Bei Fragen zum Umgang mit dem Coronavirus schwenkt der Blick regelmäßig nach Südkorea. Logisch, dort konnte die Ausbreitung des Erregers relativ schnell eingedämmt werden. Häufig wird angenommen, dass das auch am Handytracking lag. Unwahrscheinlich scheint das nicht. In kaum einem anderen Land ist die Technikbegeisterung schließlich so groß.
Außerdem scheint die Vorgehensweise plausibel: Mittels GPS-Daten wird dort ein recht genaues Bewegungsprofil einer Person erstellt – solange sie dem auch zustimmt. Eine weitere Rolle spielt das Bezahlen via Smartphone. Auch da lassen sich Standorte leicht zurückverfolgen. Wird jemand positiv auf Corona getestet, kann anhand dieser Daten die Infektionskette nachvollzogen werden.
Andere Länder wollen sich daran ein Beispiel nehmen und setzen sich ebenfalls fürs Handytracking ein – unter anderem auch Teile der Bundesregierung sowie das Robert Koch-Institut. Die Idee ist eine App, die im Falle einer Infektion alle Menschen in der Nähe des Betroffenen benachrichtigt. Bei "Maybrit Illner" sagte Olaf Scholz dazu:
Virologe Alexander Kekulé sprach sich beim MDR-Podcast "Kekulés Corona-Kompass" gegen diese Maßnahme aus. So betont er etwa, dass es für den Erfolg vom Handytracking bisher keinen wissenschaftlichen Nachweis gebe. Zudem stellt sich hier auch die Frage nach Kausalität und Korrelation.
War das Handytracking also für den Erfolg Südkoreas verantwortlich: unklar, meint der Virologe.
Zu Scholz' Aussage hat Kekulé eine klare Haltung: "Mir gefällt es gar nicht, dass die Politik sagt, die Bevölkerung wird dem schon zustimmen", sagt er. Er vergleicht das mit anderen Fällen aus der Medizin. Wird eine Zustimmung zu einer Operation eingefordert, muss es sich dabei um ein informiertes Einverständnis handeln. Der Patient muss verstehen, warum das notwendig ist. Erst dann zählt die Zustimmung.
Außerdem scheitert das Tracking an einem entscheidenden Punkt: der Nachvollziehbarkeit. Sollte jemand plötzlich positiv auf Corona getestet werden, entsteht die Frage, wen diese Person zufällig angesteckt hat. Dafür muss es aber auch zu einem gewissen Körperkontakt gekommen sein.
Nun ist das Problem, dass anhand von Handydaten nicht klar ist, wie dieser Kontakt aussah. Laut Kekulé könnte so theoretisch jeder zum Verdachtsfall werden, bloß, weil er in der Nähe eines Betroffenen war.
Zudem scheint es schwierig, auszuwerten, wen und wie viele Menschen jemand in den letzten 14 Tagen getroffen hat und wie das Verhältnis zu diesen Personen aussieht. Kamen sich die Menschen näher oder war es nur ein Wink von der anderen Straßenseite? Wie die Menschen damit umgehen, dass sie kürzlich in der Nähe eines Betroffenen waren, lässt sich außerdem nur erahnen.
Sinn ergibt es laut Kekulé hingegen, mittels der Handydaten zu prüfen, ob sich jeder auch wirklich an die Ausgehbeschränkung hält. In Italien wird das bereits gemacht.
Ob Handytracking nötig ist, sei dahingestellt. Denn solche Maßnahmen können dazu führen, dass Daten auch nach der Krise nicht gelöscht werden. "Und das könnte zu einem Vertrauensverlust führen", sagt Kekulé. "Ich sehe da keinen Nutzen drin."
Man könne zudem nicht einfach sagen, dass man alles probiert, völlig egal, ob es klappt oder nicht. Schließlich müsse man bei allen getroffenen Maßnahmen die Nebenwirkungen berücksichtigen.
(tkr)