Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future über "Climate Anxiety": Die Klimakrise macht uns psychisch krank

June 28, 2020, Morigaon, Assam, India: Villagers cross a flooded area on boat, at a village in Morigaon district of Assam. More than 200,000 people have been affected by the floods caused by heavy rai ...
Überschwemmungen können eine Folge des Klimawandels sein – und sie können Ängste auslösen.Bild: www.imago-images.de / David Talukdar
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Fridays-for-Future-Aktivistin warnt: Die Klimakrise macht uns nicht nur körperlich, sondern auch psychisch krank

20.11.2020, 18:0220.11.2020, 18:22
Magdalena Hess, gastautorin
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Was erst in den letzten Jahren stärker erforscht und thematisiert wird, sind die psychischen Auswirkungen der Klimakrise. Kein Wunder, das Ganze ist weniger greifbar und gewissermaßen auch weniger dringlich als die großen Naturkatastrophen, die durch die Erderwärmung auf physikalischer Ebene entstehen. Viele Menschen können sich deshalb unter dem Thema psychische Leiden aufgrund der Auswirkungen der Klimakrise nichts vorstellen, Betroffene das Problem nicht richtig einordnen.

Im schlimmsten Fall empfinden sie das als normal. Bis zu einem gewissen Grad ist es auch sehr normal und gesund, auf eine der größten Krisen aktuell nicht unbedingt komplett gleichgültig oder passiv zu reagieren. Klar, Angst ist notwendig, sie motiviert durchaus zum Handeln. Leidet das Leben unter der Angst, sei es in sozialer oder auch beruflicher Hinsicht, weil sie einen bis hin zur völligen Antriebslosigkeit lähmt, wird sie problematisch.

Die sogenannte Klimaangst

"Climate Anxiety" nennt sich das Phänomen, Psychologen sprechen hier von einer Klimaangst. Climate Anxiety ist keine Diagnose (Anm. d. Red: Klimaangst oder -depression wird nicht im ICD-Katalog der Weltgesundheitsorganisation gefasst) und es wird viel darüber diskutiert, ob der Begriff angemessen ist. Trotzdem hilft er, einen emotionalen Zustand zu beschreiben, der durch die Klimakrise bedingt ist. Klimaaktivistinnen und -aktivisten – wie auch -forscherinnen und -forscher – sind für dieses Phänomen besonders anfällig, sie gehören gar zur Risikogruppe.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort, um zu zeigen: Wir können noch etwas gegen den Klimawandel tun – wenn wir jetzt ...
Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort, um zu zeigen: Wir können noch etwas gegen den Klimawandel tun – wenn wir jetzt handeln.Bild: watson

Viel von dem, was andere an Verantwortung aufgrund ihrer Position, etwa in Politik oder Industrie, tragen sollten, bleibt aktuell eher an der meist sehr jungen Klimagerechtigkeitsbewegung hängen. Intensive und dauerhafte Beschäftigung mit der Klimakrise, von ökologischen Folgen über die Auswirkungen auf Menschen bis hin zu den daraus resultierenden Problemen auf unsere gesamte Gesellschaft, gehört zum Alltag.

Natürlich kann man sich da schnell alleingelassen und überfordert fühlen. Vieles scheint in Anbetracht der Klimakrise auch sinnlos: Junge Menschen stecken ihre ganze Energie in die Schule, Studium, Ausbildung – für eine Zukunft, die es so nie geben wird, wenn nicht schnell politisch gehandelt wird. In vielen Teilen der Welt ist jetzt schon kein normales Leben mehr möglich, weil ständig die Gefahr von großen Umweltkatastrophen im Raum steht – von denen vier von fünf direkt auf die Klimakrise zurückzuführen sind.

Was helfen könnte

Expertinnen und Experten, darunter die Psychologen von "Climate Psychologists" oder dem deutschen Pendant, den "Psychologists for Future", sind der Ansicht, dass die Lösung der Klimakrise auf einer ähnlichen Ebene ablaufen sollte wie das Vorgehen gegen klimakrisenbedingte psychische Probleme: durch gemeinsames, wirkungsvolles Handeln, zum Beispiel durch Engagement in einer Klimabewegung, bis zu dem Punkt, an dem reale Veränderung passiert. Dadurch kann beispielsweise das Gefühl der Machtlosigkeit verschwinden und, was fast noch wichtiger ist, ein Austausch mit anderen erfolgen, denen es genauso geht.

Das ist ein Anfang. Aber die eigentliche Ursache, und dadurch unterscheidet sich Climate Anxiety von anderen psychischen Problemen, ist die Klimakrise. Besteht sie weiterhin, bleibt die psychische Belastung. Aktuell fühlen zwei Drittel der 14- bis 24-jährigen in Deutschland in Bezug auf die Klimakrise Angst. Bis nicht die Sicherheit besteht, dass ausreichende Maßnahmen ergriffen werden, wird es Menschen geben, die nachts nicht schlafen können, aus Angst vor Naturkatastrophen.

Über die Autorin

Magdalena Hess (18) ist Studentin und bei Fridays for Future auf Bundesebene vor allem in den Bereichen Social Media und Grafik aktiv.
Magdalena Hess (18) ist Studentin und bei Fridays for Future auf Bundesebene vor allem in den Bereichen Social Media und Grafik aktiv.Bild: privat

Weiterhin werden Kinder und Jugendliche nicht das Vertrauen in Politikerinnen und Politiker haben können, dass diese ihnen eine sichere Zukunft garantieren. Menschen werden verzweifelt sein, weil der steigende Meeresspiegel ihnen, wenn nicht sehr schnell etwas passiert, ihre Heimat nimmt. Eine Erderwärmung um vier Grad – was beim aktuellen politischen Kurs nicht unwahrscheinlich ist – könnte beispielsweise zur Folge haben, dass Hamburg eines Tages unter Wasser steht. Und es gibt keine Therapie gegen diese Ängste und Gefühle.

Die Corona-Pandemie befeuert das Dilemma: Als die Klimastreiks vor fast zwei Jahren begannen, war das für viele Menschen eine Möglichkeit, etwas gegen ihre Hilflosigkeit zu tun und neue Hoffnung zu schöpfen – die Bewegung wuchs und mit ihr die Wahrscheinlichkeit, etwas zu ändern. Aktuell rückt das Klima aber wieder aus dem Fokus der Öffentlichkeit und es geht wertvolle Zeit verloren.

Was nötig ist

Es ist natürlich nicht unmöglich, auch jetzt politisch zu handeln. Es würde bereits reichen, gewisse Dinge, wie beispielsweise die Inbetriebnahme des Kohlekraftwerkes Datteln 4 oder die Abholzung des Dannenröder Forsts zugunsten einer neuen Autobahn, der A49, einfach nicht in Angriff zu nehmen, ist aber nicht der Fall. Das ist für viele Klimaaktivistinnen und -aktivisten sehr belastend. Da helfen auch nicht Politiker, die in aller Regelmäßigkeit erklären, wie inspirierend wir doch seien.

Möglichkeiten, etwas zu ändern gibt es viele. Es liegt gar in der Verantwortung von Politikern wie auch Entscheidungsträgerinnen in Unternehmen, die Zügel zu ergreifen und den Kurs in eine klimafreundliche Richtung zu lenken. Allen anderen empfehle ich, sich vor allem dafür einzusetzen, dass das Thema präsent bleibt.

Für uns als Bewegung ist es gerade nicht sehr leicht, medienwirksame Aktionen auf die Beine zu stellen und viele Menschen zu erreichen, weil wir uns auch in Bezug auf die Corona-Krise an der Wissenschaft orientieren. Um langfristig gesund zu bleiben, werden wir beide Krisen gleichermaßen bekämpfen müssen, sowohl für die körperliche als auch für die mentale Gesundheit.

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Das Leben ist im 21. Jahrhundert so technologisiert wie nie zuvor. Ob in der Medizin, in der Bildung oder im Konsum – überall unterstützen uns digitale Tools auf verschiedenste Weise im Alltag. Laut Statistischem Bundesamt benötigen 80 Prozent der Erwerbstätigen hierzulande mittlerweile Computer, um ihrer Arbeit nachzugehen.

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