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Sexistische Scheiße

Schönheits-OPs: Kritik an operierten Frauen ist intolerant und unfeministisch

Schönheits-OP
Das gesellschaftliche Schönheits-Ideal ist problematisch. Da hilft Kritik an Frauen aber auch nicht weiter. Bild: Chat GPT / AI
Sexistische Scheiße

Warum die Kritik von Frauen an Beauty-Eingriffen intolerant und unfeministisch ist

10.06.2024, 07:34
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Nach dem Abi haben viele meiner Mitschüler:innen eine teure Reise gemacht. Eine gute Freundin von mir hat lieber mehrere tausend Euro für eine Nasen-OP ausgegeben.

Wir haben uns im ersten Semester an der Uni kennengelernt. Und ich war fasziniert von der Tatsache, dass sie mit 19 Jahren bereits ihren ersten Beauty-Eingriff hinter sich hatte. Sie hatte ihn selbst gezahlt. Von Geld, das sie über Jahre hinweg mit schlecht entlohnten Nebenjobs angespart hatte.

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Es war nicht so, dass meine Freundin besonders fixiert gewesen wäre auf ihr Äußeres oder auf das, was sie als ihren Makel identifiziert hatte – was in ihrem Fall ein Huckel auf der Nase war. Ein kleiner, kaum erkennbarer Huckel. (Ich habe alte Fotos von ihr gesehen.)

Verglichen mit anderen Mädchen in ihrem Alter war sie einfach mutiger und entschlossen genug, etwas zu unternehmen gegen ihren vermeintlichen Makel.

Für meine Freundin war die OP der richtige Schritt. Sie hatte sich das gegönnt, wie sie selbst sagte. Seitdem war sie zufrieden mit ihrem Äußeren.

Schönheits-OPs kosten viel Geld. Sie bringen immer auch ein operatives Risiko mit sich. Trotzdem werden sie immer beliebter, vor allem die minimalinvasiven Eingriffe wie Botox- und Hyaluronbehandlungen.

Hier mal ein paar Zahlen: 98.548 Beauty-Eingriffe gab es in Deutschland im Jahr 2022. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Anstieg um fünf Prozent.

Schönheit kommt von innen? Leider nein

Oftmals heißt es, Schönheit komme von innen. Dabei ist es ganz anders. Leider.

Schön sein heißt vor allem, dem in der Gesellschaft vorherrschenden Schönheitsideal zu entsprechen. Und dieses Ideal ist gelernt. Die perfekten Körper kann man in Magazinen, auf Produktverpackungen, in Filmen sehen. Ich denke an das Körperbild, das in "Germany’s Next Topmodel" vermittelt wird, die Kämpfe, die Louisa Dellert auf Instagram täglich für Bodypositivity auskämpft, an Unterwäsche-Werbung mit einer geradezu unrealistisch schlanken Rebecca Mir, neben der man sich als Frau nur schlecht fühlen kann. Hin kommt Social Media.

Auf Tiktok teilen junge Frauen ganz unbefangen Videos von ihrer Brust-OP, auf Instagram findet man allein unter dem Hashtag "Botox" 19 Millionen Beiträge.

Hier zeigt sich ein Schönheits-Ideal, das viele zu Recht für bedenklich halten. Es entsteht für Frauen ein enormer Druck, dem zu entsprechen. Vor allem ist es aber deshalb problematisch, weil es geprägt ist vom männlichen Blick, der leider viel zu oft als normal angesehen wird.

Sophie Passmann wird kritisiert für ihre Beauty-Eingriffe

Dennoch gibt es immer mehr Feministinnen, die offen über Beauty-Eingriffe sprechen. Die Autorin Mirna Funk lässt sich regelmäßig botoxen.

Und Sophie Passmann hat im vergangenen Jahr für Aufregung gesorgt, als sie in der "Zeit" über ihre Beauty-Eingriffe geschrieben hat.

"Ich gebe Geld aus für das Färben von Augenbrauen und Lacke für die Nägel, dauerhafte Haarentfernungen und Gesichtsbehandlungen zur Minimierung von Rötungen", schrieb sie da: all das werde von ihr erwartet. Und deshalb mache sie auch Botox und Lipfiller regelmäßig. Denn respektiert würden Frauen nur, wenn sie dem gängigen Schönheitsideal entsprechen würden.

Sophie Passmann ist genervt vom gesellschaftlichen Schönheitsideal und kann sich trotzdem nicht freimachen davon. Das ist nichts, was man ihr vorhalten könnte, hätte ich gesagt. Andere finden ihre Eingriffe unfeministisch: Sophie Passmann ist eingeknickt vor dem Patriarchat, so der Vorwurf.

Wer sich operieren lässt, ist Teil des Systems, lautet die Argumentation, die doch sehr erinnert an die Position der Fe­mi­nis­tin­nen aus den 70ern. Die Philosophin Kathryn P. Morgan lehnte Schönheitseingriffe in ihrem Werk "Women and the knife" aus dem Jahr 1991 als direkte Folge des Patriarchats klar ab. Eine Beauty-OP war für sie vor allem eins: ein Akt der Unterwerfung.

Ich sehe es ein bisschen anders. Und ich dachte auch, dass wir darüber schon hinaus wären. Denn Sophie Passmann ist immerhin ehrlich. Sie tut gar nicht so, als seien ihre Beauty-OPs ein Akt der Selbstbestimmung. Stattdessen benennt sie den gesellschaftlichen Druck, schön auszusehen, ganz klar. Und sie erklärt auch, dass sie sich deshalb für gewisse Eingriffe entschieden habe. Das heißt, sie reflektiert die Strukturen durchaus kritisch mit – und macht es dennoch.

Überraschung: Auch operierte Frauen können Feministinnen sein

Letztlich ist Sophie Passmann eine erwachsene Frau, die eine Entscheidung über ihren eigenen Körper getroffen hat. So what?

ARCHIV - 06.10.2022, Hamburg: Sophie Passmann, Autorin, Schauspielerin und Radiomoderatorin, kommt über den Roten Teppich zur Deutschland-Premiere des Musicals "Hamilton" im Operettenhaus Ha ...
Autorin Sophie Passmann nutzt Botox und Lipfiller.Bild: dpa / Christian Charisius

Es heißt immer, Feministinnen dürfen heute rote Fingernägel, hohe Schuhe und kurze Röcke tragen. Feminismus hätte heute nichts mehr mit Äußerlichkeiten zu tun. Nur nach einer Schönheits-OP müssen sich Frauen noch rechtfertigen, weil das so gar nicht vereinbar sein soll?Das finde ich geradezu unfeministisch.

Ich glaube, hier täte ein bisschen mehr Toleranz der ganzen Bewegung gut.

Dass das gesellschaftliche Idealbild oft problematisch ist, ist klar. Aber dadurch ist nicht jede unserer Entscheidungen vom Patriarchat bestimmt.

"Wenn ich einen Dinnerabend nur mit Frauen mache, dann kommen alle Girls aufgebrezelt mit der heißesten Unterwäsche, ohne dass sowas wie ein Dude zur Penetration überhaupt anwesend ist", schreibt Mirna Funk beim feministischen Online-Portal "Edition F".

Zudem wäre es einfach absurd, jeder Frau, die sich von der gesellschaftlichen Idealvorstellung nicht freimachen kann, gleich Antifeminismus vorzuwerfen: Niemand verrät den Feminismus, wenn er oder sie Bodypositivity für sich selbst noch nicht konsequent lebt und sich deshalb operieren lässt. Und natürlich kann sich auch eine operierte Frau starkmachen für feministische Anliegen.

In letzter Zeit habe ich öfter an meine Freundin aus dem Studium gedacht.

Ich bin jetzt 36.

Natürlich ist Botox etwas, was ich in Erwägung ziehe.

Tröstlich finde ich: Sollte das Punktabzug auf der Feministinnen-Skala geben, befinde ich mich dort immer noch knapp über denen, die andere Frauen wegen ihrer Eingriffe verurteilen.

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