Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future fordern: "Politik für Menschen, statt für Konzerne!"

Extinction Rebellion Against Fossil Industry Held A Demonstration In Rotterdam A boy has the message In your hands, our future , written on his hands, during the demonstration organized by XR against  ...
Junge Menschen gehen weltweit für eine sozialgerechte Klimapolitik auf die Straße (Symbolbild).Bild: www.imago-images.de / imago images
Gastbeitrag

Fridays for Future kritisieren Zögern bei Energie-Embargo: "Regierung versteckt sich hinter Argumenten von Konzernen"

20.05.2022, 15:3320.05.2022, 20:13
jule pehnt, gastautorin
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Zu Beginn des Krieges gegen die Ukraine konnten wir uns kaum retten vor lauter Solidaritätsbekundungen von Regierungen und Unternehmen. Die Hilfsbereitschaft wirkte grenzenlos, es wurde von einer "Zeitenwende" in unserer Außen- aber auch unserer Klimapolitik geredet: Ein sofortiger Bruch mit fossilen Abhängigkeiten und der Ausbau von Erneuerbarer Energie als "Freiheitsenergie" sollten kommen. Versprechen, die wir jetzt als inhaltslos und verlogen erklären können.

Verantwortung in Entscheidungspositionen zu tragen, heißt, immer neue Abwägungen zu treffen – zwischen dem, was eine Gesellschaft verkraftet und dem, was der Gesellschaft nützt.

Wie viel können – und sollten Menschen tragen?

Wie sehr stehen wir zu unseren Werten, wie solidarisch sind wir wirklich?

Ein Großteil der deutschen Bevölkerung war von Anfang an bereit für ein Embargo – also einen Importstopp für russische Energien. Man war (und ist) bereit, selbst eine Last zu tragen, um das Leiden in der Ukraine zu beenden. Doch trotz Versprechen und großer Zustimmung aus der Bevölkerung lässt die Ampel ihre Entscheidungen von Unternehmen mit eindeutigen Interessen bestimmen.

Jule Pehnt ist 17 Jahre alt und geht in Freiburg in die elfte Klasse. Seit zwei Jahren engagiert sie sich bei Fridays for Future in Freiburg und bundesweit für eine konsequente und gleichzeitig sozial ...
Jule Pehnt ist 17 Jahre alt und geht in Freiburg in die elfte Klasse. Seit zwei Jahren engagiert sie sich bei Fridays for Future in Freiburg und bundesweit für eine konsequente und gleichzeitig sozialgerechte Klimapolitik.

Wir sehen es deutlich: Konzerne wie BASF und Co. fahren Lügenkampagnen. Der Reichtum der CEOs beruht so sehr auf den Gasimporten, dass sie, aus Angst vor finanziellen Verlusten, unangebrachte Panik auslösen und Fakten verdrehen. Sie malen dramatische Untergangsszenarien, erzählen von Zusammenbrüchen der gesamten Volkswirtschaft und unumkehrbaren Schäden – und das alles ohne die nötigen wissenschaftlichen Belege.

Wirtschaftsinstitute wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ermitteln gänzlich andere Ergebnisse: Die deutsche Wirtschaft ist resistenter als wir denken und zusammen mit der nötigen Finanzierung sozialer Ausgleichsmaßnahmen sind die Schäden durch ein Embargo zu händeln.

Habeck und Scholz, Lindner und Co. entscheiden sich allerdings bewusst dafür, den Profit einiger Unternehmen über alles andere zu stellen. Die Bundesregierung versteckt sich hinter den Argumenten von Konzernen, statt mutig und ehrlich Entscheidungen zu treffen – ein Mechanismus, der uns aus der Klimapolitik schon bekannt ist.

Die Politik schützt das verschwenderische und zerstörerische Verhalten der Konzerne mit ihren Taten vor allem finanziell. Letztendlich werden wir momentan als Gesellschaft und Demokratie auf den Prüfstand unserer Werte gestellt: Was ist uns wichtiger – Menschenleben oder die Bauchschmerzen der Industriechefs bezüglich möglicher Verluste?

Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.

In der Corona-Pandemie haben wir erfahren, was Solidarität bedeutet: Eine Gesellschaft, die als gespalten und individualistisch galt, hat sich plötzlich gegenseitig geholfen und im Sinne verletzlicher und schwächerer Menschen gehandelt. Die Überraschung über den Zusammenhalt war groß – und dieser Zusammenhalt war nur möglich, weil er politisch zugelassen und unterstützt wurde.

Leistung und Konkurrenz sind immer politisch und ökonomisch gewollt und mittlerweile eine Überlebensstrategie für jeden Einzelnen geworden. Die Bereitschaft der Bevölkerung auch international solidarisch zu handeln, ist hoch und in unserer Gesellschaft maßlos unterschätzt, teilweise sogar blockiert.

Statt eine ehrliche Debatte über die reellen Folgen eines Embargos und vor allem über mögliche soziale und infrastrukturelle Lösungen zu führen, ruht sich das Bundeswirtschaftsministerium auf Ausreden aus. Letztendlich schieben unsere Minister und Ministerinnen ihre Verantwortung auf das "Ultimatum" der Unternehmen ab.

Das transparente Abwägen eines Entscheidungsprozesses wird übergangen und das Leid, die Bedrohung, die Verzweiflung und Angst in der Ukraine und im russischen Widerstand in den Hintergrund geschoben. Der Schein einer unabhängigen Politik der Vernunft und Verantwortung, die viele Bürgerinnen und Bürger gewählt haben, trügt.

Regierungen werden gewählt, um auf Krisen zu reagieren, und nicht, um sie zu ignorieren. Ein Importstopp wäre der Beweis dafür, dass die Ampel politischen Mut und Gestaltungswillen hat.

"Regierungen werden gewählt, um auf Krisen zu reagieren, und nicht, um sie zu ignorieren."

In Anbetracht der Diskussion um ein Embargo wird auch ein anderes Phänomen sichtbar: Das Leben der Menschen, selbst ein Krieg, reichen nicht aus, um uns das Ausmaß der Folgen unserer fossilen, profit-orientierten Systeme genügend bewusst zu machen, um konsequent und ohne zu zögern zu handeln.

Schon viel zu lange werden Menschen ignoriert, die beispielsweise in Peru vom deutschen Kohleunternehmen RWE gefährdet werden, oder in Uganda durch die Ölpipeline EACOP ihre Lebensgrundlage verlieren. Seit Jahrzehnten werden Menschenrechtsverletzungen und neokoloniale Systeme vertuscht und nur die Erfolge von fossilen Energien betrachtet – obwohl wir uns von genau diesen dringend verabschieden müssen. Denn sie heizen nicht nur die Atmosphäre auf, sondern auch Kriege an.

Der Versuch, einfach neue fossile Abhängigkeiten von anderen Autokratien und Flüssiggasterminals durchzudrücken, die erst in einigen Jahren und nicht akut eingesetzt werden können, steuert dem benötigten radikalen Ausbau Erneuerbarer Energien entgegen. Wir sehen seit Jahren eine von Unternehmen verzerrte Diskussion über die Klimakrise – und auch jetzt scheinen nicht die Meinungen der Betroffen, sondern die Zahlen des Gewinns an erster Stelle zu stehen.

Nicht nur in kurzfristigen Perspektiven, sondern auch langfristig müssen wir erkennen, dass genau diese Denkmuster zu immer mehr Leid führen. Aber es muss nicht so weitergehen, wir haben die Wahl: Wir können ehrliche Debatten führen, zu unseren Werten stehen und gemeinsam Lösungen finden.

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