes tun, und andererseits zu wissen, dass diese Dinge einen nicht definieren. Man ist sehr viel mehr als nur die Glätte der eigenen Haut.

Wenn Schönheit immer in Trends gedacht wird, geht dabei auch Kreativität verloren.

Lilly: Ja, und man wird mittlerweile bombardiert von Trends. Auch abseits von Social Media sind Beauty-Trends sehr präsent in unserem Alltag, es wird viel über verschiedene Eingriffe wie Botox-Filler gesprochen, die inzwischen auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Und da wieder herauszukommen, ist definitiv schwierig.

Das wirkt wie ein Kreislauf: Auf jeden neuen Trend folgt der Wunsch sich anzupassen.

Lilly: Deswegen ist es wichtig, sich auch immer wieder – gerade durch das erhöhte Aufkommen von KI – bewusst zu machen, dass viele Bilder im Internet und auf Plakaten stark bearbeitet oder eben generiert sind. Eine Sache, die jedoch für Beruhigung sorgen kann: Unsere Treatwell-Partnersalons merken, dass authentische Looks besser funktionieren als perfekte Bilder und Menschen. Deswegen kommt für viele auch nicht infrage, selbst mal mit KI-Models zu arbeiten.

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