Im Landkreis Cuxhaven, unweit der deutschen Nordseeküste, öffnet sich im Kreidesee Hemmoor ein einmaliges Fenster in die Vergangenheit. Denn wo heute der 60 Meter tiefe Baggersee ist, wurde noch vor knapp 50 Jahren Kreide abgebaut. Nach der Stilllegung des Tagebaus füllte sich die Grube mit Grundwasser – und allerlei altes Gerät versank im See.
Neben der alten Industrieanlage können Taucher:innen dort heute unter anderem Autowracks, ein gesunkenes Segelboot und eine Segelyacht, einen Lkw sowie ein Kleinflugzeug bestaunen.
Diese versunkenen Schätze, sowie die häufig klare Sicht und ungewöhnliche Tiefe, machen den Kreidesee zu einem beliebten Tauchziel. Und der See, der ohnehin schon nicht mit Attraktionen geizt, ist inzwischen um eine weitere reicher.
Dabei fing alles ganz harmlos an. Die ansässige Tauchschule wollte bei Instagram mit dem Vorurteil aufräumen, im Kreidesee gebe es nur versunkenes Gerät und keine Fische. "Im Kreidesee gibt es keine Fische?", schrieben sie provokant zu einem Video.
Dann zeigt die Tauchschule ein Zusammenschnitt von Fischsichtungen – bei denen vor allem eine ins Auge stach.
Die User:innen wollen in dem Video einen Stör gesichtet haben und sind deshalb ganz aus dem Häuschen. "Wilder Stör?!", schreibt eine Person unter das Video. "War das ein Stör?", will jemand anderes wissen. Manche trauen ihren Augen kaum: "Ist das ein deutscher See?", heißt es an einer Stelle.
Die haiförmige Silhouette, das lange Maul – tatsächlich deutet vieles darauf hin, dass es wirklich ein Stör ist. Und auch die Tauschule bestätigt das in der Kommentarspalte.
Die Sichtung ist wirklich spektakulär, denn wie ein Blick auf die Rote Liste bedrohter Tierarten der Weltnaturschutzunion IUCN zeigt, wird dort auch der Europäische Stör gelistet und als vom Aussterben bedroht eingestuft.
Lange waren Störe in Deutschland weit verbreitet, heute sieht man sie nur noch sehr selten. Vereinzelt werden sie in den Mündungen von Nord- und Ostsee gefangen, häufig handelt es sich dabei um ausgesetzte Tiere. Auch der Stör im Kreidesee ist laut der Tauchbasis ein "Besatztier", also ausgesetzt.
Seit Jahrzehnten laufen in Deutschland diverse Projekte zur Wiederansiedlung des Störs, Behörden auf Bundes- und Länderebene sowie Naturschutzorganisationen haben sich dem Thema verschrieben. Weil Störe erst im Alter von 12 bis 16 Jahren geschlechtsreif werden, ist die Wiederansiedlung eine große Herausforderung.
Beim BUND heißt es über den Stör: "Er ist bereits seit mindestens 200 Millionen Jahren auf der Welt: Der Stör ist ein urtümlicher Knochenfisch – sozusagen ein lebendes Fossil."